

Wilstedt (epd). Ein Pflegeheim in Wilstedt bei Bremen schlägt wegen drohender Abschiebungen von Pflegekräften Alarm. Nach Angaben der Heimleitung Andrea und Tino Wohlmacher drohe zehn aus Kolumbien stammenden Pflegekräften des Heimes die Abschiebung in ihr Heimatland. Gemeinsam mit der Belegschaft des Hauses und Angehörigen der demenzkranken Bewohnerinnen und Bewohner haben die Wohlmachers deswegen am 12. November einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie die Aussetzung möglicher Abschiebungen fordern.
Das Schreiben ist unter anderem an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesinnenministerin Nancy Faeser sowie an Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil und dessen Bremer Amtskollegen Andreas Bovenschulte (alle SPD) gerichtet. Die Unterzeichnenden verweisen darin auf einen Bericht des Bremer „Weser-Kuriers“. Am 9. November berichtete die Zeitung, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe drei der südamerikanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits mitgeteilt, dass ihr Asylantrag abgelehnt wurde und sie innerhalb von 30 Tagen „freiwillig“ ausreisen sollten.
„Die Pfleger und Pflegerinnen sowie eine Reinigungskraft hatten Asylanträge gestellt, die ausreichend begründet und belegt sind“, heißt es in dem Brief. Eine Pflegerin sei beispielsweise vor Schutzgeldforderungen ihrer Familie geflohen. Zudem lebten die Beschäftigten in Mietwohnungen, engagierten sich beruflich und in Vereinen und ihre Kinder gingen zur Schule. Sollten die Pflegekräfte abgeschoben werden, müsse das Heim schließen, warnen die Unterzeichnenden, denn es gehe um ein Drittel der Beschäftigten. „Die schwer demenzkranken Menschen, die dort derzeit wohnen, verlieren ihr letztes Zuhause.“
In dem Heim leben den Angaben zufolge aktuell 48 Menschen. Das Haus sei das einzige auf Gerontopsychiatrie spezialisierte Heim der Landkreise Rotenburg und Osterholz-Scharmbeck. Dem „Weser-Kurier“ hatte der Betreiber Wohlmacher gesagt, vor anderthalb Jahren hätten nacheinander mehrere Menschen aus Kolumbien in seiner Tür gestanden. Er wolle diese auch langfristig beschäftigen.
Ohne auf den Fall einzugehen, teilte das Ausländeramt des Landkreises Rotenburg auf Anfrage der Zeitung mit, dass das Aufenthaltsgesetz grundsätzlich voraussetze, dass bei geplanten Einreisen der jeweils korrekte Weg beschritten werde. Nach der rechtskräftigen Ablehnung des Asylantrags gebe es als letzte Möglichkeit die sogenannte Härtefalleingabe auf Basis der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung. Es sei sinnvoll, einer Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen und anschließend im regulären Verfahren, etwa zur Aufnahme einer Ausbildung oder zur Arbeitsaufnahme, wieder einzureisen.
Der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums, Oliver Grimm, sagte dem epd am 13. November, eine Abschiebung der Pflegenden stehe nicht unmittelbar bevor. Nach seinen Angaben beträgt die Anerkennungsquote von Asylbewerbern aus Kolumbien etwa 0,6 Prozent. Ein sogenannter „Spurwechsel“ sei rechtlich nicht möglich. „Wenn Sie einen Asylantrag stellen und dieser abgelehnt wird, haben Sie nicht die Möglichkeit, in die Fachkräftezuwanderung zu wechseln. Dieser Spurwechsel ist gesetzlich nicht möglich, er ist nicht erlaubt, er ist ausgeschlossen.“
Auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) sagte Sigmar Walbrecht als Koordinator des Projektes „AZG - Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete“ für den Flüchtlingsrat Niedersachsen: „Der Fall aus Wilstedt macht deutlich, wohin eine auf populistische Effekte zielende harte Asyl- und Migrationspolitik führt: wenn die Ankündigung, knallhart abzuschieben wichtiger ist, als Menschen, die eine gesellschaftlich äußerst wertvolle Arbeit machen, einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen.“ Am 14. November lief die Frist für die drei Betroffenen für die freiwillige Ausreise ab.
Walbrecht betonte, die Abschiebungen seien weder im Interesse der Öffentlichkeit noch seien sie aus humanitärer Sicht zu akzeptieren. „Mit den drohenden Abschiebungen ist die Existenz des Wohnheims gefährdet, was sowohl für die demenzkranken Bewohner und ihre Angehörigen als auch für die verbliebenen Angestellten der Einrichtung eine Katastrophe ist.“ Aber nicht zuletzt wäre auch für die kolumbianischen Pflegekräfte, die sich hier durch große Anstrengungen eine Existenz aufgebaut haben, eine Abschiebung ein harter Schlag. „In solchen Situationen müssen humane Lösungen einer rigorosen Ordnungspolitik vorgehen“, so der Experte.