Opfer antisemitischer Angriffe haben nach Recherchen der "Berliner Morgenpost" in der Hauptstadt nur wenig Chancen auf eine juristische Aufarbeitung der Tat. Von 440 Ermittlungsverfahren, die die Staatsanwaltschaft Berlin im Jahr 2018 eröffnete, hätten nur etwa 15 Prozent die Richter beschäftigt. In absoluten Zahlen seien es gerade einmal 65 Verfahren gewesen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf ihr exklusiv vorliegende Zahlen.

Die Antisemitismusbeauftragte bei der Berliner Staatsanwaltschaft, Claudia Vanoni, sagte der Zeitung: "Unser Problem ist, dass sich ein sehr großer Anteil der Taten im Internet abspielt." Die Täter nutzten die Anonymität im Netz und agierten unter Pseudonymen. Durch die wenigen Ermittlungserfolge sei auch die Neigung der Opfer gering, Taten anzuzeigen. Denn die Zahlen bestätigten die Angst, dass dies vielfach ohnehin nicht zur Verurteilung der Täter führe.

Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, sagte der "Berliner Morgenpost": "Meine Hoffnung war, dass konsequenter Verfahren vor Gericht landen, aber Frau Vanoni ist ja erst seit wenigen Monaten im Amt." Die Entwicklung müsse abgewartet werden. Vertrauen aufzubauen, dauere eine längere Zeit.

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Cornelia Seibeld, forderte, neben der Stelle von Vanoni bei der Staatsanwaltschaft auch einen Antisemitismusbeauftragten in der Senatskanzlei oder in der Bildungsverwaltung anzusiedeln: "Ich finde das gut, was Frau Vanoni macht, aber sie kommt erst ins Spiel, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Das reicht nicht." Es sei wichtig, Judenhass vorzubeugen.