

Pflege ist leider zur Dauerbaustelle geworden. Immer neue Maßnahmen und Gesetze sollten sie schon in der Vergangenheit zukunftssicher machen, doch die Realität in den Einrichtungen sieht oft anders aus: Überlastung, Personalmangel, finanzielle Unsicherheit und bürokratische Fesseln prägen den Alltag. Die von der Bundesregierung angekündigte Bund-Länder-Kommission ist deshalb richtig und notwendig, aber sie muss mehr leisten als den Status quo zu verwalten. Wenn Pflege zukunftsfähig werden soll, braucht es einen echten Kurswechsel - mit konkreten Lösungen statt wohlklingender Absichtserklärungen.
Längst ist offensichtlich: Die Pflegeversicherung stößt finanziell an ihre Grenzen. Gleichzeitig steigen die Eigenanteile der Pflegebedürftigen stetig. Der Ruf nach einem Deckel für Eigenanteile ist populär, doch bekämpft er nur halbherzig das Symptom.
Eine langfristige Lösung muss auch die Ausgabenseite in den Blick nehmen und die Frage beantworten, wie weitere massive Kostensteigerungen verhindert werden können. Denn Einnahmesteigerungen sind nicht in Sicht, und die demografische Entwicklung schreitet voran.
Statt neue Leistungen zu versprechen, muss die Politik ehrlich sagen, was noch möglich ist und wie alles finanziert werden sollen. Steuerzuschüsse, höhere Beiträge oder private Vorsorge - ohne eine Kombination aus mehreren Finanzierungsquellen wird es wohl nicht gehen. Ebenso wichtig ist auch die Aufwandsseite: Sektoren müssen aufgebrochen, Leistungserbringung flexibler und damit effizienter werden. Kurz gesagt: mehr unternehmerischen Gestaltungsspielraum.
Pflegeeinrichtungen geraten zunehmend in wirtschaftliche Schieflage - und das unabhängig von ihrer Trägerstruktur. Die Refinanzierung über Pflegekassen ist oft stark verzögert und unzureichend - mit gravierenden Folgen für die Liquidität. Gleichzeitig nehmen die Anforderungen an Dokumentation, Nachweispflichten und Genehmigungsverfahren weiter zu. Hinzu kommt: Viele Träger berichten von wachsender Unsicherheit im Umgang mit den Sozialhilfeträgern. Die „Hilfe zur Pflege“ ist in ihrer Umsetzung häufig uneinheitlich, Verfahren ziehen sich über Monate, und Entscheidungen sind nicht immer transparent. In einigen Fällen gefährden diese Verzögerungen sogar die Existenz von Einrichtungen. Die Politik muss hier dringend klare, verbindliche und digital gestützte Verfahrensstandards schaffen.
Alle Spitzenverbände auf Bundesebene haben diese Probleme wiederholt gemeinsam öffentlich adressiert. Wir sitzen als Verbände alle in einem Boot. Die Zeiten der Grabenkämpfe zwischen Wohlfahrt, privat und kommunal sollten deshalb vorbei sein. Allein der Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) scheint nicht zu erkennen, dass wir geeint mehr erreichen können. Dessen Forderungen, Versorgungsverträge nur noch an gemeinnützige Träger zu vergeben, ist völlig aus der Zeit gefallen, an der Realität vorbei und nützt vor allem in der aktuellen Situation niemandem. Sie ist sogar kontraproduktiv, weil sie den Blick auf die wesentlichen Probleme verstellt.
Ein weiteres ungelöstes Kernproblem ist der zunehmende Personalmangel. Trotz umfangreicher Bemühungen - etwa durch internationale Anwerbung von Fachkräften - bleibt die Lücke groß. Der demografische Wandel verschärft die Lage zusätzlich. Einrichtungen brauchen mehr Spielraum in der Personalplanung und schnellere Verfahren bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Perspektivisch muss die Personalhoheit nach Anzahl, Qualifikation und Einsatz wieder zurück in Trägerhand.
Hier sind alle politischen Ebenen gefordert, realistische Personalstrategien zu entwickeln. Das Festhalten an starren Vorgaben hilft niemandem, wenn Einrichtungen mangels Personal gar nicht mehr arbeiten können. Es braucht endlich flexible und gleichzeitig qualitätsgesicherte Lösungen, die den unterschiedlichen Versorgungsrealitäten gerecht werden.
In diesem Kontext kommt der geplanten Bund-Länder-Kommission zur Pflegereform eine besondere Bedeutung zu. Das Gremium darf keine Alibiveranstaltung werden, sondern muss verbindliche Reformimpulse setzen - mit dem Ziel, die Pflege langfristig finanzierbar, zugänglich und qualitativ hochwertig zu gestalten. Dafür reicht es nicht, die bekannten Positionen der Länder und Ressorts zu sammeln.
Entscheidend ist dabei vor allem, dass die Perspektive der Praxis Gehör findet. Pflege wird nicht in Ministerien gemacht, sondern Tag für Tag in den Einrichtungen. Nur wer die täglichen Herausforderungen kennt, kann realistische Vorschläge erarbeiten. Wir fordern deshalb ausdrücklich, Expertinnen und Experten aus der Versorgung in die Arbeit der Kommission einzubeziehen - nicht nur beratend, sondern gestaltend. Darauf machen wir auch eindringlich im Rahmen der „Initiative generationengerechte Pflege“ aufmerksam.
Mit dieser Zustandsbeschreibung zeigt sich: Pflege braucht keine weiteren Versprechungen, sondern eine verlässliche politische Grundlage. Eine wirksame Reform muss die Finanzierung stabilisieren, Investitionen ermöglichen und gleichzeitig die Pflege für Betroffene bezahlbar halten. Sie muss Bürokratie abbauen, die Digitalisierung voranbringen und die Zusammenarbeit mit Kostenträgern vereinheitlichen. Und sie muss Einrichtungen endlich wieder die Freiheit geben, ihre Aufgaben eigenverantwortlich zum Wohle der Pflegebedürftigen zu erfüllen.
Der politische Wille, Pflege strukturell neu aufzustellen, ist überfällig. Die Bund-Länder-Kommission kann hierfür den Rahmen setzen - aber sie muss bereit sein, mit alten Denkweisen zu brechen. Was wir jetzt brauchen, sind keine neuen Schlagworte, sondern Mut zu konkreten Entscheidungen. Pflege ist keine Verwaltungsfrage. Sie ist eine gesellschaftliche Zukunftsaufgabe, bei der am Ende eine Win-Win-Situation entstehen muss - für die zu pflegenden Menschen und die Einrichtungen.