Die Debatte um die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden tobt weiter. Während der katholische Münchner Erzbischof Reinhard Marx den Erlass der Staatsregierung kritisierte, weil er "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" geschaffen habe, äußerte sich der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zurückhaltend: Es gehe "natürlich nicht", das Kreuz auf ein Kultursymbol zu reduzieren. Den Vorwurf, das Christentum zu vereinnahmen, um die eigenen Ziele zu legitimieren, wolle er aber "niemandem konkret machen".

"Kein Zeichen gegen andere"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, sagte der "Süddeutschen Zeitung" (30. April): "Das Kreuz lässt sich nicht von oben verordnen." Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen werde, habe man es nicht verstanden. "Dann würde das Kreuz im Namen des Staates enteignet." Das Kreuz könne man nicht haben ohne den Mann, der daran gehangen habe, führte Marx aus: "Es ist ein Zeichen des Widerspruchs gegen Gewalt, Ungerechtigkeit, Sünde und Tod, aber kein Zeichen gegen andere Menschen."

Das bayerische Kabinett unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in der vergangenen Woche die allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats geändert. Im Eingangsbereich aller staatlichen Dienstgebäude muss ab 1. Juni als Ausdruck der "geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns" deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung angebracht werden.

Die gesellschaftliche Debatte über das Kreuz ist nach Einschätzung von Kardinal Marx wichtig: "Was heißt es, in einem christlich geprägten Land zu leben?" Dafür müsse man aber alle einbeziehen: Christen, Muslime, Juden und jene, die gar nicht gläubig seien.

Bedford-Strohm: Entscheidend ist, Kreuz mit Leben zu füllen

Bedford-Strohm sagte der "Nordwest-Zeitung" (30. April), entscheidend sei, dass das Kreuz nicht nur an der Wand hänge, sondern auch inhaltlich mit Leben gefüllt werde. Ein Kreuz aufzuhängen, gehe mit Selbstverpflichtung auch im politischen Handeln einher. "Das heißt Feindesliebe, Einsatz für die Schwachen, universales Liebesgebot, also nicht die Benutzung des Kreuzes zur Abwehr gegen andere, sondern als Grundlage dafür, dass wir eine Verantwortung für alle Menschen haben." Ob sich diese Botschaft des Kreuzes im Widerspruch zu der Flüchtlingspolitik der bayerischen Staatsregierung befinde, gehöre zu den Dingen, über die diskutiert werden müsse, erklärte der Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

"Kein Selbstverleugner"

Bedford-Strohm schrieb zudem bei Facebook: "Dass wir als Christen alles tun, um die Inhalte, für die das Kreuz steht, in die Herzen der Menschen zu bringen und unsere eigenen Herzen immer wieder darauf auszurichten, ist hoffentlich eine Selbstverständlichkeit." Die aktuelle Debatte drehe sich um die Frage, welches die sinnvollen Wege dazu seien. "Wer sich jeden Tag für den Glauben engagiert, es aber falsch findet, das über eine staatliche Verordnung zu machen, ist deswegen sicher kein Selbstverleugner", schrieb der Landesbischof.

Über den richtigen Weg muss man seiner Ansicht nach diskutieren können: "Und hoffentlich führt es dazu, dass wir uns alle miteinander umso mehr dafür engagieren, dass das, wofür das Kreuz steht, auch wirklich gelebt wird."

Theologe wirft Söder persönliche Machtdemonstration vor

Unterdessen warf der katholische Theologe Hans-Joachim Sander dem bayerischen Ministerpräsidenten vor, das Kreuz für eine persönliche Macht-Demonstration missbraucht zu haben. "Mit dem Kreuz-Symbol als Ausdruck einer angeblich christlichen Macht drängt er andere Religionsgemeinschaften und deren Gläubige, aber auch Nicht-Gläubige an den Rand", sagte der Salzburger Dogmatiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (30. April).

Söder habe das Symbol menschlicher Ohnmacht sogar als persönlichen Macht-Gestus benutzt, indem er sich vor die Kameras gestellt, das Kreuz aufgehängt und der Öffentlichkeit erklärt habe, wie es zu verstehen sei, sagte der Theologie-Professor der Universität Salzburg. Er rechne damit, dass der CSU-Politiker für seine "präpotente Kreuzdemonstration" einen politischen Preis zahlen werde. Überzeugte Christen ließen mit sich und ihrem Glauben so nicht umspringen. Der Dogmatiker forderte Söder auf, von seiner eigenen Aktion Abstand zu nehmen.