Als der Präsident nach 22 Jahren an der Macht seine Wahlniederlage nicht hinnehmen wollte, ging das Volk im westafrikanischen Gambia auf die Straßen. Nach wochenlangen Demonstrationen und massivem Druck aus Nachbarländern trat Yahya Jammeh schließlich im Januar 2017 ab. Er wurde ins Exil nach Äquatorialguinea geschickt. Politische Gefangene kamen frei. Doch heute, mehr als ein Jahr nach dem Sieg der Demokratie, macht sich Ernüchterung in Gambia breit.

Auf den Straßen der Hauptstadt Banjul haben die früher allgegenwärtigen Plakate des Präsidenten Platz für Werbung gemacht. Auch viele Polizei-Checkpoints sind verschwunden, die Stimmung an den Grenzposten ist spürbar entspannter. Lediglich das Bild Jammehs auf den Banknoten erinnert noch an den einstigen autoritären Herrscher, und die Fähre über den Gambia-Fluss trägt den Namen seines Dorfes, Kanilai. Nicht alles konnte unter seinem Nachfolger Adama Barrow geändert werden.

Aufbruchstimmung vorbei

Während des dramatischen Machtwechsels waren die Kameras der ganzen Welt auf das arme englischsprachige Land mit zwei Millionen Einwohnern gerichtet, das kleiner als Hessen und vom Senegal umgeben ist. Europäische Touristen kennen Gambia für seine schönen Strände und billigen All-inklusive-Hotels. Heute ist die Aufbruchstimmung weg. Das Land zählt zu den ärmsten der Welt und ist verschuldet.

Baustellen als Zeichen wirtschaftlichen Aufschwungs sucht man vergebens. Stattdessen lähmen Streiks im öffentlichen Dienst das Land. Die versprochene internationale Hilfe braucht Zeit. Wesentlich schneller reagierten die Asylbehörden in Europa und den USA: Allein im März wurden 36 Gambier aus den Vereinigten Staaten nach Hause geschickt. Dabei machen die Überweisungen der Migranten aus dem Ausland 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Ungeduld macht sich breit. "Der Wandel ist zu langsam", schimpft ein Bankangestellter. "Unsere Politiker an der Macht sind unfähig. Wieso sind die Preise für Reis, Speiseöl oder Zement so hoch?" Hilfswerke warnen indes vor übereilten Erwartungen. "Es wird Zeit brauchen", sagt Francis Mendy, Leiter der Caritas in Gambia. "Die Leute im Amt sind neu und unerfahren. Und in den Medien ist von Millionen für Hilfen und Investitionen die Rede. Davon spüren die Leute noch nichts."

Mendy ist besorgt, weil manche Gambier sich das diktatorische Regime zurückwünschen. "Wir brauchen Jammeh, nicht Barrow", hätten junge Demonstranten geschrien, sagt er kopfschüttelnd und fügt hinzu: "Barrow kommuniziert nicht genug. Die Regierung schafft somit ein Vakuum, das gefährlich sein könnte."

Ethnische Spannungen

Derweil erholt sich die Partei des geschassten Machthabers wieder. Sie setzt auf die Gefühle der Volksgruppe der Diolas, die unter Jammeh stark in der Leibgarde des Präsidenten und in der Armee vertreten war. "Es gibt viel Paranoia und Angst aufseiten der Diolas, die Verlierer zu sein," warnt Mendy. Der neue Präsident Barrow hat viele Diolas aus der Armee entlassen. Angst vor einem Putsch geht um. Barrow selbst wird immer noch von Truppen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) geschützt. Sie kamen während des Machtwechsels ins Land - und blieben, auf seinen Wunsch, heißt es.

Die ethnischen Spannungen sind auch ein Erbe des alten Regimes, denn Jammeh hetzte gegen die Mandinka, ging aber auch hart gegen unliebsame Diolas vor. "Die Leute müssen auch daran erinnert werden, dass es Opfer von Jammeh in allen Volksgruppen gibt, auch unter den Diolas," erklärt die 28-jährige Ayeshah Jammeh, die selbst Diola ist und im Zentrum für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen arbeitet. Sie weiß, wovon sie spricht: Ihr Vater Haruna Jammeh war der Bruder des ehemaligen Machthabers, er wurde 2005 ermordet.

Die Tochter will jetzt Klarheit darüber, was mit ihrem Vater geschah. Dabei hofft sie auf die von der Regierung eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission. In sozialen Netzwerken wird die junge Frau, weil sie sich für Diolas einsetzt, als Verräterin beschimpft und bedroht. "Wir haben heute eine Demokratie und Redefreiheit", sagt sie. "Aber alles geht nur langsam voran."