Neuss (epd). Die Überschuldung der Privathaushalte in Deutschland hat einen neuen Tiefstand erreicht. Bundesweit konnten im Oktober 5,56 Millionen Menschen ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen, wie aus dem am 19. November in Neuss vorgestellten Schuldneratlas des Inkassodienstleisters Creditreform hervorgeht. Das sind 94.000 Fälle weniger als im gleichen Monat 2023.
Die Überschuldungsquote - der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland - sank damit geringfügig um 0,06 Prozentpunkte auf 8,09 Prozent. Bereits seit dem Beginn der Corona-Krise 2020 ist die Überschuldung in Deutschland rückläufig - vor allem, weil mehr gespart und weniger ausgegeben wird. Damals galten noch 6,85 Millionen Menschen und damit 9,87 Prozent als überschuldet.
„Verbraucher haben Angst vor der Zukunft“
Die Hauptursachen für diesen anhaltend rückläufigen Trend sieht der Bericht in der ungebrochen schwierigen Wirtschaftslage und den Krisen in der Welt. „Die eigentlich guten Nachrichten haben einen ernsten Hintergrund. Die deutschen Verbraucher haben Angst vor der Zukunft und halten ihr Geld deshalb zusammen“, erläuterte der Leiter der Wirtschaftsforschung bei der Creditreform, Patrick-Ludwig Hantzsch.
Auch wenn die Experten weniger Überschuldungsfälle natürlich positiv sehen, gilt eine generelle Ausgabenzurückhaltung als Problem. Denn der private Konsum falle als „Stabilitätsanker“ weg, wenn Rückgänge im Export nicht durch mehr Nachfrage im Inland ausgeglichen werden, heißt es in dem Bericht. Zudem investierten auch die Unternehmen aus Unsicherheit immer weniger. „Für das laufende und kommende Jahr wird der Verlust von Arbeitsplätzen wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken“, prognostizierte Hantzsch.
Kreditgeschäft für privaten Konsum wächst
Bei den von Überschuldung Betroffenen sind es vor allem Geringverdiener, die aus der Schuldenfalle nicht herauskommen. Ihnen machten insbesondere die hohen Energie- und Lebensmittelpreise zu schaffen, für die sie einen wachsenden Teil ihres Einkommens ausgeben müssen, heißt es in dem Bericht.
Unterdessen nimmt vor allem bei jungen und ausgabefreudigen Menschen die Zahl der Überschuldeten zu. Hier spielen laut Creditreform vor allem Ratenkredite nach dem Modell „jetzt kaufen, später zahlen“ eine große Rolle. Allein in den ersten sechs Monaten 2024 stieg das Neugeschäft mit Krediten für den privaten Konsum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um acht Prozent auf 28,8 Milliarden Euro.
Nach wie vor bleiben laut den Angaben aber vor allem alleinerziehende Frauen überdurchschnittlich von Überschuldung betroffen. Generell sind altersunabhängig jedoch Männer stärker gefährdet als Frauen. Zu den Hauptursachen für eine Überschuldung zählen neben einem längerfristig niedrigen Einkommen Arbeitslosigkeit, Sucht, Erkrankung, Folgen eines Unfalls sowie Trennung oder Scheidung.