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Justiz

Jurist: Sozialarbeiter müssen Aussagen vor Gericht verweigern können



Ludwigshafen (epd). Der Ludwigshafener Sozialrechtler Andreas Rein hat sich für ein bundesweites Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in Strafprozessen ausgesprochen. Immer wieder würden diese Fachkräfte dazu aufgefordert, vor Gericht Aussagen zu ihren Klienten zu machen, sagte der Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Anders als Ärzten, Journalisten, Rechtsanwälten oder Seelsorgern räume das Strafprozessrecht Sozialarbeitenden nicht das Recht ein, die Preisgabe von möglicherweise belastenden Informationen zu verweigern. Ausnahmen gälten nur für die Drogenberatung und in der Schwangerschaftskonfliktberatung.

Die aktuelle Gesetzeslage stelle die Berufsgruppe der Sozialarbeiter und -pädagogen bei Strafprozessen unter großen Druck, kritisierte der Jurist und frühere Rechtsanwalt: Eine Aussage könne das Vertrauensverhältnis zu den Klienten zerstören, was für Sozialarbeiter ein „entsetzliches Dilemma“ darstelle. Zudem müssten Betroffene bei Nichtaussage vor Gericht mit einem Ordnungsgeld oder sogar Beugehaft rechnen. Das sei bereits in mehreren Fällen geschehen. Arbeitgeber könnten zudem Sozialarbeiter, die sich gegenüber Strafrichtern nicht kooperativ zeigten, mit Jobkündigungen drohen.

Schweigepflicht gilt nicht in Strafprozessen

Laut geltendem Recht sind Sozialarbeiter zwar zur Verschwiegenheit über Geheimnisse verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut werden. In Strafprozessen müssen sie allerdings über diese Vorgänge aussagen.

Ein in allen Bundesländern geltendes Zeugnisverweigerungsrecht bei Strafverfahren könnte hingegen Sozialarbeiter schützen, macht der Experte für Sozialrecht deutlich. Eine alternative Lösung wäre, dass auch nichtöffentliche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern erst eine Aussage vor Strafgerichten genehmigen müssten. Das sei bereits bei öffentlichen Dienstverhältnissen der Fall. Dadurch könne Sozialarbeitern der psychische Druck und die Angst, ihren Klienten zu schaden, genommen werden, sagte Rein.

Thema in die Bundespolitik tragen

Das Thema Zeugnisverweigerungsrecht werde in der Sozialarbeit derzeit diskutiert mit dem Ziel, es in die Bundespolitik zu tragen, informierte Rein. Im Mai gab es dazu eine Podiumsdiskussion an der Ludwigshafener Hochschule.

Hintergrund ist der aufsehenerregende Fall von drei Sozialarbeitenden der Fanbetreuung des Karlsruher Fußballclubs KSC. Sie waren wegen versuchter Strafvereitelung zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Bei einem Spiel im November 2022 gegen den Hamburger FC St. Pauli waren elf Personen durch abgebrannte Pyrotechnik verletzt worden. Die Sozialarbeiter weigerten sich daraufhin, wegen ihres besonderen Vertrauensverhältnisses zu den Karlsruher Fans Zeugenaussagen zu machen.

Alexander Lang