Anti-Atomkraft-Initiativen in Deutschland fordern ein neues Gutachten zum Zustand der belgischen Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3. Gemeinsam mit der Ärzteorganisation IPPNW kritisierten am 18. Juli unter anderem das Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie, das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen und AntiAtom Bonn, dass Mitglieder der Reaktorsicherheitskommission (RSK) beruflich befangen seien. Mehrere leitende Angestellte ausgerechnet des Atomkonzerns EDF-Framatome in Erlangen - seinerzeit beteiligt am Bau der Kraftwerksblöcke - hätten an der umstrittenen Stellungnahme zur angeblichen Sicherheit der Reaktoren im federführenden Ausschuss der RSK mitgewirkt.

"Befangenheit einiger Mitglieder der Reaktorsicherheitskommission"

Neben einem neuen Gutachten durch unabhängige Wissenschaftler fordern die Anti-Atom-Gruppen auch den Rücktritt von RSK-Chef Rudolf Wieland. Die Gruppen werfen ihm vor, Angaben zur Befangenheit einiger Kommissionsmitglieder bislang verschwiegen zu haben. Es sei unglaublich, dass in der Reaktorsicherheitskommission leitende Mitarbeiter von Firmen über Reaktoren gutachten dürfen, deren Weiterbetrieb für die eigene Firma wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung sei, kritisierten die Organisationen. Das Bundesumweltministerium müsse nun die Stellungnahme der RSK offiziell zurückweisen und die RSK grundlegend neu besetzen, also mit kritischen und vor allem zweifelsfrei unabhängigen Wissenschaftlern, forderte Jörg Schellenberg vom Aachener Aktionsbündnis.

Der WDR berichtete am 18. Juli, dass nach Recherchen des Senders zwei Mitarbeiter des Atomkonzerns Framatome, ehemals Areva, an der Ausarbeitung der jüngsten Gutachtens der Reaktorsicherheitskommission zu Tihange 2 und Doel 3 beteiligt waren. Die Anti-Atomkraft-Gruppen sprechen sogar davon, dass in der 16-köpfigen Gesamt-RSK drei aktuelle beziehungsweise ehemalige Mitarbeiter von Framatome beziehungsweise Areva sitzen. Die RSK ist das wichtigste Beratungsgremium der Bundesregierung in Sachen Atomkraft. Die in der vergangenen Woche veröffentlichte Stellungnahme zu den belgischen Reaktoren kommt zu dem Ergebnis, dass Tihange 2 und Doel 3 trotz zahlreicher Risse in den Druckbehältern weitgehend unbedenklich sind.

Laut WDR war Framatome damals am Bau der Kraftwerksblöcke in Belgien beteiligt. Bis heute bestünden enge geschäftliche Kontakte zum Betreiber der belgischen Kraftwerke, berichtete der Sender. So liefere die Framatome-Tochter im niedersächsischen Lingen seit Jahren Brennelemente nach Belgien. Die Niederlassung in Erlangen habe erst kürzlich einen Millionenauftrag zur Erneuerung der Sicherheitsleittechnik des AKW Doel erhalten. Über den Mutterkonzern EDF sei Framatome zudem Miteigentümer der Reaktoren Tihange 2 und Doel 3, erläuterte der WDR.