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Arbeitsmarkt braucht Hunderttausende Zuwanderer




Ausbildungswerkstatt für junge Flüchtlinge
epd-bild/Matthias Rietschel
Deutschland benötigt einer Studie zufolge Jahr für Jahr knapp 290.000 Zuwanderer als Arbeitskräfte. Um Fachkräfte anzuziehen, brauche es aber auch eine Willkommenskultur, sagen Experten.

Gütersloh (epd). Um den Bedarf an Arbeitskräften in den kommenden Jahrzehnten zu decken, braucht Deutschland einer Studie zufolge bis 2040 jährlich rund 288.000 Zuwanderer. So viele internationale Arbeitskräfte seien nötig, um das Potenzial an Erwerbspersonen nicht einbrechen zu lassen, erklärte die Bertelsmann Stiftung am 26. November zur Vorstellung ihrer Untersuchung „Zuwanderung und Arbeitsmarkt“ in Gütersloh. Ohne eine Willkommenskultur und längerfristige Bleibeperspektiven würden interessierte Fachkräfte aus dem Ausland aber nicht kommen, warnte die Stiftung.

Die Studie rechnet den Angaben zufolge für 2040 mit einem Bedarf an 45,7 Millionen Arbeitskräften. Ohne Zuwanderung ginge die Zahl der Erwerbspersonen jedoch in diesem Zeitraum von aktuell 46,4 Millionen um zehn Prozent auf 41,9 Millionen zurück. Bis 2060 würde die Zahl ohne zusätzliche Einwanderer sogar um ein Viertel auf nur noch 35 Millionen sinken.

Inländisches Potenzial deckt Bedarf nicht

Die Bertelsmann-Migrationsexpertin Susanne Schultz sagte, der demografische Wandel erfordere auch Zuwanderung. Natürlich müsse vorrangig das inländische Arbeitskräftepotenzial von Einheimischen und bereits Zugewanderten entwickelt und die Beteiligung am Arbeitsmarkt erhöht werden, betonte sie. Der künftige Bedarf an Erwerbspersonen werde jedoch „damit allein nicht gedeckt werden können“.

Schultz wies darauf hin, dass das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz neue Möglichkeiten für an Deutschland interessierte Arbeitskräfte biete. Ohne eine „ausgeprägte Willkommenskultur“ in Behörden, Unternehmen und Kommunen und die Aussicht auf einen längerfristigen Aufenthalt würden sie jedoch ausbleiben, erläuterte die Bertelsmann-Expertin.

Die einzelnen Bundesländer wären laut der Analyse von ausbleibender Zuwanderung sehr unterschiedlich betroffen. Besonders stark wäre der Rückgang an Arbeitskräften bis 2040 in Thüringen, Sachsen-Anhalt und im Saarland mit jeweils deutlich über zehn Prozent. Weniger ausgeprägt wäre das Minus mit Werten deutlich unter dieser Marke in Hamburg, Berlin oder Brandenburg.

Bedarf hängt von Strukturwandel ab

Der Bedarf an internationalen Arbeitskräften in den Ländern hänge auch von unterschiedlichen Auswirkungen des Strukturwandels ab, hieß es. Wo mehr Arbeitsplätze neu entstehen, als abgebaut werden, sei der Zuwanderungsbedarf höher. Dies gilt der Studie zufolge besonders für Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Berlin und Hamburg.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und die Hochschule Coburg haben die Studie nach Angaben der Bertelsmann Stiftung erstellt. Grundlage für die Berechnungen ist demnach eine Projektion des Arbeitskräftebedarfs durch das IAB und das Bundesinstitut für Berufsbildung.

Der Arbeitgeberverband Pflege forderte eine Beschleunigung der Verfahren bei der Einwanderung von Pflegekräften. Die Geschäftsführerin des Verbands Isabell Halletz sagte, erforderlich seien standardisierte Prozesse und verbindliche Fristen. „Beschleunigte Verfahren im Gesetzbuch bringen wenig, wenn das Personal zur Bearbeitung fehlt“, erklärte Halletz. Ein modernes Einwanderungsland braucht moderne Behörden. Dazu gehöre ein einfacher Einwanderungsprozess, bei der alle notwendigen Genehmigungen in einem Schritt beantragt werden können. Sie regte an, Künstliche Intelligenz zur Prüfung der Unterlagen einzusetzen.



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