

Würzburg (epd). Sarah Kittel-Schneider vom Universitätsklinikum Würzburg forscht zu psychischen Erkrankungen rund um die Zeit der Geburt eines Kindes. Die Neurobiologin und Psychiaterin nimmt hierbei auch speziell die Väter in den Fokus. Acht bis zehn Prozent der Väter sind in den ersten Monaten nach der Geburt ihres Kindes betroffen. Hilfe gibt es, doch die Beratungsangebote sind regional unterschiedlich verteilt. Die Fragen stellte Stefanie Unbehauen.
epd sozial: Frau Kittel-Schneider, wie viele Mütter haben nach der Geburt postpartale Depressionen und wie sehen die Zahlen bei Vätern aus?
Sarah Kittel-Schneider: Das variiert je nach Studie und Region. Bei Müttern sind es etwa 17 Prozent, wobei die Zahlen hier in den Ländern mit hohem Einkommen niedriger sind als in den Ländern mit mittleren und niedrigen Einkommen. Bei Vätern ist die Anzahl etwas geringer als bei den Müttern. Hier sind es etwa 8 bis 10 Prozent in den ersten Monaten nach der Geburt, was wir auch in einer eigenen, kleineren Studie mit 80 Vätern bestätigen konnten.
epd: Sie forschen bereits seit geraumer Zeit zu den hormonellen Änderungen, die im Körper nach einer Schwangerschaft stattfinden. Welche Prozesse verursachen postpartale Depressionen bei Vätern?
Kittel-Schneider: Bisher gibt es nur einige wenige Studien, inklusive unserer eigenen, aktuell zur Veröffentlichung eingereichten Studie, welche biologische Faktoren bei Vätern untersucht haben. In unserer eigenen Studie ergaben sich Hinweise, dass ein erniedrigtes Testosteron mit erhöhten depressiven Werten assoziiert war. Alle anderen Studien haben sich bisher nur auf psychosoziale Risikofaktoren bei den Vätern konzentriert, wie geringe soziale Unterstützung, Arbeitslosigkeit, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen bei Partnerin und Kind, vorbestehende psychische Erkrankungen und eine peripartale Depression bei der Partnerin.
epd: Während postpartale Depressionen bei Müttern sehr bekannt sind, haben Väter, die darunter leiden, oft noch mit Stigmatisierung zu kämpfen. Welche Anlaufstellen gibt es hier für Betroffene?
Kittel-Schneider: Welche Anlaufstellen es gibt, ist regional sehr unterschiedlich in Deutschland. Bezüglich Selbsthilfegruppen oder auch um Informationen über regionale Angebote zu erhalten, ist auch für Väter der Verein Schatten und Licht eine gute Anlaufstelle. Die frühen Hilfen, sowieso Schwangerschafts- und Familienberatungsstellen bieten auch niederschwellige Unterstützungsgebote für Väter an und sind deutschlandweit überall vertreten. Bei moderaten bis schweren Symptomen sollte der Hausarzt aufgesucht werden und eine Überweisung zum Psychiater oder psychologischem Psychotherapeut erfolgen. Falls regional vorhanden, auch in eine Spezialsprechstunde für psychische Erkrankungen um die Geburt.
epd: Durch welche Maßnahmen kann das Risiko einer postpartalen Depression bei Vätern verringert werden?
Kittel-Schneider: Präventive Maßnahmen sind noch wenig untersucht, aber in der klinischen Praxis würden wir folgendes empfehlen: Offene Kommunikation mit der Partnerin und dem Umfeld, über Gefühle und Sorgen sprechen, realistische Erwartungen an die Vaterrolle entwickeln, sich auf Veränderungen durch Elternkurse oder Beratungen vorbereiten und sich ein Unterstützungsnetzwerk aufbauen. Darüber hinaus können Stressmanagement und Selbstfürsorge, gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität und ausreichend Schlaf hilfreich sein. In jedem Fall ist eine frühzeitige professionelle Hilfe bei Anzeichen psychischer Belastung entscheidend.
epd: Wie kann die Vater-Kind-Bindung gestärkt werden?
Kittel-Schneider: Die Vater-Kind-Interaktion kann, falls sich hier schon Schwierigkeiten andeuten, beispielsweise durch Interventionen wie eine entwicklungspsychologische Beratung gestärkt werden. Dies wird häufig auch in Familienberatungsstellen oder bei den Frühen Hilfen angeboten.
epd: Welche Therapieansätze gibt es bei postpartalen Depressionen?
Kittel-Schneider: Depressionen werden generell nach Schweregrad behandelt, ob in der Peripartalzeit oder außerhalb davon. Bei leichten Depressionen können folgende Maßnahmen helfen: Sport und Bewegung, Achtsamkeitsübungen und Stressreduktion, gesunde Ernährung - wie zum Beispiel die Mittelmeerkost - psychologische Beratung sowie Unterstützung durch Hebammen oder Familienhelfer. Bei moderaten Ausprägungen sollte zudem eine Psychotherapie oder Selbsthilfegruppen für Väter und eine psychosoziale Beratung in Anspruch genommen werden. Bei schweren Ausprägungen kommt dann noch medikamentöse Behandlung mittels Antidepressiva hinzu.
Wichtig ist auch immer, die Bindung und Interaktion mit dem Kind in den Blick zu nehmen. Gegebenenfalls sollten hier noch Maßnahmen zur Verbesserung der Vater-Kind-Bindung erfolgen in Form einer entwicklungspsychologischen Beratung. Falls es Schwierigkeiten in der Paarbeziehung gibt, kann zusätzlich eine Paarberatung oder eine Paartherapie sinnvoll sein.
epd: Wie sind hier die Erfolgsaussichten?
Kittel-Schneider: Die Therapieaussichten sind sehr gut. Bei adäquater, schweregrad-angepasster Therapie liegen die Genesungschancen um die 90 Prozent.