Waldkirchen (epd). Wenn es nach Inge Leirich ginge, wäre ihre Wohnung im bayerischen Waldkirchen schon heute ein „Smart Home“. Ihr Interesse für digitale Assistenzsysteme habe ein simpler Adapter geweckt, der ihr das Ein- und Ausstöpseln von Stromkabel-Steckern erleichtere, erzählt die 72-jährige Witwe. „Seitdem brenne ich für noch mehr Teile, die mir den Alltag sicherer und leichter machen.“

Leirich hofft, dass ihre Wohnung demnächst mit 15 Sensoren ausgestattet wird, die an Türen, Fenster, Waschbecken und Badewanne befestigt sind. An ihrem Arm sitzt dann hoffentlich eine Smart Watch, unter ihrer Matratze liegt eine Matte, die die Schlafqualität misst. Hinzu kommen eine digitale Waage und ein Mini-Rechner, um das Smart Home zu steuern. Die Sensoren melden, wenn Wasserhähne nicht abgedreht sind, erfassen Bewegungen und messen den Gehalt von Gasen aus dem Ofen und der Heizung.

„Gratwanderung“

Leirich hat sich auf das Projekt „DeinHaus4.0“ beworben, für das die Technische Hochschule Deggendorf die Wohnungen von 100 über 65-Jährigen neun Monate lang mit Technik ausstatten will. 4,5 Millionen Euro Förderung gab es dafür vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Ziel der Studie sei es, mehr über die Akzeptanz von technischen Assistenzsystemen durch Senioren zu erfahren, sagte der Projektleiter und Professor für Digitalisierung im Gesundheitswesen, Horst Kunhardt, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wo empfinden die Teilnehmer die Technik als kontrollierend und wo als einen Zugewinn für die eigene Sicherheit? Das ist eine schmale Gratwanderung.“

Nach Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) ist der Großteil der Älteren aufgeschlossen gegenüber Smart-Home-Lösungen. „Das gilt vor allem dann, wenn die entsprechenden Technologien dazu beitragen, die Selbstständigkeit zu erhalten und einen Umzug ins Pflegeheim zu verhindern“, sagt die BAGSO-Expertin für digitale Bildungsangeboten, Janina Stiel. Trotzdem wohnten von 18,5 Millionen über 65-Jährigen nur wenige Tausend in einem Smart Home. Als Hemmschuh für die flächendeckende Verbreitung der Technologie sieht Stiel weniger die mangelnde Akzeptanz der Senioren. Vielmehr fehlten verständliche Informationen zu den Systemen, einfache Bedienoberflächen sowie die Kostenübernahme durch die Kranken- und Pflegeversicherung.

1.500 Euro Nachrüstungskosten

Die Ausstattung im Projekt „DeinHaus4.0“ koste rund 1.500 Euro pro Haushalt, sagt Kunhardt. Was zwar zunächst kostengünstig klinge, sei aber für viele Seniorinnen und Senioren ein hoher Preis. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung von 2016 kommt zu dem Ergebnis, dass die Bereitschaft dafür gering ist - Senioren seien eher gewillt, Geld für Einbruchserkennungs-Funktionen zu zahlen als für Komfortfunktionen.

Wenn ihr das Smart Home gefällt, ist Inge Leirich bereit, für die Technik zu zahlen. „Auch ich werde älter, merke, dass Defizite kommen und frage mich, wie mein Alltag sein wird. Ich glaube, dass Künstliche Intelligenz für mich unumgänglich ist“, sagt sie. Ein Umzug zu ihrem Sohn ins 1,5 Stunden Autofahrt entfernte Regensburg käme für sie nicht mehr infrage. „Ich habe meinem Sohn gesagt, ich bleibe.“