"Suche fünf fleißige Männer oder eine Frau". Diese Postkarte hat Marlies Krämer im Flur ihres Häuschens im saarländischen Sulzbach aufgestellt. Die 80-Jährige bezeichnet sich selber als "bekennende Feministin" - der Begriff "Frauenrechtlerin" ist ihr zu wenig.

Seit Jahrzehnten kämpft sie gegen die Benachteiligung der Frau in der Sprache, dem "Schlüssel zur Gleichberechtigung", wie sie sagt. Jetzt hat sie die Saarbrücker Sparkasse verklagt. Sie will in allen Formularen mit weiblicher Anrede angesprochen werden - also etwa als "Kundin" oder "Kontoinhaberin". Am 13. März will der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sein Urteil zu dem Fall verkünden.

Bereits Anfang der 90er Jahre war sie nach eigenen Angaben sechs Jahre ohne jeglichen Ausweis, weil sie sich weigerte, den Antrag auf einen neuen Pass zu unterschreiben: Damals war darin noch allein vom "Inhaber" die Rede. Erst nach Beratungen in der EU wurde das geändert: Jetzt heißt es in allen Ausweisen "Unterschrift der Inhaberin/des Inhabers". Und Marlies Krämer unterschrieb den Antrag.

Demo vor Institut für Meteorologie

Ende der 90er Jahre demonstrierte sie zusammen mit einer befreundeten Journalistin vor dem Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin und wurde zu einer Ikone für die Gleichberechtigung beim Wetter: Seit 1998 gibt das Institut Hoch- und Tiefdruckgebieten im jährlichen Wechsel Männer- und Frauennamen. Früher waren Hochs immer männlich, Tiefs weiblich.

Gleichberechtigung und Sprache gehören für Marlies Krämer zusammen: "Obwohl wir Frauen - mit 52 Prozent - die Mehrheit der Bevölkerung sind, werden wir ständig 'geschlechtsumgewandelt' und zum Mann umfunktioniert", argumentiert sie.

Ihr Leben und ihre politischen Vorstellungen sind durch den frühen Tod ihres ersten Mannes 1972 geprägt. Sie wurde "ins kalte Wasser gestoßen", wie sie sagt. Mit Mitte 30 musste sie sich als alleinerziehende Mutter von vier Kindern im katholisch geprägten Saarland durchschlagen, arbeitete als Küchenhilfe, Serviererin oder Putzfrau.

Rückblickend sieht die lebenslustige Saarländerin aber auch ein Gutes in der "Katastrophe": "Wenn mein Mann nicht so früh gestorben wäre, wäre ich vielleicht eine von den Millionen Frauen, die sich für nichts interessieren und zu Hause sitzen", bilanziert die 80-Jährige.

Herz schlägt links

Früher sei sie streng katholisch gewesen. Den monotheistischen Weltregionen stehe sie wegen deren Frauenbild jetzt aber skeptisch gegenüber. Nach dem Tod ihrer strenggläubigen Mutter trat sie aus der katholischen Kirche aus. Als Gasthörerin studierte sie im fortgeschrittenen Alter Soziologie. "Da sind bei mir die letzten patriarchalischen Knoten im Kopf geplatzt."

Außer für die Sache der Frauen schlägt das Herz der Linken-Politikerin für Umwelt und soziale Gerechtigkeit. Fotos an den Wänden und in den vollen Regalen ihres Wohn- und Arbeitszimmers zeigen Marlies Krämer, Arm in Arm mit Oskar Lafontaine und ihrem Lebensgefährten Günter Meyer, oder Krämer, wie sie 1996 vor dem Saarbrücker Schloss eine rote Rose an Michail Gorbatschow überreicht - die für dessen Frau Raissa gedacht war.

Und auch ein Dankesbrief von Hillary Clinton hängt an der Wand. Die Saarländerin hatte ihr 1993 nach der Wahl von Bill Clinton gratuliert. Denn, so Krämer, hinter einem erfolgreichen Mann steht oft eine starke Frau.

Nun wartet sie auf die Entscheidung des BGH im Sparkassen-Fall. Die Vorinstanzen - das Amtsgericht und das Landgericht Saarbrücken - wiesen die Klage zurück.

Generisches Femininum

Die Richter schlossen sich der Sichtweise des Beklagten an: Das "generische Maskulinum" werde geschlechtsneutral verwendet, das sei schon seit 2.000 Jahren so. Doch das will Krämer nicht gelten lassen: In den nächsten 2.000 Jahren sollte doch einfach das "generische Femininum" verwendet werden. Denn schließlich sei in Worten wie Kundin, Bürgerin, Antragstellerin, Wählerin, Journalistin oder Chirurgin auch die männliche Form enthalten.

Von Männern, aber auch von Frauen, werde sie immer wieder als "Emanze" angefeindet, erzählt sie. Kürzlich habe ein Journalist angerufen und sie als "Arschloch" beschimpft. Solche Anfeindungen spornen die 80-Jährige indes noch an. Sollte der BGH am kommenden Dienstag ihre Klage abweisen, will sie gerichtlich weiter machen und vor das Bundesverfassungsgericht oder gar vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen. "Letztendlich macht mir das einfach Spaß, ich bin dabei auch nicht verbissen, aber ich lasse mir auch nichts gefallen."

Bedauerlich sei, dass sie viele Einladungen und Termine außerhalb des Saarlandes nicht mehr wahrnehmen könne: Seit einem Sturz vor zwei Jahren fällt es ihr schwer zu laufen. "Der Rollator ist mein wichtigstes Einrichtungsstück", scherzt sie. Auch zur Urteilverkündung am 13. Märzt will sie nicht nach Karlsruhe fahren. Die Reise sei doch zu beschwerlich.