Bretten, Karlsruhe (epd). Ein neuartiges Angebot für Obdachlose gibt es bald in Nordbaden. Die Privatinitiative „Herzensprojekt Obdachlosenhilfe“ aus Bretten (Kreis Karlsruhe) hat einen ausrangierten Linienbus ersteigert und zu einem Wohnmobil umgebaut. „Der Wärmebus ist ein flexibler Erfrierungsschutz“, sagte der Vereinsvorsitzende, Daniel Müller, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Ausgerüstet mit Standheizung und Solarmodulen für Licht bietet der 18-Tonner acht Schlaf- und sechs Sitzplätze, eine Toilette mit Waschbecken sowie eine kleine Küche. In einer Ecke ist Platz für mitgebrachte Hunde. Obdachlose können sich in dem Bus aufwärmen und eine Nacht verbringen, so der Plan.
Der Bus ist fahrbereit und soll je nach Bedarf in diejenigen Städte fahren, wo Notbetten gebraucht werden. Von Karlsruhe über Bruchsal und Pforzheim bis nach Heilbronn wollen Müller und sein Team unterwegs sein. „Ich hatte ein Schlüsselerlebnis und konnte es danach nicht mehr mit mir vereinbaren, dass in unserer Überflussgesellschaft Menschen auf der Straße erfrieren“, schildert er, wie es zur Idee für das nach seinen Angaben bislang einzigartige Projekt in Deutschland kam.
Den Verein „Herzensprojekt Obdachlosenhilfe Bretten“ ins Leben gerufen hat Silke Müller. „Ich habe schon als Kind ein Herz für Obdachlose gehabt“, erinnert sich die ehemalige Lehrerin. Sie berichtet, wie ihr Vater in ihrer Kindheit einem „Landstreicher“ Wurst und Brot brachte: „Die leuchtenden Augen waren prägend für mich.“
Der Verein besteht seit 2022. Zwanzig Mitglieder sowie weitere zehn Unterstützer versorgten in den vergangenen zwei Wintern samstags Obdachlose in Karlsruhe mit warmem Essen, Schlafsäcken und warmer Kleidung. „Wir haben in unserem Imbisswagen jedes Mal rund 100 Kilogramm Essen dabei“, berichtet Daniel Müller.
An 80 bis 200 Obdachlose und auch Bedürftige gebe die Initiative an einem Wintersamstag warmes Essen aus. Etwa ein Viertel lebe „konkret auf Platte“ weiß das Ehepaar, die anderen seien Menschen aus Notunterkünften oder Menschen am Existenzminimum. Einmal sei eine Mutter mit fünf Kindern gekommen.
Rund 10.000 Euro hat der Verein bisher in den Kauf und den Ausbau des „Wärmebusses“ investiert. Unterstützt wird er von Firmen, Selbstständigen, Geschäften und dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Für den laufenden Betrieb seien Spenden willkommen, ein Unkostenbeitrag der Stadt sei erwünscht.
Das zuständige Sozialamt in Karlsruhe steht dem Projekt zurückhaltend gegenüber. In der Stadt gebe es genügend Kapazitäten für einen Schlafplatz, zitiert die örtliche Presse die Verwaltung. Direkt gegenüber des geplanten Standorts des Wärmebusses betreibt die Diakonie Baden eine Unterkunft mit Schlafplätzen für Männer, etwas weiter weg eine Unterkunft speziell für Frauen.
Der Gesetzgeber verpflichtet Städte, Notunterkünfte für Obdachlose bereitzustellen. Ein Bett in einer Notunterkunft kostet in Karlsruhe seit Juli dieses Jahres 500 Euro im Monat. Wenn Betroffene den Betrag nicht selbst bezahlen können, machen Kommunen ihre Kosten für die Obdachlosenunterbringung unterschiedlich geltend, etwa bei Landratsämtern oder Jobcentern.
Die Aktiven ficht das nicht an. Sie sehen ihren Einsatz als wichtige Hilfe für die Menschen am Rande der Gesellschaft an. Roland Reuter engagiert sich von Anfang an im „Herzensprojekt Obdachlosenhilfe“. Er freue sich über die neue Aufgabe, berichtet der Frührentner und schraubt die letzten Bretter im Bus fest. Nach der Fertigstellung wird er zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern für die Einhaltung der Ordnung im Wärmebus sorgen.
Alkohol, Drogen, Waffen oder Rauchen seien nicht erlaubt, erklärt Silke Müller die Regeln: „Es wird auch eine Nachtaufsicht geben.“ Tagsüber werde ein Team des Projektes vor Ort sein - zum einen, um Bus und Betten zu reinigen, vor allem aber um zuzuhören.
Die Initiatoren wissen, dass viele Menschen, die auf der Straße leben, einen großen Gesprächsbedarf haben. „Wenn einer am Boden liegt, gehen wir mit ihm auf die Knie“, beschreibt Daniel Müller, wie er Obdachlosen begegnet. Ob Professor oder Betriebsrat, „Obdachlosigkeit kann jeden treffen, auch die, die es zu etwas gebracht haben“, ergänzt seine Frau.