Nach dem Großeinsatz der Polizei in einer Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Ellwangen wächst die Kritik an den geplanten Anker-Zentren für Asylbewerber. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtet, dass sich organisierter Protest wie in Ellwangen wiederholen könnte, wenn viele Asylbewerber, denen die Abschiebung droht, in solchen Sammelunterkünften untergebracht werden. Auch die Diakonie Deutschland lehnt die Zentren ab.

Das Bundesinnenministerium wies unterdessen Befürchtungen zurück, die Anker-Zentren könnten weitere Fälle wie in Ellwangen provozieren. "Das sehen wir nicht so", sagte eine Sprecherin am Freitag in Berlin. Um die Sicherheit in den geplanten Anker-Zentren zu gewährleisten, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Ländern Unterstützung durch die Bundespolizei angeboten. Am 3. Mai hatte Seehofer erste Pläne für die Einrichtungen, in denen Asylverfahren bis zur möglichen Abschiebung abgewickelt werden sollen, präsentiert. Im Herbst sollen seinen Plänen zufolge bis zu sechs Test-Einrichtungen an den Start gehen.

"Kein Wachpersonal"

Der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow lehnte indes eine Bewachung von Anker-Zentren durch die Bundespolizei ab. "Wir wollen solche Zentren nicht bewachen. Wir sind ausgebildete Polizeibeamte und kein Wachpersonal", sagte er am 4. Mai im Bayerischen Rundfunk. "Wir wissen gar nicht, warum wir Menschen, die hier Asylanträge gestellt haben, bewachen müssen, ihnen also die Freiheit nehmen müssen", fügte Malchow hinzu. "Die Leute müssen beschäftigt werden. Sie dürfen da nicht rumlungern und nur verwahrt werden, das führt zu Aggressivität", warnte der GdP-Chef.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der "Passauer Neuen Presse (Freitag): "Weder die Bundes- noch die Landespolizei verfügen über die personellen Kapazitäten, um solche Ankerzentren mit zu sichern." Der stellvertretende GdP-Vorsitzende, Jörg Radek, sagte "Focus Online": "Anker-Zentren machen es erst möglich, dass solche Strukturen und Dynamiken entstehen, wie wir sie jetzt in Ellwangen erlebt haben." Nötig seien hingegen mehr Polizisten, die sich um Rückführungen kümmern können.

"Explosiver Mix"

In der Nacht zum 30. April hatten rund 150 Bewohner der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen die Abschiebung eines 23-jährigen abgelehnten Asylbewerbers aus Togo zunächst gewaltsam verhindert. Am 3. Mai stürmte die Polizei die Flüchtlingsunterkunft mit einem Großaufgebot und nahm den Afrikaner fest. Er soll gemäß dem Dublin-Abkommen nach Italien als Erstaufnahmeland abgeschoben werden.

Die Diakonie forderte nach den Ereignissen in Ellwangen eine Abkehr von den Anker-Zentren, in denen Asylbewerber und abgelehnte Flüchtlinge leben sollen. "Dann sitzen dort Menschen, die auf der Suche nach Schutz vor Krieg und Verfolgung ihre Anhörung im Asylverfahren vorbereiten neben Landsleuten, die Tag und Nacht in Angst vor ihrer Abschiebung leben", sagte Präsident Ulrich Lilie. Ein solcher "explosiver Mix" von hochbelasteten Menschen berge jede Menge Sprengstoff für Konflikte. Lilie argumentierte, gerade der Rückbau der großen Aufnahmezentren im vergangenen Jahr habe zu einem spürbaren Rückgang der Straftaten in der Kriminalitätsstatistik geführt.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, von einer Situation wie in Ellwangen gehe "kein gutes Signal aus". Er warnte zugleich vor pauschalen Forderungen nach konsequenter Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Zwar gebe es "definitiv ein Vollzugsdefizit bei Abschiebungen", sagte Günther. Aber das Problem sei sehr vielschichtig: "Abschiebungen treffen oft auch die Falschen." Als Beispiel nannte er Familien, "die seit Ewigkeiten in Deutschland leben und gut integriert sind". Vor diesem Hintergrund verteidigte er die Anker-Zentren: "Dort kann schnell entschieden werden, ob jemand eine Bleibeperspektive hat."