Köln (epd). Der Journalist und Autor Eren Güvercin fordert eine Debatte über die deutsch-muslimische Identität. "Wir müssen dringend inhaltlich über eine deutsch-muslimische Identität sprechen, ansonsten werden Begriffe wie 'deutscher Islam' zu Kampfbegriffen", sagte das Gründungs- und Vorstandsmitglied der Alhambra Gesellschaft dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der vor rund einem Jahr gegründete Verein versteht sich als Debattenplattform für Muslime. Auf ihrer Webseite veröffentlicht die Alhambra Gesellschaft unter anderem wöchentlich "Freitagsworte", in denen sich Mitglieder und Gastautoren mit Themen beschäftigen, die ihnen in den Freitagspredigten in der Moschee fehlen.
Türkisch geprägte Verbände wie Ditib und die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs haben Güvercin zufolge vereinzelte Versuche, eine innermuslimische Diskussion zu beginnen, aus Angst vor einem Machtverlust bisher im Ansatz verhindert. "Die türkisch dominierten Verbände agieren wie Heimatvertriebenen-Vereine", sagte der 37-jährige Rechtswissenschaftler. Statt eine positive deutsch-muslimische Identität zu fördern, versuchten sie, das Migranten-Dasein hierzulande künstlich aufrechtzuerhalten.
Dabei ließen sich die Verbände auch von der Politik Ankaras instrumentalisieren, kritisierte Güvercin. Die kommenden Generationen von Deutschtürken sollen zum Beispiel durch Jugendreisen, die das Amt für Auslandstürken vom türkischen Staat großzügig finanziere, "ideologisch auf Linie" gehalten werden. Die Reisen seien zwar als Kulturprogramm vermarktet, dahinter verberge sich aber eine religiös angehauchte nationalistische Indoktrinierung.
Der Kölner Güvercin, dessen Eltern in den 60er Jahren als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kamen, rät Muslimen, sich mit dem Gedanken an einen "deutschen Islam" anzufreunden. Wer in Deutschland aufgewachsen ist und sich als "türkischer Muslim" bezeichnet, reagiere unreflektiert und emotional auf hitzige Debatten wie auf die um Ex-Nationalspieler Mesut Özil, sagte Güvercin: "Die Realität, die die türkischstämmigen Jugendlichen von heute geformt hat, ist die deutsche." Die Jugendlichen seien durch ihre Sprache und Kultur in Deutschland verwurzelt. "Man kann auch ein deutscher Staatsbürger und konservativer Muslim sein", betonte er.
Güvercin begrüßte, dass die Deutsche Islamkonferenz nach der Sommerpause über die Frage sprechen will, ob es so etwas wie einen "deutschen Islam" gebe und wie dieser aussehen könne. Die Islamkonferenz biete den Muslimen einen Rahmen, um über Grundsatzfragen zu diskutieren, erläuterte er. Der Koordinationsrat der Muslime, in dem die großen Verbände organisiert sind, habe ein innermuslimisches Forum, in der man diese Fragen hätte diskutieren können, hingegen immer verhindert.