Kaiserslautern (epd). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war in der Pfalz der Wunsch nach einer Vereinigung von Lutheranern und Reformierten weit verbreitet. Reformierte und Lutheraner waren häufig miteinander verheiratet und lebten in gemischten protestantischen Dorfgemeinschaften. In den Mischehen gingen die Mädchen sonntags mit der Mutter in die Kirche, die Buben folgten dem Vater. Diese in der Reformationszeit erfolgte Trennung konnte 1818 überwunden werden.
Durch die Kirchenunion der beiden protestantischen Konfessionen vor 200 Jahren wurde die "Vereinigte-protestantisch-evangelisch-christliche Kirche der Pfalz" gegründet, die sich erst 1978 in "Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)" umbenannte. Ihre Eigenart ist bis heute von dem 1818 beschlossenen Grundsatz bestimmt, dass allein die Heilige Schrift Norm und Richtschnur für Lehre und Leben sein sollte. Ihre 200-Jahr-Feier begeht diese protestantische Kirche vom 7. bis 9. September in Kaiserslautern, dem Ort, an dem sie gegründet wurde.
Wunsch der Gemeinden
Der Wunsch nach einer Kirchenvereinigung ging von den Gemeinden aus. Waren frühere Verständigungsversuche am Beharren an den Lehrunterschieden zwischen Luther und den Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin gescheitert, hatte die Aufklärung dafür gesorgt, dass sich die Bindung an die kirchlichen Bekenntnisse löste. Zudem ließen der gemeinsame Überlebenskampf in der Zeit der Französischen Revolution und die Freiheitskriege Lutheraner und Reformierte jahrhundertealte Vorurteile vergessen.
Als im Mai 1816 Bayern das Gebiet der heutigen pfälzischen Landeskirche (Pfalz und Saarpfalz) übernahm, sah sich die Regierung mit der Aufgabe konfrontiert, aus den ursprünglich 44 Territorien ein Gebilde mit einheitlichem kirchlichen Bewusstsein zu schaffen. In der Kurpfalz und in Pfalz-Zweibrücken überwogen die Angehörigen der reformierten Konfession, in den Gebieten der Leininger Grafen sowie in Reichsstädten wie Speyer und Landau die Lutheraner.
Insgesamt standen 1813 im Gebiet der heutigen Pfalz 134 737 Reformierten 101 433 Lutheraner gegenüber. Infolge der langen Kriegswirren lag das kirchliche Leben weithin brach. Pfarrer und Lehrer lebten häufig in bitterster Armut. Auch in der Bevölkerung spielte der Wunsch nach Frieden und sicheren Lebensverhältnissen beim Zustandekommen der Kirchenvereinigung eine große Rolle.
Es war das Jahr 1817, in dem die Pfälzer Protestanten unter dem Eindruck der gemeinsamen 300-Jahr-Feier der Reformation die Weichen für die Kirchenvereinigung stellten. Von Oktober 1817 bis März 1818 schlossen sich mehr als die Hälfte der lutherischen und reformierten Kirchengemeinden zu 80 sogenannten Lokalunionen zusammen. Bis zu diesen Zusammenschlüssen gab es 123 lutherische und 127 reformierte Pfarreien.
Die Union wurde also nicht wie im Herzogtum Nassau von der Regierung verordnet, was in der Pfalz auf Widerstände gestoßen wäre. Die Akzeptanz der Pfälzer Kirchenunion war gebunden an den freien Willen der Gemeinden. Indem der bayerische König eine "Volksabstimmung" initiierte, hat er die eigenwillige Pfälzer Unionsbewegung legalisiert.
Nur Familienväter durften abstimmen
Mit 40 167 Ja-Stimmen gegenüber 539 Nein-Stimmen sprach sich eine überwältigende Mehrheit für die Union aus. In der Regel waren nur die Familienväter abstimmungsberechtigt, allerdings wurde dieser Personenkreis häufig erweitert. In einigen Orten beteiligten sich die Witwen, in Hinzweiler gar alle Frauen und konfirmierten Knaben. 493 der 539 Gegenstimmen kamen aus reformierten Gemeinden: zum größten Teil aus Neustadt, Haßloch, Erfenbach und Albersweiler, wo man befürchtete, die reichen Pfründe mit den armen Lutheranern teilen zu müssen.
Die Generalsynode zur Gründung der pfälzischen Landeskirche fand vom 2. bis 16. August 1818 in Kaiserslautern statt. In nur zwölf Verhandlungstagen wurde die Unionsurkunde verfasst und damit das Fundament der pfälzischen Unionskirche gelegt. Der Grundsatz in der Vereinigungsurkunde, dass "es zum innersten und heiligsten Wesen des Protestantismus gehört, immerfort auf der Bahn wohlgeprüfter Wahrheit und ächt-religiöser Aufklärung, mit ungestörter Glaubensfreiheit, muthig voranzuschreiten" zeigt den Fortschrittsglauben der Aufklärungszeit.
Am 10. Oktober 1818 erhielt die Vereinigungsurkunde die königliche Bestätigung und damit Gesetzeskraft. Sichtbarer Ausdruck der Kirchenvereinigung war die gemeinsame Feier des Abendmahls in der Kaiserslauterer Stiftskirche nach dem neuen Ritus. Jeweils der älteste reformierte und lutherische Pfarrer teilten Brot und Wein aus.
Obwohl noch einige Jahre verstreichen mussten, bis die Pfälzer Kirchenunion in allen Gemeinden vollzogen war, zeigte sich schon bald, dass ihre Väter ein theologisch tragfähiges und zukunftsweisendes Modell der Ökumene entwickelt hatten, das bis heute Grundlage der "Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)" ist.