Kirchen

Kirchliche Hilfswerke eröffnen Spendenaktionen




"Brot für die Welt"-Präsidentin Dagmar Pruin (l.) und die badische Landesbischöfin Springhart.
epd-bild/Anne Ackermann/Brot für die Welt
Adveniat blickt auf den Amazonas, "Brot für die Welt" thematisiert die Wasser- und Klimakrise: Die beiden kirchlichen Hilfswerke eröffnen mit Gottesdiensten ihre Spendenaktionen zu Weihnachten.

Karlsruhe, Mainz (epd). Appelle für Gerechtigkeit, Aufrufe für Klimaschutz: Mit Gottesdiensten haben die beiden kirchlichen Hilfswerke Adveniat und „Brot für die Welt“ am 30. November zum Beginn der Adventszeit ihre diesjährigen Spendenaktionen gestartet.

Die Aktion von „Brot für die Welt“ wurde bei einem Festgottesdienst in Karlsruhe eröffnet. „Gott ruft die Menschen dazu auf, die von ihm gewollte Gerechtigkeit mit Leben zu füllen“, sagte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks, Pfarrerin Dagmar Pruin. Diese Gerechtigkeit verwirkliche sich in den Beziehungen zwischen Gott und Menschen und zwischen Mensch und Mensch.

Gottesdienst von ARD übertragen

Die 67. Spendenaktion von „Brot für die Welt“ steht unter dem Motto „Kraft zum Leben schöpfen“ und thematisiert die weltweite Wasser- und Klimakrise. Der Gottesdienst in der Stadtkirche Durlach wurde live in der ARD übertragen.

Die evangelische badische Landesbischöfin Heike Springhart sagte im Gottesdienst, sie baue in diesem Advent darauf, dass Gottes lebendige Gerechtigkeit an die tiefsten Punkte kommt. Die Gerechtigkeit müsse dorthin kommen, wo die Kinder Durst haben. Dorthin, wo Land geraubt, Zukunft verbaut, Gerechtigkeit verweigert werde, betonte Springhart.

Reverend James Bhagwan, Generalsekretär der Pazifischen Konferenz der Kirchen, rief unter anderem dazu auf, CO2-Emissionen zu vermeiden und Schulden zu erlassen.

Amazonas-Region im Fokus

Die Spendenaktion des katholischen Hilfswerks Adveniat rückt vor dem Hintergrund der Klimakrise den Schutz der Amazonas-Region als „Lunge der Erde“ in den Mittelpunkt. Sie wurde ebenfalls am Sonntag im Dom zu Mainz eröffnet. Bischof Peter Kohlgraf sagte in seiner Predigt, er habe den Eindruck, dass die Menschheit immer wieder auf eine globale Snooze-Taste drücke, so wie bei einem Wecker, um weiter schlafen zu können.

„Es ist Zeit, vom Schlaf aufzustehen“, forderte Kohlgraf. Die christliche Botschaft mahne zu „Maßhalten, Gerechtigkeit, Solidarität, Nächstenliebe und zum Einsatz für Menschen am Rande sowie für unser gemeinsames Haus“.

Adveniat-Hauptgeschäftsführer Martin Maier kritisierte die Abholzung des Regenwalds am Amazonas. Dies sowie die Rohstoffausbeutung und Erdölförderung zerstörten die Lebensgrundlagen für die vielfältige Pflanzen- und Tierwelt und für die dort lebenden indigenen Völker, sagte Maier.

Kollekte an Heiligabend für Hilfswerke

Das Motto der Adveniat-Weihnachtsaktion lautet in diesem Jahr „Rettet unsere Welt - Zukunft Amazonas“. In allen katholischen Kirchen Deutschlands ist die Kollekte der Weihnachtsgottesdienste am 24. und 25. Dezember für Adveniat bestimmt.

Bei „Brot für die Welt“ kommen die Spenden Projekten von Partnerorganisationen zugute. Dazu zählt in diesem Jahr der Fidschianische Rat für soziale Dienste, der sich für arme und benachteiligte Menschen in dem pazifischen Inselstaat einsetzt. Er unterstützt unter anderem eine Dorfgemeinschaft bei der Umsiedlung auf höher gelegenes Land mit sturmsicheren Häusern, Regenwassertanks und Sanitäranlagen. In den evangelischen Kirchengemeinden sind die Kollekten an Heiligabend traditionell für „Brot für die Welt“ bestimmt.

Von Moritz Elliesen (epd)


Susanne Falcke wird Vizepräsidentin der westfälischen Kirche




Susanne Falcke (l.) neben Präses Adelheid Ruck-Schröder.
epd-West/Christian Weische
Die Evangelische Kirche von Westfalen hat ein wichtiges Leitungsamt neu besetzt: Die Theologin Susanne Falcke wird Stellvertreterin von Präses Adelheid Ruck-Schröder.

Bielefeld (epd). Die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, Susanne Falcke, wird neue Theologische Vizepräsidentin der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die westfälische Landessynode wählte die 51-jährige Theologin am 25. November in Bielefeld für acht Jahre zur Stellvertreterin von Präses Adelheid Ruck-Schröder. Sie löst im Frühjahr den seit 2018 amtierenden 63-jährigen Präses-Vize Ulf Schlüter ab, der sich aus Altersgründen nicht erneut zur Wahl gestellt hatte.

Falcke erhielt 78 von 141 abgegebenen Stimmen und lag damit vor dem 42-jährigen Superintendenten des Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten, Steffen Riesenberg. Auf ihn entfielen 61 Stimmen, es gab zwei Enthaltungen.

Seit vier Jahren Superintendentin im Münsterland

Susanne Falcke ist seit vier Jahren Superintendentin des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken im Münsterland. Die in Recklinghausen geborene 51-jährige Theologin war zuvor Pfarrerin in Dülmen und vor ihrer Wahl zur Superintendentin bereits ein Jahr lang Assessorin im Kirchenkreis. Ihr Theologiestudium absolvierte Falcke in Münster und Berlin. Dort leistete sie auch ihr Vikariat ab, bevor sie 2008 als Pfarrerin ordiniert wurde. Falcke ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.



Akademiedirektor Hahn: Politische Bildung ist nicht neutral



Der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Akademien in Deutschland, Udo Hahn, blickt kritisch auf die Unionsparteien. Er befürchtet eine Einflussnahme auf zivilgesellschaftliche Organisationen.

Berlin (epd). Der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Akademien in Deutschland, Udo Hahn, äußert Bedenken, dass die Unionsparteien mit neuen Kriterien zur Vergabe von Fördermitteln an zivilgesellschaftliche Organisationen inhaltlich Einfluss nehmen und deren Arbeit einschränken könnten. „Die Träger politischer Bildung konnten bisher darauf vertrauen, auch in CDU und CSU Partner zu haben, die darum wissen, wie wichtig sie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Kultur sind. Dieses Vertrauen hat zuletzt Risse bekommen“, schreibt Hahn, der die Evangelische Akademie Tutzing leitet, in einem Beitrag für die Zeitung „Politik & Kultur“ (Dezember/Januar) des Deutschen Kulturrates.

Hahn bezieht sich zum einen auf eine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag zur Vergabe von Fördermitteln an Nichtregierungsorganisationen im Februar. Dieser Antrag der damaligen Oppositionsfraktion habe „viele zivilgesellschaftliche Akteure verunsichert“. „Die AfD hätte den Fragenkatalog wohl kaum anders formuliert“, schreibt der Akademiedirektor. Er folge einem Narrativ rechtsextremer und rechtspopulistischer Kräfte.

Verweis auf das Bundesverfassungsgericht

Schon länger sei zu beobachten, worum es den Kritikern an Förderungen wie beim Programm „Demokratie leben!“ gehe, von dem unter anderem Anti-Extremismus-Projekte profitieren, nämlich um die politische Delegitimierung dieser Bildungsarbeit. „Dabei behaupten sie, staatlich geförderte Organisationen unterlägen einer Neutralitätspflicht“, schreibt Hahn. Doch habe das Bundesverfassungsgericht mehrfach betont, dass sich die Neutralitätspflicht des Staates nicht auf die politische Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure beziehe.

Zum anderen geht Hahn in seinem Gastbeitrag darauf ein, dass das von der CDU-Politkerin Karin Prien geleitete Bildungsministerium neue Kriterien zur Vergabe von „Demokratie leben!“-Förderungen angekündigt hat. Wie das die politische Bildung womöglich verändern wird, lasse sich derzeit schwer einschätzen.



Ulmer Münster: Streit um rassistisch eingestufte Krippenfigur endet




Die umstrittene Melchior-Figur (M.) der Krippe im Ulmer Münster
epd-bild/Evang. Dekanatamt Ulm
Die Auseinandersetzungen und Debatten wegen einer als rassistisch eingestuften Figur in der ehemaligen Weihnachtskrippe im Ulmer Münster sind vorbei. Eine klassische Darstellung ersetzt ab dem ersten Advent die umstrittene "Scheible-Krippe".

Ulm (epd). Im Ulmer Münster steht seit dem 30. November, dem ersten Advent, eine traditionelle Krippe. Damit ist die Auseinandersetzung um die ursprüngliche „Scheible-Krippe“ endgültig beendet, die auch bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Eine „klassische Darstellung der Weihnachtsgeschichte“ wird laut Mitteilung des evangelischen Dekanats Ulm die Krippe des Ulmer Bildhauers Martin Scheible (1873-1954) ersetzen.

Diese Krippe, die seit 1992 in der größten protestantischen Kirche Deutschlands stand, war im Herbst 2020 in die Kritik geraten. Diskutiert wurde um die als klischeehaft und rassistisch eingestufte Figur des schwarzen Königs Melchiors. Er war mit wulstigen Lippen und Goldreifen an Ohr und Fußknöchel dargestellt. Volkstümlich hieß diese Krippenfigur in Ulm auch der „Brezelkönig“, weil Melchior eine Brezel in der Hand hält, offensichtlich ein Geschenk für das neugeborene Christuskind. Im Juni 2023 hatte der Kirchengemeinderat der evangelischen Münstergemeinde einstimmig beschlossen, die umstrittene „Scheible-Krippe“ an die Stifterfamilie zurückzugeben.

„Ohne karikierende oder verfremdende Elemente“

Die „Scheible-Krippe“ wird durch eine orientalische Krippe von Helmut Reischl aus Dornstadt bei Ulm ersetzt. Diese Krippe, die 1995 entstanden war, ist „klar auf den liturgischen Gebrauch ausgerichtet“ und zeigt „die biblische Szene ohne karikierende oder verfremdende Elemente“, wie das Dekanat mitteilte. Die Krippe ist eine Leihgabe des Söflinger Krippenvereins und wird vom ersten Advent bis zum „Erscheinungsfest“ (Epiphanias) am 6. Januar 2026 im Münster zu sehen sein.



Irme Stetter-Karp bleibt Präsidentin der katholischen Laien




Irme Stetter-Karp
epd-bild/Thomas Lohnes
Die Sozialwissenschaftlerin bleibt Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken. Die 69-Jährige wurde mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit an die Spitze der Laienorganisation gewählt. Sie steht für eine klare Abgrenzung zur AfD.

Berlin (epd). Die Sozialwissenschaftlerin Irme Stetter-Karp bleibt Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Die 69-Jährige wurde am 28. November auf der Vollversammlung des ZdK in Berlin mit mehr als 80 Prozent der Stimmen für eine zweite Amtszeit gewählt. Als Vizepräsidentinnen und -präsidenten wurden Claudia Nothelle, Thomas Söding, Dorothee Klüppel und Christian Gärtner gewählt. Für Klüppel und Gärtner ist es die erste Amtszeit.

Stetter-Karp ist seit 2021 im Amt. Sie ist die zweite Frau an der Spitze des ZdK. Von 1988 bis 1997 war die CDU-Politikerin Rita Waschbüsch erste Vorsitzende der katholischen Laienorganisation. Stetter-Karp ist zudem die erste Person an der Spitze des ZdK, die nicht CDU oder CSU angehört.

Klare Abgrenzung zur AfD

1956 in Ellwangen geboren, war sie lange in der Diözese Rottenburg-Stuttgart tätig und leitete dort zuletzt die Hauptabteilung Caritas im bischöflichen Ordinariat. Von 2010 bis 2022 war sie zudem Vizepräsidentin des Deutschen Caritasverbandes. Seit 2020 ist Stetter-Karp im Ruhestand.

Die verheiratete Mutter zwei erwachsener Kinder hatte 1999 für die Schwangerschaftskonfliktberatung den Landesverband Baden-Württemberg des Vereins donum vitae mitgegründet. Sie spricht sich dafür aus, dass medizinische Schwangerschaftsabbrüche flächendeckend in Deutschland möglich sein müssen und steht damit konträr zur Haltung der katholischen Bischöfe. Zudem vertritt sie eine klare Abgrenzung zur AfD.



Papst Leo XIV. erinnert an Ökumene-Konzil von Nizäa vor 1.700 Jahren




Papst Leo XIV. bei einem ökumenischen Gebetstreffen in Iznik
epd-bild/Vatican Media
Seine erste Auslandsreise hat Papst Leo zunächst in die Türkei geführt, wo er gemeinsam mit Vertretern anderer christlicher Konfessionen an das Konzil von Nizäa vor 1.700 Jahren erinnerte. Nun geht es in den Libanon.

Istanbul (epd). Mit einem Aufruf für die Einheit der Christen hat Papst Leo XIV. seinen Besuch in der Türkei beendet. Bei einer Messe in der Istanbuler Georgskathedrale, die der Papst am 30. November gemeinsam mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. feierte, bekräftigte Leo, es sei eine Priorität seines Amtes als Bischof von Rom, die volle Gemeinschaft „aller, die im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind“ zu erreichen.

Leo befindet sich derzeit auf seiner ersten Auslandsreise als Oberhaupt der katholischen Kirche. Diese führte ihn zunächst in die Türkei, am 30. November wollte der Papst in den Libanon weiterreisen.

Treffen zur Einheit der Christen

Am 29. November schlug der Papst laut „Vaticannews“ bei einer Begegnung mit hochrangigen Vertretern verschiedener christlicher Kirchen in der syrisch-orthodoxen Kirche Mor Ephrem in Istanbul ein weiteres Treffen zur Einheit der Christen für 2033 in Jerusalem vor. Bei den Gedenkfeiern zum Konzil von Nizäa an diesem Wochenende, zu deren Anlass der Papst in die Türkei gereist war, waren mehr als 20 christliche Kirchen vertreten. Nicht anwesend waren Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche.

Im Jahr 2033, 2000 Jahre nach der überlieferten Auferstehung Christi, will die katholische Kirche ein außerordentliches „Heiliges Jahr der Erlösung“ begehen. Aus dem Vatikan hieß es bereits, dass Papst Leo dieses besonders mit den Themen Versöhnung und Einheit verbinden wolle.

Besuch in Moschee

In Istanbul unterzeichnete Leo am 29. November gemeinsam mit Bartholomäus I. eine Erklärung, in der der Wille zum Erreichen der Einheit aller Christen bekräftigt wird. Mit Bezug auf das Ökumene-Konzil von Nizäa vor 1.700 Jahren heißt es in dem Schreiben: „Wir sind überzeugt, dass die Feier dieses bedeutenden Jubiläums zu neuen und mutigen Schritten auf dem Weg zur Einheit inspirieren kann.“ In Nizäa wurde erstmals das bis heute gesprochene gemeinsame Glaubensbekenntnis formuliert.

Am Abend feierte Leo eine Heilige Messe in der Volkswagen Arena in Istanbul, die etwa 4.000 Menschen Platz bietet. Laut Vatikan leben in der Türkei rund 33.000 katholische Christen, etwa 180.000 Menschen sollen Schätzungen zufolge Anhänger einer christlichen Kirche sein. Die Mehrheit der 85,8 Millionen Einwohner ist muslimisch. Am Vormittag besuchte der Papst auch die Sultan-Ahmed-Moschee in Istanbul. Anders als seine Vorgänger habe er dort nicht gebetet, hieß es im Anschluss.

Völkermord an den Armeniern bleibt unerwähnt

Während seines Aufenthalts in der Türkei hat Papst Leo den Völkermord an den Armeniern nicht explizit angesprochen. In seiner kurzen Rede während eines Gebetstreffens mit dem Patriarchen der Armenischen Apostolischen Kirche, Sahag II. Maschalian, am 30. November lobte er das „mutige christliche Zeugnis des armenischen Volkes im Laufe der Geschichte, oft inmitten tragischer Umstände“. Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Armenier und Angehörige anderer christlicher Minderheiten getötet.

Leos Vorgänger Papst Franziskus hatte bei seiner Reise nach Armenien 2016 die Armenier dazu aufgerufen, das Gedenken an den Völkermord für Friedensbemühungen zu nutzen. Bereits ein Jahr zuvor hatte er die Massaker an den Armeniern als „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Die Türkei hatte daraufhin ihren Botschafter beim Heiligen Stuhl nach Ankara einberufen.

Von Almut Siefert (epd)


Obdachlose schlafen vor dem Altar




Ein Mann in seinem Schlafsack auf einem Feldbett in der Weißfrauen-Diakoniekirche.
Entlang der Wände des Kirchenschiffs sind Liegen aufgereiht. Darauf sitzen Männer mit warmem Tee in den Händen und sind froh über einen Schlafplatz in Wärme und Sicherheit.

Frankfurt a.M. (epd). Es ist 22.30 Uhr, ein kalter Montagabend Ende November. Die ersten Männer eilen die Stufen zum Eingang der Weißfrauenkirche im Frankfurter Bahnhofsviertel nach oben. Ein kurzer Gruß in Richtung Phillip Benkert, der Tee und Decken anbietet. Ein junger Mann steuert zielstrebig auf eine links vor dem Altar stehende Liege zu und breitet seinen Schlafsack aus, ein anderer sucht als erstes eine Steckdose für sein Handy. Draußen ist es regnerisch, sechs Grad: Menschen ohne Dach über dem Kopf suchen in Hauseingängen Schutz vor der Nässe. Hier drinnen, vor dem Altar und dem großen Kreuz an der Wand, bietet das Diakoniezentrum Weser5 insgesamt 47 Übernachtungsplätze an. Die meisten sind im Kopfbereich durch weiße Stellwände voneinander abgetrennt, damit in dem großen Kirchenschiff ein wenig Privatsphäre entsteht.

Um 23 Uhr sind die Liegen bis auf vier Notplätze belegt. Nur von Männern, nur ein Teil entspricht äußerlich dem Klischee eines Obdachlosen. Da ist der schlanke, mit modischer Jeans und grauer Outdoorjacke bekleidete Typ, der eine voll gepackte Reisetasche mit Rollen hinter sich herzieht und aussieht, als wäre er auf dem Weg zum Zug noch kurz beim Friseur vorbeigegangen. Und da ist Thomas, der vielleicht ganz anders heißt. Gepflegte Erscheinung, schwarze Jacke, Rucksack, kleiner Koffer, Reise- und Kunststofftasche eines Discounters. Er möchte erzählen, von der Übernachtung in der Kirche und der Gesellschaft insgesamt, aber nicht aus seinem Leben.

Schlafplatz ist „irgendwie gemütlich“

Sicher, trocken, nicht zu kalt und einigermaßen sauber, nennt Thomas die „entscheidenden“ Anforderungen an einen Schlafplatz. Er sitzt mit einem Becher Tee auf seiner Liege. Thomas ist gebildet, das verrät seine Sprache. Mehr gibt er nicht von sich preis. Er erzählt von der Situation in anderen Unterkünften und analysiert die Zusammenhänge zwischen Obdachlosigkeit und Politik. Seinen Platz in der Weißfrauenkirche findet er „irgendwie gemütlich“ und freut sich, dass er am nächsten Morgen erst um 7.30 Uhr geweckt wird.

Das Wecken in den Unterkünften gelte als schwierig, sagt Christiane Wirtz, stellvertretende Leiterin von Weser5 und Koordinatorin der Winternotübernachtung. Vor allem, wenn die Menschen sehr früh raus ins Kalte geschickt werden. „Hier geht das ohne Probleme“, ergänzt Sozialhelferin Geanina Lacatus. Die Schlafgäste können direkt von der Kirche in den Tagestreff von „Weser5“ gehen und dort auch frühstücken.

Die Leute wollen nur schlafen

In dieser Nacht hat Lacatus Dienst mit Phillip Benkert. Die Sozialhelfer sind immer zu zweit und haben noch einen Security-Kollegen dabei. Die Nächte sind ruhig, sagt Lacatus, nach einem kalten, anstrengenden Tag auf der Straße „wollen die Leute nur schlafen“.

Nach den Worten von Wirtz haben rund 80 Prozent der Übernachtungsgäste einen Migrationshintergrund, die meisten kämen aus Mittel- und Osteuropa. Etwa zwei Drittel seien suchtkrank oder hätten eine andere psychische Erkrankung. Die Menschen hier haben zum Großteil keinen Anspruch auf Sozialleistungen, sagt Wirtz und spricht von einem „Angebot für Leute, bei denen das Hilfesystem nicht greift“.

Valeri trinkt an seinem Schlafplatz Tee und hat ein trockenes Brötchen in der Hand. Der 37-Jährige kommt aus Bulgarien, dort hat er „Deutsch studiert“ und auf dem Bau gearbeitet. Zuletzt hat er als Bauarbeiter zwei Jahre in Barcelona gelebt. In Frankfurt ist er seit drei Monaten und bemüht sich aktuell um neue Ausweispapiere, weil ihm seine geklaut worden seien. Dass er mal in einer Kirche übernachten würde, hätte er nie gedacht. Aber „es ist gut“, sagt er. Die Kirche bedeute Sicherheit.

Reserviert für Menschen ohne Dach über dem Kopf

Die Weißfrauen Diakoniekirche wird für Kunst, Kultur, Tagungen und die diakonische Arbeit genutzt. Von Oktober bis Ende März ist sie für Menschen reserviert, die kein Dach über dem Kopf haben.

Er gehe davon aus, dass Schlafplätze in einer Kirche in Deutschland einmalig sind, sagte Markus Eisele, Diakoniepfarrer und Theologischer Geschäftsführer im Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach bei der Vorstellung des Angebots im Oktober. „Es ist unsere ureigenste Aufgabe, für Menschen ohne Obdach da zu sein“, betonte er.

In Deutschland leben 56.000 Menschen auf der Straße

In Frankfurt gibt es nach Schätzung von Christiane Wirtz 400 bis 500 Obdachlose, deutschlandweit lebten nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe im vergangenen Jahr 56.000 Menschen auf der Straße, 2.000 mehr als 2023.

In der Weißfrauenkirche ist es gegen 23.15 Uhr ruhig, die Sozialhelfer machen das Licht aus. Auch hier gebe es Nächte, in denen die Betten nicht für alle reichen, bedauert Geanina Lacatus. Sie und ihre Kollegen versuchten dann, an die Bahnhofsmission oder andere Notunterkünfte zu vermitteln. „Wir schicken die Leute nicht weg, ohne eine Idee, wohin sie sich wenden können“, ergänzt Wirtz.

Von Renate Haller (epd)


Landeskirche spricht "Personen aller geschlechtlichen Identitäten" an



Hannover (epd). Die hannoversche Landeskirche hat ein neues Gleichberechtigungsgesetz. Die Synode der größten deutschen evangelischen Landeskirche stimmte am 26. November mit großer Mehrheit für die Neufassung des Gesetzes. Darin werden neben Frauen und Männern „Personen aller geschlechtlichen Identitäten“ angesprochen.

Ziel dieser Änderung sei es, Geschlechtergerechtigkeit in allen Arbeitsbereichen der Landeskirche zu fördern, sagte die Synodale Anna Kempe vor dem Kirchenparlament. Es gelte, „Queerfeindlichkeit und jeder Form von Diskriminierung entschieden entgegenzutreten“. Das Gesetz tritt zum Jahreswechsel in Kraft.

„Wir sind eine Kirche für alle“

Die landeskirchliche Gleichstellungsbeauftragte Cornelia Dassler erläuterte: „Wir sind eine Kirche für alle und mit allen. Das legt schon unsere Verfassung fest, und dem soll das Gesetz gerecht werden.“ In dem Gesetz ist zum Beispiel als Ziel festgeschrieben, „die berufliche Gleichberechtigung von Frauen, Männern, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen zu verwirklichen“. Nach Angaben von Dassler hat die Landeskirche damit als erste in Deutschland diese differenzierte Formulierung in das Gleichberechtigungsgesetz aufgenommen



In fünf Jahren mehr als 500.000 "Basisbibeln" verkauft




Basisbibel
epd-Bild/Deutsche Bibelgesellschaft

Stuttgart (epd). Fünf Jahre nach Erscheinen der „Basisbibel“ äußert sich die Deutsche Bibelgesellschaft zufrieden. Bisher seien mehr als 500.000 Exemplare verkauft worden, teilte die Bibelgesellschaft am 24. November in Stuttgart mit. Die Basisbibel habe sich zu einer der meistgenutzten Bibelübersetzungen im deutschsprachigen Raum entwickelt, sagte Generalsekretär Christoph Rösel.

Auch in den digitalen Medien habe die Basisbibel hohe Zugriffszahlen. Seit 2021 wurde der Text auf der Website „die-bibel.de“ sowie in der dazugehörigen App über vier Millionen Mal kostenlos aufgerufen. Damit gehöre die Basisbibel zu den meistgelesenen deutschen Bibelübersetzungen im digitalen Raum.

Für junge Menschen empfohlen

Die 2021 als Gesamtausgabe erschienene Basisbibel bemüht sich um besonders gute Verständlichkeit. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) empfiehlt sie für die Arbeit mit jungen Menschen und für die Erstbegegnung mit der Bibel. Die Arbeit an den weiteren Schriften außerhalb des biblischen Kanons, die in der Lutherbibel als „Apokryphen“ bezeichnet werden, hat begonnen. Ihre Übersetzung solle in den nächsten zwei Jahren fertiggestellt werden, sagte Rösel.




Gesellschaft

Rund 25.000 Menschen protestieren gegen die AfD in Gießen




"Fest der Demokratie" in Gießen
epd-bild/Paul-Philipp Braun
Mit Protesten und Blockaden haben Tausende Menschen am Samstag in Gießen gegen die Gründung einer neuen AfD-Jugendorganisation protestiert. Es gab auch Verletzte.

Gießen (epd). Demonstrationen und Blockaden gegen die AfD: Rund 25.000 Menschen haben am 29. November nach Polizeiangaben in Gießen gegen die Gründung einer neuen AfD-Jugendorganisation protestiert. Die angemeldeten Versammlungen seien zum allergrößten Teil friedlich verlaufen. Andere Demonstrantinnen und Demonstranten blockierten seit den frühen Morgenstunden Straßen um und in Gießen. Der Beginn des AfD-Kongresses in den Gießener Hessenhallen verzögerte sich auf Mittag.

Das Aktionsbündnis Widersetzen hatte zu Blockaden aufgerufen. 15.000 Menschen hätten daran teilgenommen, um die Zugänge zu dem AfD-Kongress zu versperren, teilte das Bündnis mit und sprach von einem „riesigen Erfolg“. Zugleich kritisierte das Bündnis „Polizeigewalt“ gegen die Blockierer. Demonstranten seien verletzt worden, eine Zahl wurde jedoch nicht genannt.

Zehn Polizisten leicht verletzt

Nach Angaben der Polizei wurden am Samstagmorgen ab 6.30 Uhr Landes- und Bundesstraßen sowie Autobahnen rund um Gießen blockiert, ebenso eine Brücke in der Stadt. Beamte seien mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen worden, zehn seien leicht verletzt worden. Die Polizei habe zur Räumung Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. Über mögliche verletzte Demonstranten lägen der Polizei keine Informationen vor, hieß es.

Am Morgen soll auch ein Bundestagsabgeordneter der AfD angegriffen und verletzt worden sein. Der Tatverdächtige sei festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Die Ermittlungen zu den Hintergründen dauerten an. Die Gesamtzahl der Einsatzkräfte aus mehreren Bundesländern habe „in der Spitze einen mittleren bis oberen vierstelligen Bereich“ erreicht.

Hessens Innenminister kritisiert Gewalt

Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) verschaffte sich vor Ort einen Eindruck von der Lage und bezeichnete den Einsatz der Polizei als erfolgreich. „Einsatz für unsere Demokratie ist richtig“, sagte er mit Bezug auf die Proteste. „Dieser muss aber auf dem Boden des Rechts, also ohne Gewalt und ohne rechtswidrige Verhinderungsaktionen, erfolgen.“

An einer Demonstration, zu der unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Hessen-Thüringen, der Paritätische Hessen, der Landesfrauenrat, der Landesausländerbeirat, die Naturfreunde und andere aufgerufen hatten, nahmen nach Angaben des DGB rund 20.000 Menschen teil. Der DGB-Bezirksvorsitzende Michael Rudolph sprach von einem „beeindruckenden, sichtbaren und zutiefst demokratischen Zeichen gegen Menschenfeindlichkeit und Spaltung“.

„Fest der Demokratie“ vor Rathaus

Zu einem „Fest der Demokratie“ versammelten sich mehrere Hundert Menschen auf dem Berliner Platz vor dem Gießener Rathaus. Ausrichter waren unter anderem die evangelische Kirche, die Lebenshilfe, Künstlerinnen für Menschenrechte und Parteien. Man wolle ein Zeichen setzen, „dass diese Demokratie stark ist“, sagt die evangelische Pröpstin für Oberhessen, Anke Spory, in ihrer Rede. Auch die Vertreter verschiedener Parteien äußerten auf der Bühne übereinstimmend: „Heute stehen wir zusammen für die Demokratie“, wie der evangelische Stadtkirchenpfarrer Gabriel Brand dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte.

Von Jens Bayer-Gimm (epd)


Bericht: Einnahmen der Rüstungsindustrie weltweit auf Rekordhoch




Protest gegen Rheinmetall im April 2022 in Niedersachsen
epd-bild/Christian Ditsch
Die 100 größten Waffenhersteller der Welt haben 2024 mehr Umsatz gemacht. Allein die vier größten deutschen Konzerne steigerten ihre Einnahmen nach Berechnungen des Friedensforschungsinstituts Sipri um mehr als ein Drittel.

Stockholm (epd). Die 100 weltweit größten Rüstungskonzerne haben 2024 Rekordeinnahmen von 679 Milliarden US-Dollar (etwa 585 Milliarden Euro) verzeichnet. Deren Umsatz aus dem Verkauf von Waffen und militärischen Dienstleistungen sei im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2023 um 5,9 Prozent gestiegen, hieß es in einem am 1. Dezember vom schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri veröffentlichten Bericht.

Auch deutsche Waffenhersteller haben demnach ihre Einnahmen erneut gesteigert. Die Umsätze der vier in der Top-100-Liste vertretenen Unternehmen (Rheinmetall, ThyssenKrupp, Hensoldt und Diehl) lagen demnach zusammengerechnet bei 14,9 Milliarden US-Dollar. Das bedeute ein Plus von 36 Prozent (2023: 10,7 Milliarden US-Dollar), hieß es im Bericht. Grund dafür ist laut den Forscherinnen und Forschern die gestiegene Nachfrage nach bodengestützten Luftabwehrsystemen, Munition und gepanzerten Fahrzeugen aufgrund der wahrgenommenen Bedrohung durch Russland.

„Im vergangenen Jahr erreichten die weltweiten Waffenumsätze den höchsten Stand, den Sipri jemals verzeichnet hat“, erklärte der Experte Lorenzo Scarazzato. Die erste umfassende Datensammlung zur Rüstungsindustrie erhob das Stockholmer Institut 2002.

Kriege und höhere Militärausgaben kurbeln Nachfrage an

Insgesamt erklärt der Bericht den Umsatzanstieg mit der Tatsache, dass viele Staaten ihre Arsenale modernisieren und erweitern. Die Nachfrage sei durch die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen, globale und regionale Spannungen sowie immer höhere Militärausgaben angekurbelt worden. Zum ersten Mal seit 2018 haben alle fünf größten Rüstungsunternehmen, vier aus den USA und ein britischer Konzern, ihre Umsätze gesteigert.

Von den 26 Rüstungsunternehmen in den Top 100 mit Sitz in Europa (ohne Russland) verzeichneten 23 steigende Einnahmen. Ihre Gesamtumsätze nahmen 2024 um 13 Prozent auf 151 Milliarden US-Dollar zu. Der Anstieg von Umsätzen und Auftragseingängen habe viele Rüstungsunternehmen dazu veranlasst, ihre Produktionslinien zu erweitern, ihre Anlagen zu vergrößern, neue Tochtergesellschaften zu gründen oder Übernahmen abzuschließen, heißt es in dem Bericht.

Materialbeschaffung könnte schwieriger werden

Dennoch stehe die Branche auch vor Herausforderungen, „die sich auf die Kosten und Liefertermine auswirken könnten“, erläuterte die Sipri-Forscherin Jade Guiberteau Ricard. So könnte die Beschaffung von Materialien schwieriger werden. „Insbesondere die Abhängigkeit von kritischen Mineralien dürfte die europäischen Aufrüstungspläne erschweren.“

Beispielsweise haben das transeuropäische Unternehmen Airbus und der französische Konzern Safran dem Bericht zufolge bis 2022 die Hälfte ihres Titanbedarfs mit russischen Importen gedeckt und sich neue Lieferanten suchen müssen. Auch die chinesischen Exportbeschränkungen für kritische Mineralien könnten dazu führen, dass Lieferketten umstrukturiert und höhere Kosten in Kauf genommen werden müssten.

Auch russische Konzerne mit höherem Umsatz

Trotz internationaler Sanktionen aufgrund des Krieges gegen die Ukraine konnten auch die beiden russischen Rüstungsunternehmen in den Top 100, Rostec und United Shipbuilding Corporation, ihre Umsätze steigern. Zusammengenommen kamen sie 2024 auf Einnahmen von 31,2 Milliarden US-Dollar, ein Plus von 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut den Friedensforschern hat die Binnennachfrage ausgereicht, um die durch sinkende Exporte entstandenen Umsatzverluste mehr als auszugleichen.



Sicherheit im Advent: Polizei auf Weihnachtsmärkten verstärkt präsent




Polizist am Rande des Magdeburger Weihnachtsmarkts (20.11.)
epd-bild/Peter Gercke
Ein Jahr nach dem Anschlag von Magdeburg rückt die Sicherheitslage auf Weihnachtsmärkten erneut in den Blick. Die Polizei will sichtbarer vor Ort sein. Alle geplanten Veranstaltungen sollen stattfinden.

Frankfurt a.M. (epd). Zum Auftakt der Weihnachtsmarktsaison kündigen viele Bundesländer verstärkte Polizeipräsenz und mehr Kontrollen in den Innenstädten an. Ein Jahr nach der Todesfahrt von Magdeburg gilt die Anschlagsgefahr als „abstrakt hoch“, konkrete Hinweise auf Gefahren gibt es jedoch nicht. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Innenministerien ergab, bereiten sich die Sicherheitsbehörden in allen Bundesländern auf die Adventszeit vor, teils mit bewährten Konzepten, teils mit zusätzlichen Maßnahmen.

Die Verantwortung für die Sicherheit auf den Weihnachtsmärkten liegt in allen Ländern grundsätzlich bei den Veranstaltern, die Sicherheitskonzepte erstellen und von den zuständigen Behörden genehmigen lassen müssen, wie die Ministerien hervorheben. In allen Fällen würden Kommunen und Organisatoren von den Sicherheitsbehörden unterstützt. Es gebe eine enge Abstimmung. Die Länder berichten übereinstimmend, dass bislang keine Absagen von Weihnachtsmärkten wegen gestiegener Sicherheitskosten oder verschärfter Auflagen bekannt sind.

Gezielte Personen- und Fahrzeugkontrollen

Die Berliner Polizei kündigte fortlaufende Anpassungen ihrer Maßnahmen an die Sicherheitslage an. Für eine sichtbare Präsenz werde unter anderem auf „mobile Wachen in den Bereichen der Märkte“ gesetzt. Auch Brandenburg plant einen „lageangepassten Einsatz von Polizistinnen und Polizisten“. Das Saarland will durch eine deutsch-französische Fußstreife im Grenzraum für zusätzliche Sicherheit sorgen.

In Schleswig-Holstein, Bremen und Rheinland-Pfalz wird die Polizei die diesjährigen Weihnachtsmärkte auch mit Zivilkräften begleiten. Auch Sperren, Videotechnik und verdeckte Aufklärung kommen vielerorts zum Einsatz. Hessen und Bayern kündigen gezielte Personen- und Fahrzeugkontrollen an, „lageangepasste Kontrollen“ sind in Sachsen geplant.

Märkte in Magdeburg und Wittenberg vorübergehend auf der Kippe

Viele Länder heben die geltenden Waffen- und Messerverbote hervor. Teilweise kommen in diesem Jahr neue Bestimmungen hinzu. So gilt in Baden-Württemberg seit dem Sommer auch ein entsprechendes Verbot im öffentlichen Nahverkehr.

In Magdeburg war am 20. Dezember 2024 ein in Sachsen-Anhalt lebender Arzt aus Saudi-Arabien mit dem Auto über den Weihnachtsmarkt gerast und hatte sechs Menschen getötet. Dort wurde der diesjährige Weihnachtsmarkt erst nach zusätzlichen „sicherheitserhöhenden und risikominimierenden Maßnahmen“ genehmigt. Auch in Wittenberg stand der Weihnachtsmarkt auf der Kippe, grünes Licht wurde schließlich nur vorläufig erteilt.

Gestiegene Sicherheitskosten

Aufgrund der Bedrohungslage haben Städte und Gemeinden zuletzt verstärkt über gestiegene Sicherheitskosten geklagt und finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern verlangt. Die Hansestadt Hamburg plant für die besucherstarken innenstädtischen Märkte „zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, deren Kosten im sechsstelligen Bereich sie auch trägt“. Bremen hat nach eigenen Angaben zusätzlich drei Millionen Euro für Poller und Fahrzeugsperren bereitgestellt.

Einige Bundesländer verweisen auf spezielle Förderprogramme. Ein Beispiel ist der Sonderförderfonds „Gemeinsam sicher feiern in der Pfalz“. Laut dem Innenministerium in Sachsen-Anhalt können mobile Fahrzeugsperren von der EU gefördert werden. Außerdem stünden Mittel in dem Land aus dem Sondervermögen Infrastruktur bereit.

Thüringens Innenministerium hat nach eigenen Angaben Sicherheitspartnerschaften der Kommunen zur finanziellen Unterstützung durch das Land vorgeschlagen. Solche Kooperationsmodelle seien aber bislang nicht bekannt. Andere Länder, etwa das Saarland, betonten, sie unterstützten bereits umfassend durch sichtbare Polizeipräsenz und fachliche Beratung.

Von Stefan Fuhr (epd)


Traditioneller Wichern-Adventskranz an Bundestag übergeben




Übergabe des Wichern-Adventskranzes mit Bundestags-Vizepräsidentin Lindholz und Diakonie-Präsident Schuch.
epd-bild/Christian Ditsch
Inmitten der hitzigen Debatten der Haushaltswoche hat der Bundestag seinen diesjährigen Adventskranz bekommen.

Berlin (epd). Ein Stück Besinnlichkeit im Bundestag: Seit dem 27. November steht wieder der traditionelle Wichern-Adventskranz vor dem Plenarsaal des Parlaments. Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch übergab ihn am Vormittag offiziell an Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU). Während ganz in der Nähe die Abgeordneten über den Etat des Innenministeriums und die Migrationspolitik diskutierten, erinnerte Schuch an die Weihnachtsgeschichte und das „prekäre Ehepaar“ Maria und Josef, das nirgendwo Obdach fand.

Nach der Geburt Jesu habe König Herodes dem Kind nach dem Leben getrachtet, sodass die kleine Familie habe fliehen müssen, fuhr Schuch fort. „Das Kind überlebt. Gott überlebt und wird gerettet durch Fluchhelfer und durch ein sicheres Zukunftsland“.

Lindholz wünscht sich „gesangähnlichere“ Debatten

Lindholz nahm in ihrer Ansprache Bezug auf den Kinderchor des Evangelischen Johannesstifts, der die Kranzübergabe musikalisch begleitete. Gerade in den Haushaltsdebatten werde oft mit einer gewissen „Härte der Wortwahl“ diskutiert, gab sie zu. Es wäre manchmal besser, „wir würden gesangähnlicher im Bundestag miteinander debattieren“, befand die CSU-Politikerin.

Der Wichern-Adventskranz geht auf Johann Hinrich Wichern zurück, einen der Begründer der Diakonie. Er stellte den ersten Kranz dieser Art 1839 im Andachtsraum des „Rauhen Hauses“ in Hamburg auf, einer von ihm gegründeten Einrichtung für elternlose und vernachlässigte Kinder. Anders als die heute gängigen Adventskränze hat der Wichernkranz bis zu 28 Kerzen - kleine für Werktage und große für die Adventssonntage.

Das Exemplar für den Bundestag wurde in diesem Jahr laut Schuch erstmals mit LED-Kerzen ausgestattet. Traditionelle Wachskerzen dürfen aus Sicherheitsgründen im Reichstagsgebäude nicht brennen.



Zwei Drittel der Menschen in Deutschland fühlen sich gestresst




Passanten in der Frankfurter Innenstadt
epd-bild/Tim Wegner
Kriege, politische Polarisierung, belastender Beruf: Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich gestresst. Vor allem Frauen und junge Menschen stehen unter Druck.

Berlin (epd). Zwei Drittel der Menschen in Deutschland (66 Prozent) fühlen sich laut einer Umfrage in ihrem Alltag oder Berufsleben häufig oder manchmal gestresst. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) empfinden das Leben heute belastender als vor 15 oder 20 Jahren, heißt es in dem am 26. November in Berlin vorgestellten Stressreport der Techniker Krankenkasse (TK). 31 Prozent gaben an, häufig gestresst zu sein, 35 Prozent sind es manchmal.

Nur acht Prozent sagten, sie empfänden gar keinen Stress. Ein Viertel der Befragten (26 Prozent) gab an, selten darunter zu leiden.

Frauen und junge Menschen deutlich gestresster

Deutlich mehr gestresst sind zudem Frauen mit 71 Prozent. Das sind sechs Prozentpunkte mehr als bei einer Umfrage vor vier Jahren. Bei den Männern sank der Anteil der Gestressten dagegen von 63 Prozent im Corona-Jahr 2021 auf heute 60 Prozent.

Befragt wurden vom Meinungsforschungsinstitut Forsa in diesem Frühjahr bundesweit 1.407 Menschen ab 18 Jahren. Dabei zeigte sich, dass Stress vor allem jüngere Menschen trifft. In der Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen gaben 83 Prozent an, betroffen zu sein. Bei den 40- bis 59-Jährigen waren es 79 Prozent. Bei den über 60-Jährigen waren es 38 Prozent.

Höchstes Stresslevel in Berlin und Brandenburg

Auch regional sind die Stresslevel unterschiedlich verteilt. Am meisten betroffen sind die Menschen in Berlin und Brandenburg mit 78 Prozent, gefolgt von den Bewohnerinnen und Bewohnern von Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit 72 Prozent. Am entspanntesten sind die Menschen im Norden. In Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern fühlen sich nur 58 Prozent gestresst.

Stressfaktor Nummer eins mit 61 Prozent ist laut Report der hohe Anspruch an sich selbst (Frauen: 68 Prozent, Männer: 51 Prozent). Auf Platz zwei folgen Schule, Studium oder Beruf mit 58 Prozent (Frauen: 53 Prozent, Männer: 65 Prozent). An dritter Stelle steht Stress durch politische und gesellschaftliche Probleme mit 53 Prozent (Frauen: 58 Prozent, Männer: 47 Prozent).

Angst vor politischer Polarisierung

Dabei standen in dieser Gruppe Belastungen vor allem durch Kriege und internationale Konflikte an erster Stelle (62 Prozent). 59 Prozent haben Angst vor politischer Polarisierung, 52 Prozent vor Gefährdung der inneren Sicherheit. 47 Prozent nennen die Angst vor einem Wohlstandsverlust als Stressfaktor.

TK-Chef Jens Baas sagte, bis zu einem gewissen Grad gehöre Stress zum Leben dazu. Chronischer Stress erhöhe jedoch das Risiko für bestimmte Krankheiten. So litten diese Menschen beispielsweise signifikant häufiger unter Muskelverspannungen und Rückenschmerzen als Nichtgestresste (62 Prozent versus 50 Prozent), Erschöpfung (61 Prozent versus 24 Prozent) und Schlafstörungen (47 Prozent versus 34 Prozent).

Die Daten des erstmals 2013 veröffentlichten „TK-Stressreports“ zeigten, dass das Stressempfinden kontinuierlich zugenommen hat, sagte die Berliner Psychologin Judith Mangelsdorf. Eine wirkungsvolle Maßnahme dagegen seien zum Beispiel Zeiten ohne Nutzung digitaler Medien.

Von Markus Geiler (epd)


Evangelische Unternehmer: Gespräche mit AfD sind politische Taktik




Friedhelm Wachs
epd-bild/Norbert Neetz
Familienunternehmer öffnen sich für Gespräche mit der AfD. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer, Friedhelm Wachs, wendet sich gegen Gesprächsverbote, warnt aber vor der Normalisierung von Inhalten dieser Partei.

Berlin (epd). Der Vorsitzende des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer, Friedhelm Wachs, sieht in der Öffnung des Verbands „Die Familienunternehmer“ für Gespräche mit AfD-Vertretern eine politische Taktik. „Eine inhaltliche Ähnlichkeit in den Haltungen würde ich dem Verband nicht unterstellen“, sagte Wachs dem Evangelischen Pressedienst (epd).

„Vor allem im Osten ist die AfD ein Faktum“, sagte Wachs. Mit diesem Faktum sei umzugehen, auch Unternehmer müssten darauf reagieren. Die AfD stelle im kommenden Jahr vielleicht Landesregierungen, aber es gebe kaum öffentliche Debatten darüber, wie in diesem Fall zu reagieren wäre, und vor welchen Herausforderungen dann exportorientiertes und auch christliches Unternehmertum stünde.

Hadern mit Gesprächsverboten

So, wie die Diskussion um das Für und Wider von Gesprächen mit AfD-Vertretern geführt werde, hält Wachs sie für wenig hilfreich. Es werde kaum unterschieden zwischen Gesprächen und dem Sich-gemein-Machen mit Positionen der AfD. „Ich hadere mit Gesprächsverboten“, bekannte Wachs. Jesus habe auch mit allen gesprochen. Es müsse aber dabei immer klar sein, welche Inhalte klar abzulehnen seien: „Wer die Würde des Menschen infrage stellt, der ist raus, der ist kein politisches Pendant.“

Vorbehalte, dass ein Sprechen mit AfD-Vertretern zur Normalisierung der von ihnen vertretenen Inhalte beitragen könne, seien zu bedenken, sagte Wachs. Die Angst, dass die AfD Gespräche für Propagandazwecke nutze, sei durchaus gerechtfertigt. Dafür gäbe es genug Beispiele. „Daher müsste man im gegebenen Fall das Format klug wählen“, erläuterte der Verbandsvorsitzende. Dieses Format müsse einen echten Austausch über Inhalte gewährleisten. Wachs sagte, er wünsche sich, dass die Familienunternehmer in der Debatte darlegen, wie sie das machen wollen.

„Christliche Unternehmer dienen dem Gemeinwohl und nicht der Verrohung der politischen Kultur“, erklärte Wachs. Ein abschreckendes Beispiel sei der vorauseilende Gehorsam, mit dem sich derzeit in den USA viele Vertreter der Tech-Branche dem Politikstil des US-Präsidenten Donald Trump unterwürfen.

epd-Gespräch: Nils Sandrisser


Margot Friedländer mit Sonderbriefmarke geehrt




Sonderbriefmarke zu Ehren von Margot Friedländer
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Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer ist auf einer Briefmarke abgebildet. Sie war im Mai mit 103 Jahren gestorben.

Berlin (epd). Die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer (1921-2025) wird posthum mit einer Sonderbriefmarke geehrt. Das Postwertzeichen über 95 Cent wurde am Dienstag vorgestellt, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte. Friedländer war am 9. Mai im Alter von 103 Jahren gestorben.

Die Briefmarke zeigt ein Porträt Friedländers und den Schriftzug: „Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet. Seid Menschen, seid vernünftig.“ Ihren Appell „Seid Menschen!“ wiederholte die Jüdin unermüdlich, um die deutsche Gesellschaft daran zu erinnern, Antisemitismus nie wieder einen Platz einzuräumen.

50 Sonderbriefmarken pro Jahr

Die Sonderbriefmarke für Friedländer war nach Angaben des Bundesfinanzministeriums ein „besonderes Anliegen“ von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD). Im Rahmen der Präsentation stand auch ein Gespräch mit Schülerinnen und Schülern über das Erbe Margot Friedländers auf dem Programm. Das Finanzministerium gibt den Angaben zufolge jährlich rund 50 Sondermarken heraus.




Soziales

Weniger Menschen spenden an Hilfsorganisationen




Spendendose von Brot für die Welt
epd-bild/Hermann Bredehorst/Brot für die Welt
Gemeinnützige Organisationen müssen wohl mit weniger Spenden zum Jahresende rechnen. Die Gründe sind vielfältig.

Berlin (epd). Der Deutsche Spendenrat rechnet in diesem Jahr mit weniger Spendeneinnahmen für gemeinnützige Organisationen. Die Prognose für das Gesamtjahr liege bei rund 4,7 Milliarden Euro gegenüber rund 5,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr, wie der Dachverband spendensammelnder Organisationen am 27. November in Berlin mitteilte.

Zur Begründung für den Rückgang verwies der Spendenrat auf „herausfordernde Rahmenbedingungen“: Inflation, hohe Lebenshaltungskosten, Verunsicherung über die künftige Rentenhöhe und hohe Pflegekosten schränkten die Budgets vieler Haushalte ein.

Spendenbereitschaft steigt vor Weihnachten

Martin Wulff, Geschäftsführer des Spendenrats, sprach von einem leicht sinkenden Spendenaufkommen, sieht aber „keinen Grund zur Sorge“. Rund 20 Prozent ihrer Einnahmen erzielten die Organisationen in der Weihnachtszeit.

Der Deutsche Fundraising Verband geht in seinem am Dienstag vorgestellten „Spendenmonitor“ hingegen von einem leichten Anstieg der Privatspenden in diesem Jahr um 300 Millionen auf 6,3 Milliarden Euro aus. Dazu wurden vom 15. Oktober bis 15. November in einer Online-Befragung 5.008 Menschen im Alter zwischen 16 und 75 Jahren befragt.

Unterschiede in der Prognose erklärte der Spendenrat unter anderem mit den unterschiedlichen Erhebungsmethoden. Die Bilanz des Spendenrats zu Trends und Prognosen basiert auf der Studie „Charity Panel“ der YouGov CP Germany. Dazu gibt es monatliche schriftliche Erhebungen im Rahmen einer repräsentativen Stichprobe von 10.000 Panelteilnehmern. Nicht berücksichtigt sind darin unter anderem Erbschaften, Unternehmensspenden, Spenden an politische Parteien, Stiftungsneugründungen und Großspenden über 2.500 Euro.

Weniger Spender

Demnach sinkt die Zahl der Spenderinnen und Spender. Die Reichweite liege für die ersten neun Monate dieses Jahres bei rund 18 Prozent oder etwa 11,8 Millionen Spendern gegenüber 20,1 Prozent im Vorjahreszeitraum. Insbesondere bei Haushalten mit einem Nettoeinkommen bis 4.000 Euro sei das Spendenaufkommen um 21 Prozent gesunken.

Dies gelte auch für das Spendenaufkommen der Generation 70plus, die in der Vergangenheit für einen großen Anteil der Spenden stand. Wachstum gebe es dagegen bei den 60- bis 69-Jährigen (plus elf Prozent) und den 40- bis 49-Jährigen (plus sechs Prozent).

Gewinner bei den Spendeneinnahmen sind bislang „lokale Projekte“. Sie haben mittlerweile einen Marktanteil von 34 Prozent. Gespendet wird vor allem für den Tier-, Umwelt- und Klimaschutz. Der Bereich Kirchen/Religion konnte seinen Marktanteil in den ersten neun Monaten halten.

Höhere Einzelspenden

Von Januar bis September spendeten private Personen demnach 2,8 Milliarden Euro. Dies sei ein Rückgang um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die durchschnittliche Einzelspende stieg von 38 Euro auf 41 Euro.

Der Spendenrat empfiehlt den Organisationen, bestehende Spenderbeziehungen durch „konkrete Wirkungsbeispiele“ zu vertiefen. Neue Spendergruppen sollten durch digitale Kanäle und niedrigschwellige Formate erreicht werden.

Von Lukas Philippi (epd)


OECD: Rentenfinanzierung für Deutschland "besonders herausfordernd"




Themenbild Rente
epd-bild/Heike Lyding
Die Gruppe der Menschen, die in die Rentenkasse einzahlt, schrumpft in Deutschland laut einer OECD-Studie besonders schnell. Um die Finanzierung zu sichern, müsse die Lebensarbeitszeit länger werden.

Berlin (epd). Die Politik diskutiert über die Rente - zu Recht, wie eine OECD-Analyse zeigt: Die künftige Rentenfinanzierung werde für Deutschland „besonders herausfordernd“, heißt es in der am 27. November veröffentlichten Studie. Hauptgrund sei der schnelle Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Die Autorinnen und Autoren empfehlen deswegen eine längere Lebensarbeitszeit.

In den nächsten 40 Jahren werde die Zahl der Menschen im Erwerbsalter in Deutschland um 23 Prozent sinken, heißt es in der Studie „Renten auf einen Blick 2025“. Im OECD-Durchschnitt betrage das Minus nur 13 Prozent. Bereits im Jahr 2054 würden in Deutschland auf 100 Menschen zwischen 20 und 64 Jahren etwa 60 Menschen über 65 kommen. Im Durchschnitt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seien es 55.

Kritik an automatischem Job-Ende

Der Schlüssel zur künftigen deutschen Rentenfinanzierung liege somit in einer längeren Lebensarbeitszeit, erklären die Expertinnen und Experten. Konkret wird in der Untersuchung eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung vorgeschlagen. Außerdem könnten vorzeitige Renteneintritte weniger attraktiv gemacht werden. Die Kombination aus Rentenbezug und Arbeit wiederum lasse sich attraktiver gestalten, heißt es in der Studie.

Die OECD kritisiert zudem, dass es in Deutschland erlaubt ist, in Arbeitsverträgen das automatische Ende des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Renteneintrittsalters zu vereinbaren. Dies schränke die Wahlmöglichkeiten älterer Menschen ein und sei ein Hindernis auf dem Weg zur längeren Lebensarbeitszeit.

Geschlechterunterschiede sind geschrumpft

Die Studie beleuchtet auch die Unterschiede bei der Rente zwischen Männern und Frauen. Demnach ist die Rentenlücke zwischen den Geschlechtern seit 2007 deutlich geschrumpft, bleibt aber mit 23 Prozent über dem OECD-Durchschnitt. Somit bekommen Frauen in Deutschland im Schnitt fast ein Viertel weniger Rente als Männer.

Da es in der Arbeitswelt weiterhin deutliche Geschlechterunterschiede gebe, werde der sogenannte Gender Pension Gap auch künftig relevant bleiben, sagt die OECD voraus. Frauen verdienten im Laufe ihres Lebens insgesamt deutlich weniger als Männer und würden somit auch weniger Rentenansprüche erwerben.

Der niedrigere Gesamtverdienst von Frauen erkläre sich vor allem durch ein geringeres Arbeitsvolumen und niedrigere Stundenlöhne, heißt es in der Untersuchung weiter. Zuletzt hätten Frauen 7,5 Stunden weniger Erwerbsarbeit pro Woche geleistet als Männer und ihr durchschnittlicher Stundenlohn habe um 21 Prozent niedriger gelegen. Über das gesamte Arbeitsleben gesehen waren Frauen der Analyse zufolge 4,2 Jahre weniger erwerbstätig.

Von Christina Neuhaus (epd)


Prostitution: Wenn der Kauf sexueller Dienste unter Strafe steht




Bordell im Frankfurter Bahnhofsviertel
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Immer wieder gibt es Vorstöße aus der Politik, die Prostitution einzuschränken, indem der Sexkauf per Gesetz verboten wird. Doch das sogenannte Nordische Modell ist umstritten.

Berlin (epd). Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (beide CDU) sind sich einig: Sie wollen hierzulande die Prostitution erschweren und werben für ein Sexkaufverbot nach dem sogenannten Nordischen Modell. Doch können Prostituierte dadurch geschützt werden, dass man Bordelle schließt und ihre Freier bestraft? Und wird dadurch Menschenhandel abnehmen? Die Forschung liefert keine klaren Hinweise. Der Evangelische Pressedienst (epd) beantwortet Fragen im Zusammenhang mit dem Einsetzen einer Fachkommission zum besseren Schutz von Sexarbeiterinnen am 24. November durch Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU)

Wie ist die Rechtslage in Schweden?

Schweden hat nach Angaben der Botschaft des Landes seit 1999 eine Gesetzgebung, die den Kauf sexueller Dienste unter Strafe stellt. Auch deren Vermittlung durch Bordelle oder Zuhälter fällt unter dieses Verbot. Der Verkauf sexueller Dienste hingegen ist nicht strafbar. Das Strafmaß für den Sexkauf besteht in einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Meist wird der erstmalige Verstoß mit einem Bußgeld von 50 Tagessätzen geahndet, bei Wiederholungstaten sind es 60 Tagessätze. Bisher ist noch niemand allein wegen des Kaufs sexueller Dienste zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Welche Länder haben eine ähnliche Gesetzgebung?

Schweden war Vorreiter beim Sexkaufverbot. Später haben Länder wie Norwegen, Frankreich, Kanada und Irland restriktive Gesetze auf den Weg gebracht. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) war schon mit der Thematik befasst. Er entschied im Juli 2024, dass das französische Verbot des Kaufs sexueller Handlungen nicht gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. Französische Sexarbeiterinnen und -arbeiter hatten geklagt, das Gesetz schränke ihre persönliche Freiheit und sexuelle Autonomie ein. Der EGMR räumte zwar ein, dass das Verbot tatsächlich in diese Rechte eingreife, jedoch sei dieser Eingriff rechtmäßig.

Welche politische Motivation steht hinter dem Sexkaufverbot?

Für die Antwort lohnt der Blick nach Schweden. Vor dem Gesetzentwurf wurden dort Personen befragt, die sexuelle Dienstleistungen offerierten. Fast alle gaben an, sie würden das nicht aus freien Stücken tun, wenn sie eine Alternative hätten. Diese Personen waren keine Kriminellen, sondern Opfer, so die Erkenntnis der Politik. In der Untersuchung wurde zugleich deutlich, dass diejenigen, die Sex kauften, es als ihr Recht ansahen, ihren Bedürfnissen nachzugehen, auch wenn dadurch die Verletzbarkeit einer anderen Person ausgenutzt wird. Die Konstruktion des Gesetzes in Schweden soll dieses Ungleichgewicht aufheben.

Wie blickt die schwedische Bevölkerung auf das Gesetz?

Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat laut der Botschaft die Zustimmung der Bevölkerung schrittweise zugenommen. Heute werde das Gesetz von gut 70 Prozent der schwedischen Bevölkerung unterstützt. Mit der aus dem Gesetz resultierenden Normverschiebung sei die Nachfrage nach sexuellen Diensten gesunken. Und mit einer sinkenden Nachfrage gehe auch die Attraktivität Schwedens bei Menschenhändlern zurück. Interpol beschreibe Schweden als einen toten Markt, so die Botschaft.

Welche Erfahrungen aus Schweden liegen vor?

Den Angaben nach halbierte sich die Straßenprostitution unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Gesetzes. Verglichen mit anderen Ländern sind in Schweden verhältnismäßig wenige Personen in der Prostitution tätig. Laut schwedischer Polizei liegt die Zahl zwischen 1.000 und 1.500. Die meisten davon sind Frauen. Die Sicherheit von Frauen und Männern in der Prostitution hat sich nicht verschlechtert. Seit Inkrafttreten des Gesetzes 1999 ist bei der Polizei nicht ein einziger Bericht über schwere Gewalt gegen Prostituierte eingegangen. Es hat auch keine Morde an ihnen gegeben.

Zu welchen Erkenntnissen kommt die Forschung?

Die Diakonie Deutschland verweist auf eine Auswertung von 134 qualitativen und quantitativen Studien zu Folgen repressiver Gesetzgebung oder Praxis: „Prostituierte werden isoliert und in kaum kontrollierbare Arbeitsorte gedrängt.“ Es werde ihnen schwergemacht, sich gegenseitig zu unterstützen und Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Ihr Zugang zu Gesundheits- und Sozialberatung sowie zu Polizei und Justiz werde eingeschränkt.

In einer Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte aus dem Jahr 2019 heißt es: „Insbesondere für die Situation in Schweden liegen mittlerweile viele verschiedene Studien vor. Deren Ergebnisse werden sowohl als Argument für den Erfolg als auch für den Misserfolg der gesetzlichen Regelung im Sinne ihrer Zielerreichung, nämlich Verringerung der Prostitution und des Menschenhandels, herangezogen. Konsens scheint zu sein, dass sich die Straßenprostitution durch das Gesetz verringert hat. Ob das Verdrängungseffekte produziert und somit nicht zu einer Abnahme der Prostitution geführt hat, ist jedoch umstritten, unter anderem, weil es keine vergleichbaren Daten zur Situation vor der Einführung des neuen Gesetzes gibt.“

Welche Argumente führen die CDU-Politikerinnen Warken und Klöckner für eine Gesetzesänderung an?

Die bisherige Gesetzgebung in Deutschland schütze Prostituierte bislang nicht ausreichend, betont Klöckner. Weder das Prostitutionsgesetz noch das Prostituiertenschutzgesetz würden Frauenrechte nachhaltig stärken. Übergriffe, die Übermacht von Männern und Unfreiwilligkeit seien weiter präsent. Deutschland sei der „Puff Europas“, sagte Klöckner. Warken sagte, Prostituierte sollten künftig straffrei bleiben und umfassende Ausstiegshilfen erhalten.

Wie lauten die Argumente gegen eine solche Reform?

Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen ist strikt gegen ein Sexkaufverbot. Das habe in Ländern wie Schweden und Frankreich zu katastrophalen Ergebnissen geführt: „Unter dem Vorwand, Sexarbeitende zu schützen, hat es genau das Gegenteil bewirkt: Sexarbeitende wurden in die Illegalität gedrängt, ihre Arbeit wurde faktisch kriminalisiert, ihre Sicherheit massiv gefährdet“, so der Verband. Und die Diakonie betont: „Verbote verhindern weder Prostitution noch dämmen sie negative Auswirkungen ein. Wo Zwang und Gewalt ausgeübt werden, bieten Rechte durch Gesetz besseren Schutz.“

Von Dirk Baas (epd)


Zahl der Suizide in Deutschland steigt leicht



Nach Jahrzehnten des Rückgangs steigt seit 2021 die Zahl der Selbsttötungen in Deutschland. Fachleute gehen davon aus, dass inzwischen an jedem zehnten Suizid eine Sterbehilfeorganisation beteiligt ist.

Kassel (epd). Die Zahl der Suizide in Deutschland ist 2024 im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen, und zwar um 0,6 Prozent (68 Fälle) auf 10.372. Das geht aus der Suizidstatistik hervor, die das Nationale Suizidpräventionsprogramm und die Deutsche Akademie für Suizidprävention am 26. November in Kassel veröffentlicht haben. Seit 2021 gebe es einen Anstieg um 12,6 Prozent, nachdem die Suizidrate zuvor über mehrere Jahrzehnte rückläufig gewesen sei. Zu 71,5 Prozent hätten sich im vergangenen Jahr Männer das Leben genommen.

Assistierte Suizide werden den Angaben zufolge in der Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes nicht gesondert ausgewiesen. Die Sterbehilfeorganisationen hätten für 2024 allerdings 997 assistierte Suizide genannt. „Fachleute gehen davon aus, dass mittlerweile mehr als jeder zehnte Suizid in Deutschland mit Assistenz erfolgt“, teilen das Suizidpräventionsprogramm und die Akademie mit. Einen Hinweis darauf gebe die seit 2020 fast verdoppelte Zahl von Medikamentenvergiftungen auf 2.002 Fälle im vergangenen Jahr.

Höchste Suizidrate in östlichen Bundesländern

Die Suizidrate (Suizide pro 100.000 Einwohner) steigt mit dem Lebensalter. Im Jahr 2024 waren demnach 73,8 Prozent der Menschen, die sich das Leben genommen haben, über 50 Jahre alt. Die Suizidrate lag bei Männern zwischen 20 und 25 Jahren bei 8,9 (Frauen 3,6), in der Altersklasse der 85- bis 90-Jährigen jedoch bei 80,3 (Frauen 25,6).

Große Unterschiede gibt es laut Statistik bei den Bundesländern. Die höchste Suizidrate hatte 2024 Mecklenburg-Vorpommern mit 16,6 Todesfällen pro 100.000 Einwohner, gefolgt von Sachsen (15,9) und Sachsen-Anhalt (15,7). Die niedrigsten Werte hatten das Saarland mit 8,3 und Nordrhein-Westfalen mit 10,2.

Bei jüngeren Menschen unter 25 Jahren liegt der Anteil der Suizide an den Sterbefällen bei 16,1 Prozent und gehört damit zu den Haupttodesursachen. Menschen ab 65 Jahren sterben zu 0,6 Prozent an einem Suizid. Häufigste Methode der Selbsttötung ist das Erhängen, gefolgt von der Vergiftung durch Medikamente.

Hilfsangebote erreichen Suizidwillige nicht

Auf die Bedeutung niedrigschwelliger Angebote zur Suchtprävention wies Georg Fiedler von der Deutschen Akademie für Suizidprävention hin. Studien zeigten, dass bis zu 70 Prozent der Menschen vor einem Suizid oder Suizidversuch von den Hilfsangeboten des Gesundheitswesens nicht erreicht werden.

Hinweis: Wenn Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, oder jemanden kennen, der suizidgefährdet ist, suchen Sie Hilfe. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/1110111 und 0800/1110222. Auch ein Kontakt per Chat und E-Mail ist möglich: www.telefonseelsorge.de

Von Renate Haller (epd)



Medien & Kultur

Mit viel Fantasie und Sinnlichkeit




Kunstwerk "the alphabet of my mothers and fathers A, B, C, D, E, F, G und H" von Ugo Rondinone (2022)
epd-bild/Wilfried Meyer
Einen künstlerischen Blick auf das Thema "Grund und Boden" wirft das K 21 in Düsseldorf in seiner neuen Ausstellung. Es geht um Krieg, Vertreibung und Zerstörung der Natur, aber auch um Wiederaufbau, Wohnen und Pflanzen, Besitzen und Teilen.

Düsseldorf (epd). Hufeisen, Sägen, Nudelhölzer, Sichel und Spaten: Werkzeug, das bis ins frühe 20. Jahrhundert nicht nur von Hand genutzt, sondern auch von Hand hergestellt wurde, hat der New Yorker Künstler Ugo Rondinone vergoldet und auf weißen Wänden zusammengestellt. „Das Alphabet meiner Mütter und Väter“ nennt er es in Erinnerung an seine Vorfahren, die aus Süditalien emigriert waren. „Am Anfang jeder Kultur steht die Pflege des Bodens“, sagt er und deshalb zeigt er sein vergoldetes Handwerkszeug in der gläsernen Kuppel des Museums K 21 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

Der Titel der Schau „Grund und Boden - Wie wir miteinander leben“, die ab Samstag zu sehen ist, lässt kaum ahnen, mit wie viel Fantasie und Sinnlichkeit das Thema aufgefächert wird. Es geht um nichts weniger als um die Entwicklung der Grundlagen des Lebens auf der Erde für Menschen, Tiere und Pflanzen. „Boden verbindet, Boden trennt“, sagte Kurator Kolja Reichert am 27. November bei der Vorstellung der Ausstellung. Die erste ökologische Demonstration der Bauern im 16. Jahrhundert wird ebenso gewürdigt wie der Protest gegen den Braunkohletagebau im nordrhein-westfälischen Lützerath - mit einem Bild des berühmten Fotografen Andreas Gursky.

Fotoserie über Dank an Müllmänner

So spektakulär wie einfach drückte die Künstlerin Mierle Ladermann Ukeles, ebenfalls aus New York, in den 1970er Jahren ihr soziales und ökologisches Bewusstsein aus. Sie bedankte sich persönlich bei allen 8.500 Müllmännern ihrer Stadt und drückte jedem, der das wollte, die Hand. Die Fotoserie, die daraus entstand, gibt einen konstruktiven, optimistischen Blick auf das Zusammenleben der Menschen in einer Millionen-Metropole.

Dass dagegen gerade in Bezug auf Eigentum schon im 16. Jahrhundert Mord und Gewalt das Leben prägten, zeigt das Bild „Triumph des Todes“ des niederländischen Malers Pieter Bruegel aus dem Jahr 1562. Auf eine 20 Meter breite Leinwand aufgezogen hängt es in der Eingangshalle des Museums. „Wir haben den Bogen bewusst 500 Jahre weit gespannt, weil das 16. Jahrhundert ein Epochenbruch war, nicht zuletzt mit Beginn des Buchdrucks und parallel einem Ausbruch von Gewalt, wie Europa ihn bis dahin nicht gekannt hatte“, erläuterte Kurator Kolja Reichert. Einen vergleichbaren Wandel sieht er in der heutigen Zeit mit der Entwicklung Künstlicher Intelligenz und neuer Waffensysteme.

Schoko-Skulpturen als Protest gegen Monokulturen

Die Schau versammelt allerdings auch erfolgreiche Beispiele, wie Grund und Boden gerettet und natürliche Kreisläufe zurückgewonnen wurden können - gerade auch mithilfe von Kunstwerken. Skulpturen aus Schokolade mit Darstellungen christlicher Motive, etwa einer Kreuzigung, hat das Künstler-Kollektiv CAPC aus dem Kongo geschaffen. Die Böden ihrer Heimat trocknen in Monokulturen wie etwa Palmöl-Plantagen aus. Die Schoko-Skulpturen sind als Protest dagegen gedacht und wurden in Europa verkauft. Mit dem Erlös konnte das Kollektiv nach Auskunft der Ausstellungsmacher 400 Hektar Land zurückkaufen und naturverträglich bewirtschaften.

Die Ausstellung ist bis zum 19. April zu sehen. Es gibt ein umfangreiches Bildungsprogramm, das sich vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene wendet. Dazu sind nach Angaben des Museums im November, Februar und April Aktionstage geplant.

Von Irene Dänzer-Vanotti (epd)


Kulturhauptstadt Chemnitz 2025: Europäischer Geist im Alltag




Bühnenshow im Kulturhauptstadtjahr (Archiv)
epd-bild/Matthias Schumann
Mehr als zehn Monate hat sich Chemnitz als Europas Kulturhauptstadt präsentiert. Auch die Erzgebirgsregion bot zahlreiche Formate. Nun ziehen die Beteiligten Bilanz.

Chemnitz (epd). Das sächsische Chemnitz hat sich gezeigt: Seit Mitte Januar hat Europas Kulturhauptstadt 2025 ein vielfältiges Programm mit mehr als 2.000 Veranstaltungen geboten. Musik und Kunst zogen mehr als zwei Millionen Menschen an. Begeisterung lösten auch zahlreiche Festivals aus. Gäste schwebten sogar Tango tanzend durch die Stadt.

Die kaufmännische Geschäftsführerin der Chemnitz 2025 gGmbH, Andrea Pier, zieht eine überaus positive Bilanz zur Kulturhauptstadt: „Es hat sich in Chemnitz eine große Begeisterung und auch Stolz auf die eigene Stadt entwickelt.“ Viele tausend Menschen hätten bei dem großen Projekt Kulturhauptstadt Europas mitgemacht und ihren Teil beigetragen.

„Diese Begeisterung hat einiges bewegt“, sagt Pier. Das hätten auch die zahlreichen Touristinnen und Touristen gespürt. Das Kulturhauptstadtjahr Chemnitz 2025 war am 18. Januar eröffnet worden. Es stand unter dem Motto „C the Unseen“ und wollte in Chemnitz und 38 Kommunen der Region zuvor weniger Sichtbares hervorholen.

Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) resümiert: „Chemnitz und die gesamte Region sind 2025 spürbar zusammengewachsen und offener geworden.“ Viele Menschen hätten erlebt, „wie viel möglich ist, wenn Kultur nicht nur konsumiert, sondern gemeinsam geschaffen“ werde.

Energie der Stadtgesellschaft

„Zu den größten Höhepunkten gehörte für mich die Energie, die aus der Stadtgesellschaft selbst heraus entstanden ist“, sagt Schulze. Das Programm habe gezeigt, „wie selbstverständlich und selbstbewusst Chemnitz Gastgeberin Europas sein kann“. Nachbarinnen und Nachbarn hätten gemeinsam neue Orte geschaffen und ein ganz eigenes „Wir“ entwickelt. Das habe ihn sehr bewegt. Ein starkes Zeichen seien auch die rund 1.300 Freiwilligen aller Altersgruppen gewesen.

Chemnitz sei deutschland- und europaweit als kreativer, freundlicher und moderner Ort wahrgenommen worden. „Diese Mischung aus Selbstbewusstsein nach innen und neuer Wahrnehmung nach außen ist eine der größten Entwicklungen dieses Jahres“, findet Schulze. Der europäische Geist sei im Alltag spürbar geworden - nicht zuletzt bei Begegnungen mit Gästen und internationalen Kooperationen.

Kritik wurde immer wieder wegen offenbar fehlender Stars und Großevents geäußert. Schulze sagt dazu: „Manche Erwartungen an große Einzelereignisse waren sehr hoch und hätten den eigentlichen Ansatz eines dezentralen Kulturjahres fast überlagert.“ Es habe sich jedoch gezeigt: „Die Stärke lag nicht im Spektakel, sondern in der nachhaltigen Wirkung in den Stadtteilen und Projekten.“

Kunstausstellungen besonders erfolgreich

Äußerst erfolgreich waren die Ausstellungen der Kunstsammlungen Chemnitz. Mehrere zehntausend Gäste zogen unter anderem „European Realities“ und „Edvard Munch. Angst“ an. Generaldirektorin Florence Thurmes sagt: „Chemnitz konnte sein überregionales Image spürbar verbessern.“ Viele Gäste seien zum ersten Mal in der Stadt gewesen. Der Kunst- und Skulpturenweg „Purple Path“ der Kulturhauptstadt 2025 habe zudem die Aufmerksamkeit auf die gesamte Region gelenkt.

Verändertes Selbstbild

Auch die Kirchen in Chemnitz ziehen eine positive Bilanz: Nach Ansicht der Kulturkirchen-Beauftragten Ulrike Lynn hat sich das Selbstbild der Menschen in der Kulturhauptstadtregion positiv verändert. Viele hätten gemerkt, „dass ihr Mitwirken tatsächlich Einfluss auf den Alltag und das gemeinsame Leben hat“. Dies gehöre „zu den wertvollsten Veränderungen“ dieses Jahres.

Kritisch sieht Generaldirektorin Thurmes die Gleichzeitigkeit zahlreicher Formate. Dies habe an einigen Stellen zu Überlagerungen geführt. Nicht alle Vorhaben und Kooperationen hätten die Sichtbarkeit erhalten, die sie inhaltlich verdient hätten, sagt sie.

Jedoch habe sich die Haltung vieler Einheimischer positiv verändert: „Wer 2024 noch eher skeptisch auf das Kulturhauptstadtjahr blickte, zeigt sich heute offen und oft sogar begeistert davon, welche verbindende Kraft Kultur entfalten kann.“ Das Verlangen nach Kunst und Kultur sei sehr groß.

Von Katharina Rögner (epd)


Sarkophage kehren zurück in den Berliner Dom




Die 91 Sarkophage stehen wieder in der Hohenzollerngruft.
epd-bild/Christian Ditsch
Mit der Rücküberführung der 91 Hohenzollern-Särge befinden sich die Sanierungsarbeiten im Berliner Dom auf der Zielgeraden. Die Gruft soll fast auf den Tag genau sechs Jahre nach ihrer Schließung wiedereröffnet werden.

Berlin (epd). Nach fast sechs Jahren Sanierungsarbeiten an der Hohenzollerngruft sind alle 91 Sarkophage wieder in die Grablege im Berliner Dom zurückgekehrt. Der mehrere Tonnen schwere Sarg des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) aus schlesischem Marmor wurde am 26. November als erstes enthüllt. Die Rückführung der Särge aus ihrer Interimsstätte, einem Kunstdepot in Pankow, habe sechs Wochen gedauert.

Dompredigerin Christiane Münker sagte, mit dem neuen Gräberfeld gehe eine veränderte Raumführung einher. Die Sarkophage seien chronologischer angeordnet: „So gut sortiert wie jetzt waren sie wahrscheinlich noch nie.“ Familiäre Zusammenhänge könnten besser wahrgenommen werden.

Arbeiter mussten improvisieren

Die Sarkophage hätten äußerst vorsichtig ab- und wieder aufgebaut werden müssen, erklärte Restaurator Thomas Lucker. Da man in der 1.500 Quadratmeter großen Gruft keine Kräne benutzen konnte, hätten die Arbeiter zum Teil „Techniken wie die Ägypter“ verwendet und die Särge etwa auf Walzen aus der Gruft geschafft. Aufgrund des großen Aufwands sei sogar überlegt worden, die Sarkophage während der Arbeiten in der Grabstätte zu lassen.

Der Sarg des Großen Kurfürsten setzt sich aus zwei Marmorblöcken zusammen, dem Corpus und Sockel sowie dem Deckel. Er ist 2,87 Meter lang, 1,62 Meter breit, 1,28 Meter hoch. Viele der Sarkophage sind kleiner und aus leichteren Materialien. Unter anderem befinden sich in der Grablege Holzsärge und Sarkophage mit Stoffbespannung. Die letzte Bestattung in der Gruft war die der „namenlosen Prinzessin“ zu Zeiten der Weimarer Republik.

Deutlich teurer als geplant

Bei der Sanierung wurden unter anderem ein barrierefreier Zugang und neue Sanitäreinlagen eingebaut. Darüber hinaus erhielt die Grablege eine neue Klimatisierung, um die Särge langfristig zu erhalten. Auch sei in einigen Bereichen eine Fußbodenheizung eingebaut worden. Ein neues Sargsicherungssystem löse mittels einer lasergestützten Überwachung Alarm bei den Pförtnern aus, sollten Besuchende zu nah herantreten.

Die Bauarbeiten seien noch nicht abgeschlossen. Mit rund 29 Millionen Euro werde die Sanierung deutlich teurer als geplant, ursprünglich wurden die Kosten auf 17,3 Millionen Euro geschätzt. Der Eigenanteil des Berliner Doms liege bei rund 9,3 Millionen Euro. Weitere Gelder in Millionenhöhe stellten der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und das Land Berlin bereit.

Wiedereröffnung im Frühjahr 2026

Die Hohenzollerngruft soll am 28. Februar mit einem kostenlosen „Tag der offenen Tür“ wiedereröffnet werden. Am 1. März werde bei einem Festgottesdienst mit Gästen aus Kultur, Politik, Kirche und Gesellschaft gefeiert.

Im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Schließung, besuchten den Angaben zufolge rund 765.000 Menschen den Berliner Dom und die damit verbundene Gruft. Die Hohenzollerngruft in der 1993 wiederaufgebauten evangelischen Kirche war seit 1999 öffentlich zugänglich. Seit dem 1. März 2020 war die Grablege geschlossen.

Von Jonas Grimm (epd)


Als die "Lindenstraße" die Nation vor dem Fernseher versammelte




Marie-Luise Marjan (alias Mutter Beimer) mit Kulissen und Requisiten aus der "Lindenstraße" im Haus der Geschichte in Bonn.
epd-bild/Meike Böschemeyer
Melodramatisch und gesellschaftspolitisch: Vor 40 Jahren, am 8. Dezember 1985, ging die ARD-Serie "Lindenstraße" auf Sendung. Sie lief von 1985 bis 2020. Mit ihr begann in Deutschland ein neues Fernsehkapitel.

Frankfurt a. M. (epd). Zwei Hände wühlen in einem weißen Schuhkarton. Ein älterer Mann fischt einen Schlüssel hervor: „So, da wär er, Herr Kronbinder.“ „Kronmayr!“, korrigiert der Angesprochene. „Entschuldigung“, sagt der Mann im grauen Kittel. „Kronmayr“, wiederholt der falsch Benannte. „Kling ist mein Name“, stellt sich der Ältere vor. Kling, Egon Kling, das ist der Hausmeister.

Mit dieser Schlüsselszene beginnt am 8. Dezember 1985 in der Bundesrepublik ein neues Fernsehkapitel. Es ist die erste gespielte Szene der „Lindenstraße“. Die wöchentliche Serie lief fast 35 Jahre lang jeden Sonntag am frühen Abend im Ersten Programm der ARD und gehörte bald zu vielen deutschen Familienhaushalten wie die Kirche zum Dorf.

Seifenoper und Fernsehmagazin

Vorbild war die britische Dauerserie „Coronation Street“ vom Privatsender ITV. Nun hatte sich Hans W. Geißendörfer, 1979 für den Oscar nominierter Autorenfilmer und renommierter Vertreter des Neuen Deutschen Films, aufgemacht, auch in Deutschland eine solche Serie zu etablieren. Sie sollte gefühlsselig sein wie eine Seifenoper und gesellschaftspolitisch relevant wie ein Fernsehmagazin. Was klingt wie die Quadratur des Kreises, gelang. In den 80er und 90er Jahren sahen im Schnitt um die zehn Millionen Zuschauer die Folgen.

Der Medienwissenschaftler Dietrich Leder, von 1994 bis 2021 an der Kölner Kunsthochschule für Medien Professor für Fernsehkultur, nennt zwei Gründe für den Erfolg der Serie: „Zum einen verknüpfte die 'Lindenstraße', für das deutsche Fernsehen ungewöhnlich, klassische Elemente des Melodramas - Liebe, Familie, Betrug, Enttäuschung und Hoffnung - mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. Zum anderen lief sie auf einem für Serien ungewöhnlichen Sendeplatz am frühen Sonntagabend, zu dem die Familien damals gemeinsam fernsahen.“

Am Puls des Publikums

Was war nicht alles Thema in dieser Serie über Sein und Zeit des deutschen Alltags: Umweltaktivismus, Datenschutz, Schwulenkuss, Homo-Ehe, Aids, Sexismus, Bulimie, Altnazis, Neonazis, unkeusche katholische Priester, Konfuzianismus, psychische Krankheiten, Inklusion von Menschen mit Behinderung, Drogen, Kommentierung von politischen Ereignissen, aktuelle Einbeziehung von Bundestagswahlergebnissen.

„Die Serie“, erklärt Dietrich Leder, „spiegelte die Liberalisierung der deutschen Gesellschaft in den 1980er Jahren, was die Sexualität, das Zusammenleben, den Umgang miteinander betrifft, und sie war zugleich selbst Teil dieser Liberalisierung. Das lag auch an einer gewissen pädagogischen Absicht des Erfinders und Produzenten Hans W. Geißendörfer.“

Die „Lindenstraße“ war nah dran am Puls des Publikums und entwickelte ein hohes Identifikationspotential. Die Menschen unterhielten sich über Freud und Leid der „Lindenstraßen“-Bewohner, nicht selten wurden die fiktionalen Figuren wie reale Menschen wahrgenommen. Die Schauspielerin Marie-Luise Marjan wurde als „Mutter Beimer“ zu einem der größten Stars des Ensembles. Als ihre Serien-Nebenbuhlerin Anna Ziegler ihr den Gatten „Hansemann“ ausspannte, wurde deswegen die Schauspielerin Irene Fischer, die die Anna verkörperte, im realen Leben schon mal auf der Straße beschimpft.

Harry Rowohlt als Obdachloser

Marianne Rogée war in der „Lindenstraße“ Isolde Pavarotti, sie war in der Serie mit einem Italiener verheiratet und so bekam sie im wahren Leben „im Sommer oft von Italienern ein Eis ausgegeben“. So erzählte sie es im November 1991 auf einer „Lindenstraßen“-Tagung, die das Grimme-Institut in Marl eigens zu dem besonderen Fernsehphänomen veranstaltete. Martin Rickelt wiederum spielte in der „Lindenstraße“ den alten Nationalisten „Onkel Franz“, was dazu führte, dass ihm „unaufgefordert und mit kameradschaftlichen Grüßen die 'National-Zeitung' ins Haus geschickt“ wurde, wie er auf der Marler Tagung berichtete.

Auch Til Schweiger spielte von 1990 bis 1992 in 145 Folgen der „Lindenstraße“ mit. Und zum 20. Sendejubiläum buchte in einem Gastauftritt der US-Schauspieler Larry Hagman in seiner Rolle als J.R. Ewing im Reisebüro von Helga Beimer ein Flugticket zurück nach Dallas. Handlungsort der „Lindenstraße“ war übrigens München, produziert wurde die Serie aber in Köln-Bocklemünd vom WDR.

Ab Februar 1995 bis zu seinem Tod 2015 agierte die Übersetzer-Ikone Harry Rowohlt in der „Lindenstraße“. In Kurzauftritten als Obdachloser Harry Rennep - bitte den Namen einmal rückwärts lesen - sorgte er für kommentierende Bonmots („Essen wird allgemein überschätzt“).

Am Ende sanken die Einschaltquoten

Doch langfristig hielt der Erfolg der Serie nicht an. Die Entwicklungen im Fernsehen wie auch die gesellschaftspolitischen Umbrüche führten dazu, dass der pädagogische Kurs der „Lindenstraße“, so Dietrich Leder, „irgendwann in den 2000er Jahren antiquiert wirkte“.

Die Einschaltquoten sanken stark, lagen am Ende bei um die zwei Millionen Zuschauern. Das war der ARD zu wenig. Sie wollte die Serie nicht mehr finanzieren und stellte die Produktion nach gut 34 Jahren ohne große Not ein. Die 1.758ste und letzte „Lindenstraßen“-Folge lief am 29. März 2020. Immerhin wurde das Ende der Serie an diesem Tag in der Hauptausgabe der ARD-„Tagesschau“ vermeldet. Die „Coronation Street“ gibt es immer noch, seit dem 9. Dezember 1960.

Von Dieter Anschlag (epd)


ARD startet neue "Tagesschau"-App mit weniger Text




Smartphone mit Nachrichten auf der "Tagesschau"-App (2024)
epd-bild/Heike Lyding
Die ARD setzt den Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um. Ab sofort will sie weniger Text in ihren Online-Angeboten unterbringen, bis 2027 fallen 16 Radiosender weg. Auch die TV-Spartenkanäle von ARD und ZDF werden reduziert.

Frankfurt a.M. (epd). Die ARD startet am 1. Dezember eine neue Version der „Tagesschau“-App, die deutlich stärker auf audiovisuelle Elemente und weniger auf Text setzt. Hintergrund sind Vorgaben des Reformstaatsvertrags für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wie der ARD-Vorsitzende Florian Hager am 28. November in einem digitalen Pressegespräch erläuterte. Die Staatsvertragsnovelle, die am 1. Dezember in Kraft tritt, verschärft das Verbot der sogenannten Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Internetangebote.

Neben einer stärkeren Crossmedialität werde es auf den ARD-Webseiten auch mehr Verlinkungen auf die Online-Angebote privater Medien geben, kündigte Hager an. Der neue Staatsvertrag konkretisiert, welche Texte künftig neben dem Schwerpunkt Bild und Ton noch zulässig sind. Dazu zählen „Sendungstranskripte, Zusammenfassungen der wesentlichen Inhalte einer Sendung sowie solche, die der nachträglichen Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten, nicht länger als vier Wochen zurückliegenden Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen“.

Reichweitenverlust befürchtet

Die Neuregelung werde von der ARD akzeptiert, sagte Hager. Sie werde aber auch zu einem Tempo- und Reichweitenverlust führen, zudem werde die Sichtbarkeit der ARD-Angebote in Suchmaschinen zurückgehen. Insbesondere die Zeitungsverleger hatten wiederholt eine Verschärfung des Verbots der Presseähnlichkeit gefordert.

Die Intendantinnen und Intendanten der ARD gaben nach ihrer mehrtägigen Sitzung in München auch einen Überblick über die Radiowellen, die im Zuge des Reformstaatsvertrags wegfallen sollen. Neben dem Programm Puls für junge Zuhörer trifft es beim Bayerischen Rundfunk (BR) die terrestrisch verbreiteten Radioangebote Verkehr, Schlager und BR24live. Beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) entfallen Schlager, Blue und Info Spezial, beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) die Wellen Klassik, Tweens und Schlagerwelt. Beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) stehen die Radiosender Event und Die Maus auf der Streichliste.

Darüber hinaus sollen die jungen Programme und die Infoprogramme im Südwesten über die bereits bestehenden Sendestrecken hinaus kooperieren. Der Hessische Rundfunk (HR), der Südwestrundfunk (SWR) und der Saarländische Rundfunk (SR) erarbeiteten dazu Konzepte, hieß es. Die Staatsvertragsnovelle schreibt vor, dass die ARD bis 2027 von den aktuell 69 terrestrisch verbreiteten Radiowellen nur noch 53 unterhalten darf. Kooperationsprogramme werden dabei nur noch als halbe Programme der jeweiligen Anstalten gezählt.

„Konstruktive Gespräche“ mit dem ZDF

Außerdem sollen ARD und ZDF die Zahl ihrer TV-Spartensender reduzieren. Der Reformstaatsvertrag sieht unter anderem eine engere Zusammenarbeit der Kultursender 3sat und Arte vor, daneben sollen von den vier Sendern Tagesschau24, Phoenix, ARD-alpha und ZDFinfo durch Bündelung nur noch zwei übrigbleiben. ARD und ZDF seien hierzu „in konstruktiven Gesprächen über ein gemeinsames Konzept“, hieß es.

Der ARD-Vorsitzende Hager bezeichnete die Frage der TV-Spartenkanäle als „komplexes Problem“. Es sei schon schwer, die ARD zu einen, nun müsse auch noch gemeinsam mit dem ZDF eine Lösung gefunden werden. Eine Entscheidung hierzu werde in der ersten Jahreshälfte 2026 fallen, damit die Änderungen wie vom Gesetzgeber gefordert zum 1. Januar 2027 in Kraft treten könnten.

Mit Blick auf den Kinderkanal (Kika) von ARD und ZDF verwies Hager darauf, dass dieser TV-Sender noch bis 2033 als lineares Angebot beauftragt sei. Gerüchte, wonach ein schnelles lineares Aus drohe, seien falsch. „Aber auch wenn Petitionen geschrieben werden: Die lineare Nutzung des Kika geht zurück“, fügte der ARD-Vorsitzende hinzu.

Von Michael Ridder (epd)


MDR-Produktion: "Auf Fritzis Spuren" erhält Internationalen Emmy



Die Internationalen Emmys gelten als die wichtigste Auszeichnung für nicht-amerikanische TV-Produktionen. Einer der 16 Preise geht in diesem Jahr nach Deutschland.

New York (epd). Internationaler Emmy für eine deutsche Produktion: Die International Academy of Television Arts & Sciences hat die unter Federführung des MDR gemeinsam mit dem WDR produzierte Animadok-Serie „Auf Fritzis Spuren - Wie war das so in der DDR?“ in der Kategorie Kids: Factual & Entertainment ausgezeichnet. Bei der wichtigsten Auszeichnung für nicht-amerikanische TV-Produktionen am 24. November in New York wurden Preise in 16 Kategorien vergeben.

Zeitreise in die letzten Jahre der DDR

In „Auf Fritzis Spuren - Wie war das so in der DDR?“ begeben sich Julian Janssen und Anna Shirin Habedank mit ihren Trickfilm-Avataren auf eine Zeitreise in die letzten Jahre der DDR. MDR-Intendant Ralf Ludwig erklärte, der Preis zeige „einmal mehr das enorme Potenzial an spannenden gesellschaftsrelevanten Geschichten, die unsere Region bereithält und mit denen wir ein großes Publikum begeistern können“. Regisseur Ralf Kukula stelle klar, dass er die Serie nicht als nostalgische Rückschau, sondern als ein Angebot für junge Menschen sehe, die DDR und die Zeit der Umbrüche wirklich zu begreifen - „mit allen Widersprüchen, Ängsten und Hoffnungen“.

Die 15 weiteren Emmy-Awards gingen an: Ryuichi Sakamoto: „Last Days“ (Kunstprogramm), Oriol Pla (Bester Hauptdarsteller), Anna Maxwell Martin (Beste Hauptdarstellerin), „Ludwig“ (Comedy), „Dispatches: Kill Zone: Inside Gaza“ (Aktuelles), „Hell Jumper“ (Dokumentation), „Rivals“ (Drama), „Bluey“ (Kinder: Animation), „Fallen“ (Kinder: Live-Action), „Gaza, Search For Life“ (Nachrichten), „Shaolin Heroes: Denmark“ (Nicht-skriptbasierte Unterhaltung), „La Médiatrice“ (Kurzserie), „It’s All Over: The Kiss That Changed Spanish Football“ (Sportdokumentation), „Deha“ (Telenovela), „Lost Boys & Fairies“ (TV-Film/Mini-Seroe).



Filme der Woche



Teresa - Ein Leben zwischen Licht und Schatten

Das minimalistische, auf sieben Tage im Jahr 1948 konzentrierte und teilweise fiktionalisierte Drama fühlt sich in den Charakter der charismatischen Heiligen ein. Teresa ist zu diesem Zeitpunkt Oberin eines Ordens in Kolkata, doch sie will ihrer Berufung folgen und sich ganz den Armen widmen. Als die päpstliche Erlaubnis dafür greifbar nah ist, wird sie mit einem Dilemma konfrontiert: Ihre mögliche Nachfolgerin Schwester Agnes gesteht, schwanger zu sein, wodurch Teresa mit den eigenen Sehnsüchten und Zweifeln konfrontiert und im Glauben an ihre eigene Rechtschaffenheit erschüttert wird. Noomi Rapace in der Hauptrolle ist furchterregend in ihrer Energie und unterdrückten Wut, der Punkrock-Soundtrack als kreativer Stilbruch verweist auf ihre innere Erschütterung. Wie kann Teresa, so mitfühlend bei unbekannten Armen, Agnes gegenüber so gnadenlos sein? Wie viel Eitelkeit steckt in ihrer Mission? Das dichte Porträt weist auf anregende Weise über die Persönlichkeit der Heiligen hinaus.

Teresa - Ein Leben zwischen Licht und Schatten (Belgien/Dänemark/Nordmazedonien/Schweden 2025). Regie: Teona Strugar Mitevska. Buch: Teona Strugar Mitevska, Goce Smilevski, Elma Tataragic. Mit: Noomi Rapace, Sylvia Hoeks, Nikola Ristanovski, Ekin Çorapçi. Länge: 103 Min.

Sentimental Value

Die Villa, in der Familie Borg seit Generationen lebt, wird zu einem Minenfeld, als Gustav Borg (Stellan Skarsgård) nach dem Tod seiner Frau plötzlich in das Leben seiner Töchter Nora (Renate Reinsve) und Agnes (Inga Ibsdotter Lilleaas) zurückkehrt. Besonders Nora hat ihm nie verziehen, dass er die Familie verließ. Gustav war einst ein berühmter Regisseur, hat aber lange keinen Spielfilm mehr realisiert. Jetzt will er sein Drehbuch über den Selbstmord seiner Mutter am Realschauplatz verfilmen, mit der gefeierten Bühnendarstellerin Nora in der Hauptrolle, die das brüsk ablehnt. Gustav engagiert daher einen Hollywoodstar (Elle Fanning), was nicht funktionieren will, so dass Nora doch noch einwilligt. Die Heimkehr in konfliktreiche Familienverhältnisse und das Spiel mit Film-im-Film-Irritationen könnte aus dem Handbuch des europäischen Autorenkinos stammen, dient hier aber als Sprungbrett einer Erzählfreude, die Vertrautes souverän neu sortiert und Triers Virtuosität in leisen Tönen offenbart.

Sentimental Value (Norwegen/Dänemark/Schweden/Deutschland/Frankreich 2025). Regie: Joachim Trier. Buch: Joachim Trier, Eskil Vogt. Mit: Renate Reinsve, Inga Ibsdotter Lilleaas, Stellan Skarsgård, Elle Fanning. Länge: 133 Min.

Der geheimnisvolle Blick des Flamingos

In einem Bergarbeiterdorf in der nordchilenischen Atacama-Wüster Anfang der 1980er sind Trans-Frau Flamingo (Matías Catalán) und ihre queere Gemeinschaft die Außenseiter. Dort kursiert das Gerücht einer tödlichen Krankheit, die Männer trifft, die sich lieben, und die sich auch durch die Blicke homosexueller Männer und Trans-Frauen überträgt. Als Flamingo ermordet wird, will sich ihre elfjährige Ziehtochter Lidia (Tamara Cortés) rächen; aus ihrer Perspektive wird die Geschichte erzählt. Das Gespenst von Aids schwebt hier als Mythos über den Figuren, ohne je beim Namen genannt zu werden. Regisseur Diego Céspedes übersetzt das historische Trauma in ein queeres Märchen zwischen Coming-of-Age, Western-Mythos und Sozialdrama. In Cannes mit dem Großen Preis der Sektion Un Certain Regard ausgezeichnet, gelingt ihm ein Debüt voller Sinnlichkeit, Ambivalenz und Hoffnung, das queeres Begehren nicht als Leidensgeschichte, sondern als Form der Imagination und des kämpferischen Mitgefühls erzählt.

Der geheimnisvolle Blick des Flamingos (Chile/Frankreich/Deutschland/Spanien/Belgien 2025). Regie und Buch: Diego Céspedes. Mit: Tamara Cortés, Matías Catalán, Paula Dinamarca, Claudia Cabezas, Luis Dubbó. Länge: 104 Min.

Eternity

Eben war der betagte Larry noch mit seiner Frau bei einem Familienfest, im nächsten Moment sitzt er als junger Mann in einem Zug und fragt sich, wie er dahingekommen ist. Er ist gestorben und auf dem Weg ins Jenseits, denn hier tritt man die letzte Reise in dem Alter an, in dem man am glücklichsten war, und muss sich für eine Ewigkeit ohne Widerrufsrecht entscheiden. Der Limbo präsentiert sich in diesem Film als Reisemessezentrum, in dem Anbieter um Kunden werben: Eine männerfreie Welt, ein kulinarisches Schlaraffenland, Strandurlaub oder für immer die Weimarer Republik, nur 100 Prozent nazifrei? Larry bereitet alles für die Ankunft seiner krebskranken Frau vor, doch dann kommt ihr erster Ehemann dazwischen, der im Koreakrieg fiel und sie seitdem sehnlichst erwartet. Sie muss sich vor Ort zwischen dem Prickeln einer unerfüllten Liebe und der Vertrautheit eines langen gemeinsamen Lebens entscheiden. Eine RomCom mit etwas umständlichen Wendungen, aber einer Fülle gewitzter Ideen.

Eternity (USA 2025). Regie: David Freyne. Buch: Pat Cunnane, David Freyne. Mit: Miles Teller, Elizabeth Olsen, Callum Turner, Da’Vine Joy Randolph. Länge: 112 Min.

www.epd-film.de




Entwicklung

Kampf gegen Aids: "Man muss dranbleiben"




Simeon Otieno im Slum von Nairobi
epd-bild/Birte Mensing
Der Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids zeigt lebensrettende Erfolge, aber er ist noch lange nicht gewonnen. Zu Besuch in einer Klinik im kenianischen Slum Kibera.

Nairobi (epd). Immer morgens um sechs nimmt Nicholas seine Tablette. Sie hält die Krankheit des 16-Jährigen im Griff. Nicholas, der eigentlich anders heißt, ist HIV-positiv. Dank der Medikamente kann der junge Kenianer aber sein Leben leben.

Das ist für den Jugendlichen aus dem Slum Kibera in der kenianischen Hauptstadt Nairobi nicht einfach. Das Geld ist knapp zu Hause, das Essen auch. Seine Sorgen trägt Nicholas heute zu Simeon Otieno. Der 26-Jährige hilft im Tabitha Medical Center in Kibera aus und begleitet HIV-positive junge Menschen wie Nicholas.

Begleitung für Jugendliche wichtig

Joy Barnice, Leiterin der Tabitha Gesundheitsklinik, betont, wie wichtig Unterstützung und Begleitung besonders für Jugendliche sind. Mit der Pubertät und ersten Beziehungen starte ein neuer Prozess der Auseinandersetzung mit der Infektion, erklärt sie. Man müsse in Beziehungen darüber reden - und damit rechnen, weggestoßen zu werden. Simeon Otieno, selbst HIV-infiziert und als Aids-Waise aufgewachsen, weiß, wie das ist: Auch er hat solche Zurückweisungen mehrmals erlebt, hat zwischendurch die Medikamente nicht genommen, weil er die Krankheit verdrängen wollte.

In Kenia mit seinen rund 60 Millionen Einwohnern sind nach offiziellen Zahlen gut 1,3 Millionen Menschen HIV-positiv, im vergangenen Jahr kamen knapp 20.000 dazu. Etwa zwei Drittel sind Frauen. Die HIV-Prävalenz, die die Infektionen bei 15- bis 49-Jährigen angibt, liegt bei drei Prozent - Mitte der 1990er Jahre waren es mehr als zehn Prozent. In den Slums ist die Rate jedoch noch immer sehr viel höher als im Rest des Landes. 21.000 Todesfälle im Zusammenhang mit HIV wurden 2024 verzeichnet.

Weltweit sind rund 40 Millionen Menschen infiziert. 2024 starben etwa 600.000 an den Folgen von Aids.

Medikamente als Rettungsleine

1981 wurde Aids erstmals als Krankheit beschrieben. Der Erreger war noch unbekannt. Während eine HIV-Infektion damals praktisch einem Todesurteil glich, hat sich seit Ende der 1990er Jahre eine Kombination von mehreren Wirkstoffen als wirksame Behandlung durchgesetzt. Die Mittel, die das Virus im Blut unterdrücken, sind die Rettungsleine für Millionen Infizierte weltweit.

Allerdings ist die Versorgung so gefährdet wie nie seit ihrer Einführung. Finanzielle Kürzungen, vor allem der USA, machen den Programmen zu schaffen. Als Präsident Donald Trump im Januar erklärte, die Hilfsgelder einzustellen, ging eine Schockwelle um die Welt - auch durch Kibera. Nach wenigen Monaten willigte die US-Regierung ein, zumindest die HIV-Programme weiterhin zu unterstützen. Sie will nun ihre Fördermittel zentralisieren und an Regierungen geben, anstatt an Hilfsorganisationen.

Bangen um Nachschub

Die Tabitha Gesundheitsklinik, betrieben von der amerikanischen Hilfsorganisation CFK Africa, musste in diesem Jahr für mehrere Wochen einen Teil ihrer Arbeit einstellen. Es war unklar, ob rechtzeitig Nachschub für die von den USA finanzierten Medikamente kommen würde, die die Klinik von der kenianischen Medikamentenbehörde gestellt bekommt.

Ganz wichtig aber bleiben Aufklärung und Begleitung, wie die Klinikleitung betont. Und um zu erreichen, dass sich künftig niemand mehr mit HIV infiziert, spielten gerade Ehrenamtliche wie Simeon Otieno eine wichtige Rolle, sagt Joy Bernice. Sie helfen beim Durchhalten in der Medikamenten-Therapie. Es gebe einen Ermüdungseffekt, „man muss dranbleiben“, betont Bernice.

Hausbesuche drücken Infektionsrate

Zusätzlich zu den Gesprächspartnerinnen und -partnern in der Klinik gibt es Teams von Ehrenamtlichen, die Hausbesuche machen. Die Übertragung des Virus von HIV-positiven Müttern auf ihre Kinder ist dadurch im Einzugsbereich der Klinik auf null gesunken. Landesweit liegt die Übertragungsrate von Mutter zu Kind in Kenia bei neun Prozent.

Nach dem Schock aus Washington gab es in diesem Jahr auch gute Nachrichten im Kampf gegen das HI-Virus: Mit Lenacapavir ist erstmals eine Langzeitprävention auf dem Markt, die alle sechs Monate aufgefrischt werden muss. Noch sind die Dosen teuer, und doch macht die neue Entwicklung Hoffnung, dass Aids eines Tages der Vergangenheit angehören könnte.

epd video: Kenias Kampf gegen Aids

Von Birte Mensing (epd)


Militärputsche in West- und Zentralafrika



Mit Guinea-Bissau droht einem weiteren Land in West- und Zentralafrika eine Militärregierung. In der Region gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Putsche.

Frankfurt a.M. (epd). Mali, Burkina Faso, Gabun und nun Guinea-Bissau. In mehreren Ländern West- und Zentralafrikas haben Militärs die Macht übernommen. Versprechen, zur Demokratie zurückzukehren, wurden mehrfach gebrochen. Ein Überblick über die jüngsten Militärputsche in der Region:

Mali

Der Sahel-Staat Mali wird seit zwei aufeinanderfolgenden Putschen 2020 und 2021 von Militärs regiert. Der als Staatschef eingesetzte Oberst und Anführer der Putschisten, Assimi Goïta, ließ Fristen für eine Rückkehr zur Demokratie mehrfach verstreichen.

Die Beziehungen zu ehemaligen westlichen Verbündeten verschlechterten sich deutlich, insbesondere zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Stattdessen suchen die Machthaber die Nähe zu Russland. Ende 2023 zog die UN-Friedensmission Minusma wegen zunehmender Konflikte mit der Militärjunta aus Mali ab. Auch die Bundeswehr war an dem Einsatz beteiligt.

Seit Jahren schwelt in Mali ein Konflikt mit bewaffneten Gruppen und islamistischen Terroristen. Zuletzt setzten Islamisten die Regierung in der Hauptstadt Bamako mit der Blockade von Treibstofflieferungen unter Druck.

Tschad

In dem zentralafrikanischen Land übernahm ein Militärrat nach dem Tod des Langzeitpräsidenten Idriss Déby im April 2021 die Macht. Als Staatschef wurde Mahamat Déby, der Sohn von Idriss Déby eingesetzt. Im Mai 2024 ließ er sich in Wahlen bestätigen. Die Ergebnisse wurden von der Opposition angefochten, jedoch ohne Erfolg.

Guinea

Präsident Alpha Condé wurde im September 2021 bei einem Putsch entmachtet. Zuvor hatte es massive Proteste gegeben, weil Condé sich mit einer Verfassungsänderung die Möglichkeit einer dritten Amtszeit gesichert hatte. Seit dem Putsch regiert Junta-Chef Mamadi Doumbouya das westafrikanische Land. Wahlen sind für Ende Dezember angekündigt.

Burkina Faso

In Burkina Faso übernahmen Militärs im Jahr 2022 die Macht und begründeten dies unter anderem mit der sich verschlechternden Sicherheitslage. Seitdem regiert Ibrahim Traoré das Land als Übergangspräsident. Eine Rückkehr zur Demokratie wurde auf das Jahr 2029 verschoben. Auch in Burkina Faso sind dschihadistische Gruppen aktiv.

Niger

Im Juli 2023 wurde der gewählte Präsident Mohamed Bazoum abgesetzt. Der Sahel-Staat wird nun von General Abdourahamane Tiani regiert. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte im März eine Verschlechterung der Menschenrechtslage seit der Machtübernahme der Militärs.

Auch die Bundeswehr war im Niger im Einsatz. Ein Lufttransportstützpunkt in der Hauptstadt Niamey wurde vergangenes Jahr aufgegeben. Er diente vor allem zur Versorgung der Bundeswehrsoldaten in Mali. Ebenso wie in Mali und Burkina Faso operieren in dem Sahel-Staat islamistische Gruppierungen.

Gabun

Im August 2023 wurde in Gabun in einer weiteren ehemaligen französischen Kolonie die zivile Regierung gestürzt. Präsident Ali Bongo wurde abgesetzt und General Brice Oligui Nguema erklärte sich zunächst zum Übergangspräsidenten des zentralafrikanischen Landes. Diesen April wurde er dann bei Wahlen im Amt bestätigt.

Guinea-Bissau

Nur drei Tage nach der Präsidentschaftswahl haben am Mittwoch Militärs in Guinea-Bissau nach eigenen Angaben die Macht übernommen. Der amtierende Präsident Umaro Sissoco Embaló hatte der Zeitung „Jeune Afrique“ zuvor von seiner Festnahme berichtet.



Vereinte Nationen: Armut in Lateinamerika auf Rekordtief



Die Armutsrate in Lateinamerika liegt so niedrig wie nie. Dennoch lebt jeder Vierte in Armut. Zudem ist die Ungleichheit den UN zufolge anhaltend groß.

Berlin, Santiago der Chile (epd). Die Armutsrate in Lateinamerika und der Karibik ist auf ein Rekordtief gesunken. 2024 lebte in der Region jede vierte Person in Armut, so wenig wie noch nie seit Beginn der Zählungen, teilte die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Cepal) am 26. November in Santiago de Chile mit. Im Vergleich zu 2023 sank die Armutsrate demnach um 2,2 Prozentpunkte und lag bei 25,5 Prozent der Bevölkerung.

Gleichzeitig warnte die Organisation vor einer anhaltend großen Ungleichheit. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung haben demnach im vergangenen Jahr 34,2 Prozent der Gesamteinkommen eingenommen, das ärmste Zehntel hingegen habe lediglich 1,7 Prozent der Einkommen generiert.

Grund für die geringere Armut ist der Cepal zufolge vor allem die Entwicklung in den bevölkerungsreichen Ländern Mexiko und Brasilien. Dort seien in den vergangenen Jahren erfolgreiche Programme zur Armutsbekämpfung angelaufen. Auch die Ungleichheit sei zwar zurückgegangen, erklärte die Organisation. Sie sei allerdings weiter doppelt so groß wie in den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und stelle ein erhebliches Problem für soziale Mobilität dar.

Investitionen in Bildung und Sozialversorgung nötig

Um Armut und Ungleichheit weiter zu reduzieren, rief die Cepal die Staaten der Region dazu auf, in Bildung zu investieren. Kindergärten und Schulen müssten ausgebaut, der allgemeine Zugang zu weiterführenden Schulen garantiert und Schulabbruch vermieden werden, so die Experten. Zudem müssten die technischen Kapazitäten und finanzielle Ausstattung von sozialen Institutionen gestärkt und auf lange Zeit garantiert werden.

Lateinamerika und die Karibik ist nach Afrika südlich der Sahara die Region mit der größten Ungleichheit der Welt. Fehlende Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg und Armut sind Hauptprobleme der Bevölkerung. Regelmäßig kommt es daher zu massiven Protesten in einzelnen Ländern der Region.




Termine

3.12. Evangelische Akademie im Rheinland

Online Christen, Fundamentalisten und Fanatiker. Zur Wahrheitsorientierung der Christen in der Demokratie Ist das Insistieren auf Wahrheit in einer freiheitlichen Demokratie ein Indiz für Intoleranz, Fundamentalismus und Fanatismus? In Demokratien werden politische Entscheidungen nicht im Rekurs auf Wahrheit, sondern durch Mehrheiten entschieden. Was bedeutet das für Christen, die für die Wahrheit des Glaubens einzutreten haben, weil es keine Freiheit des Glaubens gibt, die nicht in dessen Wahrheit gründete? Lässt sich die Wahrheitsorientierung des Christentums mit den Prinzipien der Demokratie vereinbaren?

5.12. Evangelische Akademie der Pfalz

Online „Welt in Unordnung - Gerechter Friede im Blick“ Eine kurze Einführung in die Friedensdenkschrift der EKD Die neue Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland will Orientierung geben und Hoffnung stiften. Wird sie diesem Anspruch gerecht? Mit Prof. Dr. Sarah Jäger, Juniorprofessorin für Systematische Theologie und Ethik. Sie war Mitglied des Redaktionsteams der Denkschrift.

8.12. Evangelische Akademie Bad Boll

Online Der Einzelfall zählt - die verschärfte Asyl- und Migrationspolitik der Bundesregierung und ihre Folgen Die Bundesregierung hat eine Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik als eines ihrer wichtigsten Ziele erklärt. Auf europäischer Ebene zielt das Gemeinsame Europäische Asylsystem (Geas) auf stärkere Kontrollen und Einschränkungen der Migration. Dies bedeutet in der Praxis: Geflüchtete werden abgeschoben und zurückgewiesen, Familienzusammenführungen werden ausgesetzt, das Kirchenasyl wird immer wieder in Frage gestellt. Geflüchtete und Migrant:innen werden unter Generalverdacht gestellt. Wie erleben Geflüchtete und Engagierte diese Entwicklungen?