Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hält die Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland für gescheitert. Die 85-Jährige sagte am 11. März in einem Vortrag in Düsseldorf, sie sehe "im Kampf gegen Antisemitismus nur noch Rückschläge, keine Fortschritte mehr". Knobloch verwies auf die fast 1.500 antisemitischen Straftaten im vergangenen Jahr in Deutschland, die Schändung jüdischer Friedhöfe, Angriffe auf Synagogen und jüdische Gemeindehäuser sowie Hasstiraden in sozialen Netzwerken.

Knobloch betonte in ihrem Vortrag im Rahmen der Reihe "Düsseldorfer Reden" des Schauspielhauses, Deutschland sei ihre Heimat. "Ich liebe unser Land. Bis vor kurzem hätte ich hinter diese Aussage auch ein Ausrufezeichen gemacht, doch diese Gewissheit wankt." Es sei in Deutschland "überfällig, eine kluge Form von Patriotismus zu entwickeln", der kultur- und werteorientiert sei, forderte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Dem Thema Heimat müsse Regierungsrang gegeben werden.

Knobloch konstatierte eine "braune Renaissance" in Deutschland. Die rechtspopulistische AfD toleriere und fördere Antisemitismus und "überschreite die Grenzen des Sagbaren". In Deutschland "gewöhne man sich bereits an Ungeheuerlichkeiten, die vor kurzem noch geächtet waren", kritisierte die ehemalige Zentralratspräsidentin. Die AfD werde "nichts Positives zu einer liebens- und lebenswerten Demokratie in Deutschland" beitragen.

Zugleich beklagte Knobloch auch den Antisemitismus linker Gruppen und von Muslimen. "Und auch in der Mitte der Gesellschaft ist der Schoß immer noch fruchtbar." Die politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen, aber auch die Bürger dürften angesichts des Holocaust "nicht vergessen, wie schnell die dünne Decke der Zivilisation zerreißen kann", mahnte Knobloch.