Ein Zeichen der Freude über 70 Jahre Staat Israel, aber kein Bekenntnistext: So bewertet Volker Haarmann, Leitender Dezernent für Theologie der Evangelischen Kirche im Rheinland, eine Gottesdienst-Arbeitshilfe seiner Kirche, die den Zorn des Landesverbands der jüdischen Gemeinden von Nordrhein auf sich gezogen hat. Der Verband wähnt durch Formulierungen in einem vierseitigen Essay den Staat Israel infrage gestellt. Der Text sei zwar pointiert, aber keineswegs einseitig, sagte Haarmann dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. Die guten Beziehungen zwischen Landeskirche und jüdischem Verband sieht er nicht gefährdet.

epd: Der Landesverband der jüdischen Gemeinden von Nordrhein hat eine gemeinsame Reise mit der rheinischen Kirchenleitung nach Israel abgesagt, weil er den Staat Israel in einer Gottesdienst-Arbeitshilfe Ihrer Kirche falsch dargestellt sieht. Verstehen Sie die Kritik?

Haarmann: Wir sehen, an welchen Punkten sich die Kritik entzündet. Sie leuchtet uns aber inhaltlich nicht ein. Wir denken nach wie vor, dass die Arbeitshilfe ein hilfreicher Beitrag ist, der unsere Gemeinden ermutigen kann, anlässlich des 70. Jahrestages der Staatsgründung Israels einen christlichen Gottesdienst zu feiern. Sie ist ein starkes Zeichen, dass wir uns mit den Juden in aller Welt über 70 Jahre Staat Israel freuen. Es handelt sich aber nicht um einen Bekenntnistext, und mit sachlicher Kritik setzen wir uns gerne auseinander.

epd: Der Verband wirft Rainer Stuhlmann, dem Autor eines Beitrags der Arbeitshilfe, die Verunglimpfung des Staates Israels als brutale Besatzungsmacht und die Unterschlagung historischer Fakten vor. Wie sehen Sie das?

Haarmann: Die Kritik am Essay von Rainer Stuhlmann behauptet eine Einseitigkeit, die wir so nicht gegeben sehen. Der Text ist zwar pointiert und durchaus heraufordernd formuliert, das macht ihn auch angreifbar. Er versucht aber, der Spannung zwischen jüdischen und palästinensischen Perspektiven - die es auch innerhalb Israels gibt - nicht auszuweichen, sondern sie auszuhalten und auch darzustellen.

Für uns ist nicht nachvollziehbar, inwiefern es hier um eine Verunglimpfung des Staates Israel gehen soll. Schon der Zusammenhang stellt klar, dass es um das 70. Jubiläum der Staatsgründung Israels geht. Gleich am Anfang wird klargemacht, welche große Bedeutung der jüdische Staat zurecht hat - auch theologisch für uns Christen. Präses Manfred Rekowski hat das in seinem Vorwort ebenfalls in aller Klarheit zum Ausdruck gebracht. Auch den Vorwurf der Unterschlagung historischer Fakten kann ich nicht nachvollziehen.

epd: Der jüdische Landesverband kritisiert, dass die Lebenslage der palästinensischen Bevölkerung als direktes Resultat der Staatgründung Israels darstellt werde, dies stelle das Existenzrecht Israels infrage und hinterlasse "einen faden Beigeschmack antizionistischer Stereotype".

Haarmann: Dass Rainer Stuhlmann das Existenzrecht Israels infrage stellen soll, ist weder aus diesem Essay noch aus seinen anderen Veröffentlichungen an irgendeiner Stelle herauszulesen. Der Text ist auch in keiner Weise antizionistisch. In einigen Medien wurde auch unterstellt, die israelische Staatsgründung sei historisch falsch dargestellt worden, weil es in dem Essay heißt, die von den Vereinten Nationen beschlossene Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat habe zu einem grausamen Krieg geführt.

Die Feindseligkeit der arabischen Staaten wird jedoch keineswegs unterschlagen. Es wird ganz klar darauf hingewiesen, dass Israel der einzige Staat ist, dessen Gründung mit einer Kriegserklärung all seiner Nachbarstaaten beantwortet wurde und dem bis heute viele arabische und islamische Staaten sein Existenzrecht absprechen.

epd: Was bedeutet die Absage der Reise für die künftigen Beziehungen zwischen der rheinischen Kirche und dem jüdischen Landesverband?

Haarmann: Wir sind traurig über die Absage der Reise, weil sie aus unserer Sicht eine große Chance gewesen wäre, gerade angesichts unterschiedlicher Perspektiven zu diesem sensiblen Thema. Der gemeinsame Aufenthalt in Israel sollte Zeit und Raum bieten, tiefer ins Gespräch zu kommen und voneinander zu lernen. Unser Verhältnis ist sehr vertrauensvoll und gut, anders hätten wir eine solche Reise auch nicht planen können.

Wir sind zuversichtlich, dass wir diese engen und vertrauensvollen Beziehungen fortsetzen werden. Der jüdische Landesverband hat in seiner Absage der Reise bereits deutlich gemacht, dass er diesen Schritt nicht als Absage an das gute Miteinander mit uns versteht. Auch aus unserer Sicht besteht diese Gefahr nicht, sondern wir wollen die engen Gespräche und Kontakte weiter pflegen.