Aus dem Hafttrakt des ehemaligen DDR-Untersuchungsgefängnisses in der Keibelstraße ist ein Lernort für Schüler geworden. "Aus der Geschichte zu lernen, ist heute wichtiger denn je", sagte Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am 18. Februar bei der Eröffnung der Einrichtung in Berlin. Die politische Bildung stehe in der neuen Lernstätte im Vordergrund. Sie stelle eine Verbindung zwischen den Einzelschicksalen der Inhaftierten, der staatlichen Unterdrückung und dem Lernen dar.

"Wir müssen junge Menschen für die Demokratie gewinnen", sagte Scheeres. Es sei wichtig, dass sich junge Menschen in die Opfer des DDR-Systems hineinversetzen können. In dem Gefängnis hätten nicht nur "normale" Straftäter, sondern auch Punks, Gläubige, Homosexuelle, Wehrdienstverweigerer, Fluchthelfer und Obdachlose eingesessen. "Menschen wurden hier gebrochen", sagte die Senatorin. Auf diese Unterdrückung von Diversität und Meinungsfreiheit müssten Schüler aufmerksam gemacht werden, "damit sie lernen, dass es wichtig ist, sich zu engagieren", unterstrich sie.

In der Lernstätte sollen sich die Schüler quellenkritisch sowohl mit den Vollzugsakten, als auch mit Zeitzeugeninterviews auseinandersetzen. Einer der Zeitzeugen ist Michael Brack, der vor rund 50 Jahren für drei Monate in der Keibelstraße einsaß. Er hatte mit Wandmalereien gegen den Einmarsch der Truppen in die damalige Tschechoslowakei protestiert und wurde von einem Bekannten verraten. Bei seinem ersten Besuch der Haftanstalt seit seiner Entlassung hätten ihn seine Erinnerung wieder eingeholt, erzählte er bei der Eröffnung des Lernorts. "Ich hatte weiche Knie und Schweißausbrüche", erinnert er sich.

Es erfülle ihn mit Stolz und Genugtuung, dass er als ehemaliger Häftling nun die Lernstätte miteröffnen dürfe, sagte Brack. "Es ist wichtig, dass Schülern klar wird, dass das, was sie hier sehen, nur in einer Diktatur möglich ist", sagte er. Auch wenn die Demokratie in Deutschland oft kritisiert werde, gebe es kaum ein Land, in dem es sich so frei leben lasse. Daher sage er jungen Menschen immer wieder: "Sorgt in eurem eigenen Interesse dafür, dass diese Demokratie erhalten bleibt."

Die Leiterin des Lernorts, Birgit Marzinka, berichtete von den harten Haftbedingungen in der Keibelstraße: Die etwa 130 Zellen des Gefängnisses seien ständig überbelegt gewesen, teilweise hätten sich Häftlinge die sechs Quadratmeter großen Zellen teilen müssen. Obwohl die Inhaftierten Freigang und genug zu essen gehabt hätten, hätten sie stark unter der ständigen Kontrolle gelitten. Dazu sei die ständige Angst gekommen, der Zellengenosse könne für die Stasi arbeiten. "Am schlimmsten war wohl das permanente Gefühl von Repression", sagte sie.

Das Gefängnis Keibelstraße im damaligen Polizeipräsidium wurde den Angaben nach 1951 in Betrieb genommen. Es war die einzige Untersuchungshaftanstalt der Volkspolizei in Ost-Berlin, in der auch Frauen inhaftiert wurden. Etliche Inhaftierte waren nach dem DDR-Strafrecht als "Asoziale" oder wegen "Rowdytums" und "Republikflucht" angeklagt. Nach der Wiedervereinigung wurde das Gefängnis unter anderem als Filmkulisse und als Polizei- und Abschiebegewahrsam genutzt.