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Bahnhofsmissionen kämpfen um Finanzierung




In der Kasseler Bahnhofsmission
epd-bild/Helga Kristina Kothe
Die Ökumenische Bahnhofsmission in Kassel wirbt unter der Überschrift "Seien Sie eine/r von 100" um Paten. Sie sollen helfen, die Versorgung Bedürftiger am Bahnhof sicherzustellen.

Kassel (epd). Rund um den ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe sind täglich viele Menschen auf der Suche nach Unterstützung. Weil sie allein eine Reise nicht bewältigen können oder weil sie in existenziellen Notlagen sind. Gerade für Menschen, die obdach- oder wohnungslos, suchtkrank oder anderweitig hilfsbedürftig sind, ist die Bahnhofsmission eine wichtige Anlaufstelle. Jeden Tag unterstützt das Team Bedürftige, schenkt ihnen ein offenes Ohr, gibt Essen, Trinken und Kleidung aus. Rund 30.000 Mal im Jahr wird die Kasseler Bahnhofsmission nach eigenen Angaben deshalb aufgesucht.

„Seit der Pandemie hat die Bahnhofsmission angesichts der Notlage vieler Menschen ihr Verpflegungsangebot ausgeweitet“, sagt Leiterin Karin Stürznickel-Holst. Viele Hilfesuchende klopften regelmäßig an. Sie bekommen Brot, Obst oder Gebäck zum Mitnehmen, ein Frühstück, warme Getränke oder auch eine heiße Suppe. Viele seien dankbar und erleichtert, hier zweimal täglich eine Mahlzeit zu erhalten.

Mehr Hilfesuchende an Monatsenden

Täglich nutzen zwischen 60 und 130 Menschen das Angebot - und je näher das Monatsende rückt, desto mehr werden es. Unter ihnen sind Menschen, die ihre Wohnung oder Arbeit verloren haben, mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen kämpfen oder deren Einkommen schlicht nicht zum Leben reicht. Eine Frau berichtet, ihre Rente sei so gering, dass sie auf die Hilfe angewiesen ist: „Das ist doch traurig, oder?“

Die Reisebegleitung etwa für Kinder oder Senioren sei stark zurückgegangen, berichtet Stürznickel-Holst. Schwerpunkt der Arbeit sei die Grundversorgung von Menschen in existenziellen Notlagen. In der Bahnhofsmission finden diese einen geschützten Ort zum Aufwärmen, für Gespräche und Beratung. „Für unsere Gäste ist das, was für viele selbstverständlich ist, ein Zeichen von Menschlichkeit - ein Brötchen und eine Tasse Kaffee“, sagt die Leiterin.

Die Versorgung Bedürftiger kostet jährlich rund 25.000 Euro - eine Regelfinanzierung gibt es nicht, erklärt Stürznickel-Holst. Bisher halfen Spenden, Mittel aus dem Kasseler „Pakt gegen Armut“ und dem Nothilfefonds des Bistums Fulda. Doch die Finanzierung wird schwieriger: Die Leiterin beobachtet eine wachsende Zurückhaltung der Spenderinnen und Spender. Gleichzeitig schränke der steigende finanzielle Druck auf die Kirchen deren Möglichkeiten für zusätzliche Unterstützung ein. Und Lebensmittel müssten wegen zurückgehender Lebensmittelspenden teuer zugekauft werden.

Zunehmende Finanzierungsprobleme

Durch die sinkenden Kirchensteuereinnahmen leiden die von der evangelischen und katholischen Kirche getragenen Bahnhofsmissionen zunehmend unter Finanzierungsproblemen. Die Einrichtung in Gießen musste deshalb im vergangenen Jahr ihre Arbeit einstellen. Mit ihrer Schließung hat sich die Zahl der Bahnhofsmissionen in Deutschland auf 99 verringert. Laut Ann-Katrin Jehn, Referentin Bahnhofsmission bei der Caritas im Bistum Fulda, und ihrer Kollegin Ursula Stegemann von der Diakonie Hessen ist ihre Finanzierung stets knapp kalkuliert und muss regelmäßig neu verhandelt werden. Dagegen steige der Bedarf an Hilfe durch wachsende Armut und Wohnungslosigkeit. Hinzu kämen geflüchtete Menschen, die Rat suchen.

Neben der Finanzierung durch die Träger Diakonie und Caritas sowie teilweise durch die Kommunen seien die Bahnhofsmissionen auf Spenden, Kollekten und Mittel aus Stiftungen und Fundraising angewiesen, sagen die Fachreferentinnen. Spenden eigneten sich gut, um besondere Ausgaben zu decken oder die Versorgung der Gäste mit Essen und Hygieneartikeln zu finanzieren. Sie kämen jedoch unregelmäßig und in schwankender Höhe, sodass sie sich nicht verlässlich ins Budget einplanen ließen.

Werbung um Paten

Deshalb hat die Kasseler Bahnhofsmission die Aktion „Seien Sie eine/r von 100“ gestartet und wirbt damit um Paten, die jeden Monat 20 Euro spenden. Beteiligten sich 100 Menschen, sei die Versorgung Bedürftiger gesichert, so die Leiterin. Die Ideengeberin ist eine Frau, die seit Jahren anonym 20 Euro monatlich spendet: „Wir kennen weder die Adresse noch den Hintergrund, aber diese Frau ist praktisch die erste von 100.“

Die Verpflegung Bedürftiger sei oft der Einstieg in die Sozialberatung, erklärt die Leiterin. Und hier gehe es häufig darum, Wohnraum und Existenz zu sichern. Die Bahnhofsmission verstehe sich als unbürokratische Anlaufstelle, als letzte soziale Auffanglinie und Drehscheibe zu weiteren Hilfsangeboten.

Helga Kristina Kothe