Die in der Türkei angeklagte Journalistin Mesale Tolu ist wieder in Deutschland. Am 26. August landete die deutsche Staatsbürgerin fast anderthalb Jahre nach ihrer Festnahme gemeinsam mit ihrem dreijährigen Sohn auf dem Stuttgarter Flughafen. "Ich freue mich aber nicht wirklich über die Ausreise", sagte Tolu vor Journalisten.

Sie wisse, dass sich in dem Land, in dem sie eingesperrt war, nichts verändert habe. Zahlreiche Kollegen, Oppositionelle, Anwälte, aber auch Studenten seien immer noch eingesperrt. "Für ihre Freisetzung werde ich mich weiterhin einsetzen", erklärte sie.

Ein türkisches Gericht hatte die Ausreisesperre für die Reporterin aufgehoben. Der Prozess gegen sie soll aber fortgesetzt werden. Tolu steht in Istanbul wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor Gericht. Der 33-Jährigen drohen bis zu 20 Jahre Haft.

"Bin der Meinung, dass ich im Recht bin"

Zu ihrem nächsten Gerichtstermin am 16. Oktober will die Journalistin wieder in die Türkei reisen. "Ich bin der Meinung, dass ich im Recht bin", sagte Tolu. Sie habe verschiedene Anträge gestellt, um ihre Unschuld zu beweisen. Konkretes wollte die Journalistin wegen des laufenden Prozesses nicht sagen.

Ihr sei bewusst, dass eine Teilnahme an der Verhandlung möglicherweise naiv sei. Denn die Hoffnung auf einen fairen Prozess setze voraus, dass die Türkei ein Rechtsstaat sei - und keine Willkür-Herrschaft: "Ich bin aber erstmal ein bisschen mutig."

Ihre Verhaftung, die bisherigen Prozesstermine und die Ausreisesperre empfindet Tolu als eine "Kette von Ungerechtigkeiten". "Man hat bei den Vorwürfen gegen mich der Fantasie freien Lauf gelassen", sagte sie. Dasselbe sei auch vielen anderen Journalisten passiert. "Alle, die kritisch gearbeitet haben, wurden unter Druck gesetzt, in Polizeigewahrsam genommen oder eingesperrt", berichtete Tolu.

Sie verurteile aber nicht die Menschen, die den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gewählt haben. Viele wüssten nichts von dem Druck und der Verfolgung, der die Opposition ausgesetzt sei. "Es gibt zum Beispiel keine unabhängigen Fernsehsender mehr, die die Menschen aufklären könnten", sagte die Journalistin.

Warum die Ausreisesperre ausgerechnet jetzt aufgehoben worden sei, wisse sie nicht. In den nächsten Tagen will Tolu ihre Freunde und ihre Familie treffen. Langfristig wolle sie wieder als Journalistin arbeiten.

Ehemann darf nicht ausreisen

Tolu war Ende April 2017 bei einer Razzia in Istanbul festgenommen worden und saß bis Dezember in Untersuchungshaft. Beim zweiten Prozesstermin im Dezember hatte das Gericht zwar Tolus Entlassung aus dem Gefängnis verfügt, aber ein Ausreiseverbot angeordnet. Tolu hat vor ihrer Verhaftung für die linke Nachrichtenagentur Etkin News Agency (Etha) gearbeitet. Mit ihr ist unter anderen ihr Ehemann Suat Corlu angeklagt. Seine Ausreisesperre besteht weiterhin.

Im Februar 2018 hatte ein Istanbuler Gericht die Freilassung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel verfügt. Yücel hatte mehr als ein Jahr ohne Anklage in türkischer Untersuchungshaft gesessen. Der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner war im Oktober 2017 nach dreieinhalb Monaten Untersuchungshaft entlassen worden und aus der Türkei nach Deutschland zurückgekehrt.