Köln (epd). Mehr als 80 Prominente aus Kunst, Wissenschaft und Politik kritisieren in einer „Kölner Erklärung für eine Politik der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit“ die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union. „Flucht nach Europa darf nicht kriminalisiert werden“, heißt es in der Erklärung, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „die tageszeitung“ (taz) am 23. September veröffentlichten. Initiiert wurde der offene Brief von dem Schweizer Regisseur Milo Rau zusammen mit den Organisationen #LeaveNoOneBehind, Sea-Watch, dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte ECCHR, medico international und der School of Political Hope.

„In Afghanistan kann man in den letzten Wochen im Brennglas sehen, was sich seit Jahren an den europäischen Außengrenzen manifestiert: Für die deutsche Politik zählen bürokratische Prozeduren mehr als Menschenleben“, heißt es in dem offenen Brief. Jahr für Jahr verschlimmere sich die Lage an den EU-Außengrenzen. „Mit allen Mitteln werden Geflüchtete an der Ankunft in Europa gehindert: durch unterlassene Hilfeleistung und das bewusste Ertrinkenlassen, durch illegale Push-Backs, durch Folter und Gewalt“, kritisieren die Unterzeichner. „Jene, die es schaffen, europäischen Boden zu betreten, werden all ihrer Grundrechte beraubt und teilweise jahrelang in Lager gesperrt, Asylanträge werden systematisch und illegal abgelehnt.“

Levit, Berg, Jelinek

„Wenn aber Verbrechen zu Recht, wenn der Tod und menschliches Leid zu politisch kalkulierter Normalität werden, bleiben uns nur zwei Möglichkeiten: die stumme Akzeptanz der neuen Barbarei oder politischer Widerstand“, heißt es in der Erklärung weiter. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen der Pianist Igor Levit, die Autorinnen Sibylle Berg und Elfriede Jelinek sowie der Autor Sasa Stanisic, die Schauspielerinnen Jasna Fritzi Bauer und Pegah Ferydoni, der Comedian Fatih Çevikkollu und die Aktivistin Carola Rackete.

„Wir wollen eine Politik der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit“, sagte der Regisseur Rau dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Warum muss es überhaupt lebensgefährlich sein, nach Europa zu kommen? Es geht darum, ob man weiterhin eine Politik des Todes oder eine der Menschlichkeit will - und das ist eine politische Entscheidung.“

Der offene Brief hängt den Angaben zufolge mit der Fundraising-Kampagne #klageflut zusammen. Diese habe unter anderem zum Ziel, Strategien zu entwickeln „Rechtsstaatlichkeit und gleiches Recht für alle an den EU-Außengrenzen“ wiederherzustellen, hieß es.