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Hannover und Frankfurt starten Modellversuch zum Verkauf von Cannabis




Cannabis: Konsumverbot auf dem Bahnhof von Hannover
epd-bild/Dirk Baas
Seit Frühjahr und Sommer ist der Konsum und Anbau von Cannabis in Deutschland teilweise legal. Mit Hannover und Frankfurt wollen zwei Städte in einem Modellversuch nun einen kontrollierten Verkauf des Rauschmittels an besonderen Abgabestellen erproben.

Hannover, Frankfurt a.M. (epd). Als erste Städte in Deutschland starten Hannover und Frankfurt am Main einen gemeinsamen Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Verkaufsstellen im Stadtgebiet. In Hannover sind bis zu drei Verkaufsstellen geplant, wie die Stadt am 30. Oktober mitteilte. Begleitet wird das Projekt von einer wissenschaftlichen Studie der Medizinischen Hochschule Hannover. Daran werden voraussichtlich etwa 4.000 Menschen teilnehmen. Der Verkauf soll Anfang 2025 beginnen.

„Wir gehen damit einen wichtigen Schritt. Denn die regulierte Abgabe von Cannabis hat in vielerlei Hinsicht großes Potenzial. Sie kann Verbraucher schützen, die Justiz entlasten und den illegalen Drogenhandel reduzieren. Frankfurt ist bereit. Frankfurt ist soweit“, sagte Elke Voitl, Dezernentin für Soziales und Gesundheit in Frankfurt, am 30. Oktober.

Wichtige Erkenntnisse für den Zugang zu Cannabis

Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt in Frankfurt von Professor Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences. „Eine der zentralen Fragen der wissenschaftlichen Begleitung beschäftigt sich mit den Auswirkungen eines legalen Erwerbs von Cannabis, einschließlich Beratungsmöglichkeit, auf das eigene Gesundheitsverhalten der Klienten. Daraus können Schlüsse nicht nur für die Prävention, sondern auch für die zukünftige Gestaltung des Zugangs zu Cannabis gezogen werden“, sagte Stöver.

„Uns geht es um die Anerkennung gesellschaftlicher Realitäten“, sagte Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). „Die Zahlen konsumierender Menschen aller Altersgruppen in Deutschland steigen stetig.“ Das zeige, dass Verbote nur eingeschränkt funktionierten. Hinzu kämen erhebliche gesundheitliche Risiken durch steigende Werte der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) und Verunreinigungen in Cannabis-Produkten auf dem Schwarzmarkt. Die Stadt erhoffe sich von dem Projekt auch einen verbesserten Jugendschutz. Der illegale Markt solle zurückgedrängt werden.

Testlauf über fünf Jahre

Das Modellprojekt läuft über fünf Jahre. Teilnehmen können volljährige Personen, die ihren Wohnsitz in Hannover haben. Sie müssen bereit sein, regelmäßig und aktiv an wissenschaftlichen Befragungen mitzuwirken. Einen vergleichbaren Versuch gibt es nach Angaben der Stadt bislang bereits in Wiesbaden. Dort wird Cannabis allerdings nur in ausgewählten Apotheken ausgegeben.

In Hannover erhalten alle Teilnehmenden einen pseudonymisierten Ausweis, mit dem nur sie an den Abgabestellen einkaufen können. Über diesen Ausweis und einen QR-Code auf den Verpackungen kann sichergestellt werden, dass die gesetzliche Abgabemenge eingehalten wird. Wer Produkte an Dritte weitergibt, wird sofort ausgeschlossen. Zudem kann bei einem Auffinden der Verpackung aufgeklärt werden, ob die mitführende Person auch tatsächlich selbst der Käufer des Produkts war.

Hauptinteresse gilt wissenschaftlichen Resultaten

„Unser Hauptinteresse sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse“, sagte Hannovers Sozialdezernentin Sylvia Bruns (FDP). Diese gäben Aufschluss über die Auswirkungen eines legalen Verkaufs und auf die Häufigkeit des Konsums: „Wir wollen uns damit von Vermutungen und ideologischen Debatten entfernen.“

Bei dem Modellversuch arbeiten die Projektpartner mit dem Berliner Unternehmen Sanity Group zusammen, das sich bislang auf die medizinische Nutzung von Cannabis spezialisiert hat. Die Firma betreibt bereits seit Ende 2023 zwei Verkaufsstellen als Teil einer vergleichbaren Studie in der Schweiz. Sie hat kürzlich in 30 deutschen Städten Stichproben zu Cannabis auf dem Schwarzmarkt erhoben, auch in Hannover.

Das Personal der Verkaufsstellen solle entsprechend geschult werden, um die Konsumenten beraten zu können, hieß es. Bei auffälligem Konsumverhalten könne das Personal eingreifen, bevor eine Abhängigkeit entstehe. „Die Daten aus dieser Studie könnten künftig eine wichtige Grundlage für die Gestaltung einer zukunftsorientierten Drogenpolitik bilden“, sagte Professorin Kirsten Müller-Vahl von der Medizinischen Hochschule Hannover. „Langfristig können die Ergebnisse der Studie dabei unterstützen, sichere Rahmenbedingungen für Konsumierende zu schaffen und die öffentlichen Gesundheitsressourcen effektiver zu nutzen.“

Michael Grau, Dirk Baas