Bensheim (epd). Die Ostkirchen-Expertin Dagmar Heller hat kaum Hoffnung, dass der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. im Ukraine-Russland-Konflikt eine Vermittlerrolle einnehmen wird. Zum einen befinde sich Kyrill wegen seiner Nähe zu Präsident Wladimir Putin in einem Dilemma, sagte die Leiterin des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes im südhessischen Bensheim dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zum anderen sehe das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche den Kampf in der Ukraine auch als „Krieg des Lichts“ gegen die „sündigen Werte“ des Westens.

Diese Äußerung in seiner Sonntagspredigt am vergangenen Sonntag (6. März) weise darauf hin, dass Patriarch Kyrill offenbar in einer Welt lebe, die sich weit von der Realität entfernt hat, so die evangelische Theologin: „Hier hat sich meines Erachtens seine Fixiertheit auf die 'christlichen Werte', die er dem Westen vorwirft mit Füßen zu treten, so sehr verselbständigt, dass er das Wesen dieses Krieges und das Ziel dieses Krieges völlig aus den Augen verloren hat.“ Kyrill meine vor allem den liberalen Umgang mit der Homosexualität in westlichen Kirchen.

Sieht wichtige Rolle für Kirchen nach dem Krieg

In der Ukraine selbst treten die beiden orthodoxen Kirchen Heller zufolge in der Verurteilung des Angriffs und dem Bekenntnis zur Souveränität der Ukraine in seltener Einigkeit auf: „Ob sie aber zu Friedensstiftern werden können, muss sich erst noch zeigen. Vermutlich können sie nicht viel ausrichten, um die Angriffe zu stoppen. Denkbar wäre das nur, wenn Patriarch Kyrill davon zu überzeugen wäre, dass er auf Präsident Putin einwirkt.“ Kyrill war von zahlreichen anderen Kirchenrepräsentanten und Politikern dazu aufgefordert worden, im Ukraine-Russland-Konflikt zu vermitteln.

Die Kirchen in der Ukraine werden nach Hellers Einschätzung „noch eine wichtige Rolle für die Versöhnung nach dem hoffentlich baldigen Ende des Krieges spielen“. Um genauer zu sehen, wie, müsse man jedoch noch abwarten, wie sich die Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats entwickele. „Derzeit haben mehrere Diözesen in der Ukraine aufgehört, Patriarch Kyrill in der Liturgie zu kommemorieren, also zu gedenken“, so Heller: Das bedeute einen ersten Schritt zur Abspaltung: „Das heißt, Kyrill verliert seine Gläubigen in der Ukraine.“