Nürnberg (epd). Der Krieg in der Ukraine und die Asylpolitik haben am Samstag weiter für Kontroversen auf dem evangelischen Kirchentag gesorgt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte in Nürnberg die Waffenlieferungen an die Ukraine. Sie dienten dazu, dass sich die Ukraine gegen den russischen Angriff wehren könne. „Das kann und das soll sie ja“, sagte er unter großem Applaus des Publikums. Der Kirchentag geht an diesem Sonntag zu Ende.

Einzelne riefen „Verhandlungen jetzt“ von den Rängen. Scholz entgegnete den Protestrufern, Verhandlungen seien „okay“. Die Frage sei nur, mit wem und worüber. Über „Außenpolitisches Handeln in der Zeitenwende“ wollten am Samstagabend bei dem Protestantentreffen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Altbundespräsident Joachim Gauck diskutieren.

Resolution gegen Verschärfung des Asylrechts

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, sprach sich für einen Waffenstillstand und Verhandlungen im Ukraine-Krieg aus. Der Friedensnobelpreis für die EU verpflichte die Menschen in Europa, gegen Gewalt und Krieg einzustehen, sagte der mitteldeutsche Landesbischof am Samstag auf einer Friedenskundgebung in Nürnberg.

Auch der Umgang mit Flüchtlingen in Europa bestimmte am Samstag die politischen Diskussionen auf dem Kirchentag. Scholz rechtfertigte vor rund 5.000 Menschen in Nürnberg den Kompromiss der EU-Innenminister zur Reform des europäischen Asylsystems. „Es geht um Solidarität“, sagte Scholz. Der Kanzler erhielt auch hier Applaus, aber auch Protestrufe aus dem Publikum.

Gegen die geplante Verschärfung des EU-Asylrechts protestierten Kirchentags-Teilnehmende mit einer Resolution. Darin wenden sie sich gegen einen „Ausverkauf der Menschenrechte“ und einen „Frontalangriff auf den Rechtsstaat und das Flüchtlingsrecht“. Ein zentraler Punkt der EU-Asylreform ist die Einführung von Verfahren an der europäischen Außengrenze.

Merz hadert mit Missbrauchs-Aufarbeitung

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte in Nürnberg eine „vorbeugende, aktivierende Sozialpolitik und mehr Angebote zur Armutsprävention“. Dazu gehört aus seiner Sicht auch, einen „Bildungsaufbruch“ zu organisieren und die Zahl der Schüler ohne Abschluss zu reduzieren, „statt später mit viel Geld soziale Missstände zu reparieren“.

Zum Thema Missbrauch sagte der CDU-Chef und Katholik Friedrich Merz, ihn beschwere und belaste der Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauchsfällen sehr. Gerade eine solche Institution müsse „in der Lage sein, anders damit umzugehen“ und solche Vorgänge aufzuarbeiten. Andernfalls verliere sie Vertrauen, sagte Merz auf dem „Roten Sofa“ der Kirchenpresse.

De Maizière: „Zu schwierigen Themen einen Rahmen schaffen“

In einer Bilanz zum Abschluss zeigten sich die Veranstalter zufrieden über die Streitkultur und die Atmosphäre während der Großveranstaltung. Kirchentagspräsident Thomas de Maizière nannte es am Samstag in Nürnberg „bewegend und beeindruckend“, immer wieder volle Kirchen und Plätze in der fränkischen Stadt zu erleben. Der Kirchentag sei imstande, „für Menschen und zu schwierigen Themen einen Rahmen zu schaffen“.

Neue Besucherzahlen legten die Veranstalter am Samstag nicht vor und verwiesen auf das Ende des fünftägigen Kirchentages unter der Losung „Jetzt ist die Zeit“ an diesem Sonntag. Bis zur Eröffnung des Protestantentreffens am Mittwoch waren 60.000 Tickets verkauft worden. Der Kirchentag ist in der Regel alle zwei Jahre in einer anderen Stadt zu Gast.