Nach dem tätlichen Angriff eines arabischstämmigen Mannes auf einen israelischen Professor in Bonn ist erneut eine Debatte um den Umgang mit antisemitischen Straftaten in Deutschland entbrannt. Zudem sorgt der Vorfall für Schlagzeilen, weil die herbeigerufene Polizei das Opfer zunächst für den Angreifer hielt und bei dem Einsatz verletzte, wie die Polizei am 12. Juli mitteilte. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnete den Vorfall in der in Essen erscheinenden "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (13. Juli) als "abscheulich". Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich in der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (13. Juli) "zutiefst empört" über den Angriff.

Polizei verletzt das Opfer bei Einsatz

Der 20-jährige mutmaßliche Täter - ein Deutscher mit palästinensischen Wurzeln - hatte dem in den USA lebenden Professor am 11. Juli im Bonner Hofgarten die jüdische Kopfbedeckung Kippa heruntergeschlagen und ihn zudem geschubst und geschlagen. Dabei soll der offenbar psychisch verwirrte junge Mann unter anderem "Kein Jude in Deutschland" gerufen haben. Als die von der Begleiterin des Angegriffenen alarmierte Polizei vor Ort erschien, flüchtete der Angreifer. Der Professor verfolgte ihn und wurde von der Polizei fälschlicherweise für den Angreifer gehalten. Da er laut Polizei deren Aufforderungen nicht nachkam, wurde er von den Beamten überwältigt. Als sich der Wissenschaftler wehrte, schlugen ihm die Polizisten ins Gesicht.

Täter hatte palästinensische Wurzeln

Erst nachdem die Begleiterin die Beamten über den Irrtum aufgeklärt hatte, konnte der eigentliche Tatverdächtige ermittelt und festgenommen werden. Der 20-Jährige sei der Polizei wegen Gewalt- und Drogendelikten bereits bekannt, hieß es. Zum Tatzeitpunkt stand er nach Polizeiangaben offenbar unter dem Einfluss von Drogen. Aufgrund "psychischer Auffälligkeiten" kam in eine Fachklinik. Gegenüber der Polizei hatte er seine antisemitischen Äußerungen wiederholt, sich ansonsten aber nicht zur Sache geäußert. Der Staatsschutz wurde in die weiteren Ermittlungen eingeschaltet.

Professor widerspricht Polizei

Der jüdische Professor selbst wirft den Polizisten in Bonn "brutale Polizeigewalt" vor. Die Beamten hätten ihn zu Boden geworfen und ihm mehrmals ins Gesicht geschlagen, sagte der in den USA lebende Philosophieprofessor den Zeitungen der "Funke Mediengruppe" (14. Juli). "Ich war geschockt, und ich rief: Ich bin die falsche Person", berichtete der Mann.

Der Professor bestreitet zudem, dass er Gegenwehr geleistet habe. "Ich war nicht zu 100, sondern zu 500 Prozent passiv, ich habe nichts gemacht", erklärte er. Die Polizei gab an, den Professor aus Baltimore mit dem Angreifer verwechselt zu haben. Deswegen sei er zunächst festgehalten worden. Die Polizei hatte erklärt, dass der Wissenschaftler geschlagen worden sei, nachdem er sich gewehrt habe. Der Professor sagte dazu: "Ganz sicher habt ihr ein Problem mit dem Antisemitismus, aber ihr habt auch ein Problem mit brutaler Polizeigewalt." Das sei ein "abscheuliches Polizeiverhalten".

Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt

Gegen die Beamten, die den Wissenschaftler bei dem Einsatz verletzt hatten, wird nun wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt. Aus Neutralitätsgründen übernahm das Polizeipräsidium Köln die Ermittlungen. Die Bonner Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa entschuldigte sich persönlich bei dem betroffenen Professor. "Ein schreckliches und bedauerliches Missverständnis im Einsatzgeschehen, für das ich bei dem betroffenen Professor ausdrücklich um Entschuldigung gebeten habe. Wir werden genau prüfen, wie es zu dieser Situation kam und alles Mögliche dafür tun, um solche Missverständnisse zukünftig vermeiden zu können", sagte sie.

Landesinnenminister Reul kündigte in der "WAZ" eine harte Linie an: "Wir werden nicht zulassen, dass in Deutschland wieder Hatz auf Juden gemacht wird." Zugleich entschuldigte sich der Minister wegen des Umgangs der Polizei mit dem Betroffenen: "Es wird neutral ermittelt, ob in diesem Fall angemessen gehandelt wurde."

Bonner Superintendent betont Solidarität mit Opfer

Der Bonner Superintendent Eckart Wüster sprach den jüdischen Mitbürgern in Bonn und der Synagogen-Gemeinde seine Solidarität aus. "Die jüngste antisemitische Attacke sollte uns zudem einmal mehr nachdenklich machen, wie wir auch in Deutschland in öffentlichen Debatten derzeit über Menschen sprechen. Denn Worte bereiten Gewalt vor", sagte Wüster am 13. Juli.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Klein, sprach sich in der "Rheinischen Post" dafür aus, dass nun "rasch ein Ermittlungsverfahren" gegen den mutmaßlichen Täter eingeleitet werde. "Wir müssen zeigen, dass jede Form von Antisemitismus in Deutschland sofort sanktioniert wird", sagte er der Zeitung. Zugleich begrüßte es der Antisemitismusbeauftragte, dass die Polizei sich für die Verwechslung von Opfer und Täter entschuldigt habe.