Genf (epd). Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I., hat den „Westen“ und das Militärbündnis Nato für die Ursachen des Krieges in der Ukraine verantwortlich gemacht. Der tragische Konflikt sei Teil einer „großangelegten geopolitischen Strategie“ zur Schwächung Russlands, schreibt der Moskauer Patriarch in einem Brief, wie der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Genf am 11. März dem Evangelischen Pressedienst bestätigte.

Westliche Kräfte hätten nach dem Ende des Kalten Krieges vor mehr als 30 Jahren Russland zu ihrem „Feind“ erkoren und seien immer näher an die Grenzen seines Heimatlandes gerückt, erklärte der Patriarch in seinem Antwortbrief an den Weltkirchenrat, dem auch die russisch-orthodoxe Kirche angehört. Der Westen habe im Osten Europas eine Militärpräsenz aufgebaut und die berechtigten Sicherheitssorgen Russlands ignoriert.

Kein Wort zu Putin

Die westlichen Kräfte hätten beschlossen, nicht selbst gegen Russland zu kämpfen. Sie hätten stattdessen versucht, die Brudervölker Russlands und der Ukraine in Feinde zu verwandeln. Die Ukraine sei mit Waffen und Instruktionen zur Kriegsführung überflutet worden. Es sei ein Versuch unternommen worden, die Ukrainer „umzuerziehen“, und gegen Russland aufzustacheln.

Kyrill erwähnt laut der englischen Übersetzung des Briefes aus dem Russischen, die der ÖRK zur Verfügung stellte, den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht. Der geschäftsführende Generalsekretär des ÖRK, Ioan Sauca, hatte Kyrill am 2. März aufgerufen, seine Stimme zu erheben, um den Krieg in der Ukraine zu stoppen.

Kyrill gilt als enger Verbündeter Putins. Der Mainzer Ostkirchenkundler Mihai Grigore sieht in der orthodoxen Kirche prinzipiell eine Kraft, die den Verlauf des von Russland begonnenen Krieges beeinflussen könnte. Patriarch Kyrill sei mehr als eine Marionette Putins, er hätte durchaus Einfluss, wenn er sich klar positionieren würde.

Größte Einzelkirche im ÖRK

Auch die meisten anderen orthodoxen Kirchenoberhäupter in der Welt hätten sich bislang nur sehr zurückhaltend zu der Invasion geäußert. Eine klare proukrainische und proeuropäische Stellungnahme habe es vor allem in Rumänien gegeben. ÖRK-Generalsekretär Sauca gehört der rumänisch-orthodoxen Kirche an.

Putin hatte seiner Armee befohlen, am 24. Februar das Nachbarland Ukraine anzugreifen. Ziel der „Militäroperation“ ist nach russischer Lesart eine „Demilitarisierung“, „Entnazifizierung“ und ein neutraler Status der Ukraine.

Die russisch-orthodoxe Kirche ist die größte Einzelkirche im ÖRK. Dem Dachverband gehören 352 Kirchen aus mehr als 120 Ländern an, die weltweit über 580 Millionen Christinnen und Christen vertreten.