

Nürnberg (epd). Ein höheres Rentenalter hilft laut Gewerkschafterin Evelyn Räder nicht bei der Entlastung der Rentenkassen oder der Linderung des Fachkräftemangels. Es müsse das vorhandene Arbeitskräftepotenzial aktiviert werden, sagte Räder, Fachreferentin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), am 13. November bei den Nürnberger Gesprächen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. Solange jeder zweite Langzeitarbeitslose über 55 Jahre alt sei und es gut ausgebildete Menschen ohne Chance auf Beschäftigung gebe, halte sie eine längere Lebensarbeitszeit für den falschen Weg.
Von einem Umbau des deutschen Rentensystems angesichts höherer Rentnerzahlen hält die BA- Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles wenig. „Das System ist gut, es hat zwei Weltkriege überlebt“, sagte sie. Man müsse sich mit den demografischen Buckeln befassen und die Zahl der Einzahler in die Rentenkasse verändern. Nahles wies darauf hin, dass trotz Geburtenrückgang heute 84 Millionen Menschen in der Bundesrepublik lebten. Die Zuwanderung habe die Finanzprobleme der Rentenkasse abgemildert.
Es gebe die Pflicht, sich damit auseinanderzusetzen, dass heute drei Beschäftigte für einen Rentner arbeiteten, während im Jahr 2040 nur noch zwei Beschäftigte auf einen Rentner kämen, stellte Sven Nobereit, Leiter der Abteilung Sozial- und Arbeitsmarktpolitik beim Verband der Wirtschaft Thüringens, fest. Menschen müsse es mit einem „Rundumpaket“ möglich gemacht werden, wieder in einen Beruf einzusteigen oder länger zu arbeiten. Berufliche und gesundheitliche Rehabilitation im Arbeitsmarkt und im Sozialsystem müssten besser aufeinander abgestimmt sein, sagte Nobereit.
Um die Rentenversicherung zu stabilisieren, müsse man gezielter gegen Arbeitslosigkeit vorgehen, findet auch Ulrich Walwei, Vizedirektor des IAB und Honorarprofessor an der Universität Regensburg. Aus den Forschungen wisse man, dass einerseits Betriebe ältere Arbeitslose nicht einstellen, während die Unternehmen auch wenig Bewerbungen von über 50-Jährigen bekommen würden. Das liege auch daran, dass entlassenen älteren Arbeitnehmern gute Abfindungen gezahlt worden seien und sie damit „quasi aus dem Arbeitsmarkt ausgegliedert wurden“.
Für solche goldenen Handschläge würde es heute keinen Euro mehr aus der Staatskasse geben, versicherte Nahles. Es sei für den Arbeitsmarkt „das Schlechteste, wenn diese älteren Fachkräfte dem Arbeitsmarkt entzogen sind“. Die Bundesagentur baue dagegen „Arbeitsdrehscheiben“ in den Regionen auf, mit denen Beschäftigte der einen Firma, die entlassen musste, in anderen Betrieben, die Fachkräfte suchen, unterkommen. In Hannover sei dies mit den Unternehmen Continental und Siemens gelungen.