sozial-Recht

Landgericht

Betagter Mieter muss Wohnung nicht wegen Baumaßnahmen räumen



Berlin (epd). Vermieter müssen bei Modernisierungs- und Baumaßnahmen Rücksicht auf betagte und gesundheitlich eingeschränkte Mieter nehmen. Sie können in der Regel nicht verlangen, dass der Mieter für die Dauer der Bauarbeiten seine Wohnung räumt, urteilte am 22. Oktober das Landgericht Berlin II. Das könne ausnahmsweise nur verlangt werden, wenn die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen wegen Baufälligkeit erforderlich sind, so das Gericht.

Im konkreten Fall ging es um einen heute 85-jährigen Mieter, der seit seiner Geburt in einem Berliner Reihenhaus wohnt. Als seine Vermieterin das Haus modernisieren und instandsetzen wollte, stellte sich der Mieter quer.

Urteil: Mieter muss Wohnung öffnen

Eine andere Kammer des Landgerichts verurteilte ihn schließlich 2021 zur Duldung der Baumaßnahmen. Er müsse den Handwerkern nach rechtzeitiger Ankündigung werktags zu den Arbeitszeiten Zutritt zur Wohnung gewähren.

Mit diesem Urteil im Rücken forderte die Vermieterin den Mann auf, zwischen Juli und September 2023 für „Baufreiheit“ zu sorgen und das Haus zwischenzeitlich zu räumen. Denn während der Bauphase sei die Bewohnbarkeit der Immobilie nicht gewährleistet, so die Eigentümerin. Der Mieter lehnte das ab. Er sei nur zur Duldung und Zutrittsgewährung, nicht aber zur Räumung der Wohnung verpflichtet, lautete seine Begründung.

Räumung nur in Ausnahmefällen

Dem stimmte nun auch die 65. Zivilkammer des Landgerichts zu. Der Mieter sei zur „Duldung“ verpflichtet. Das bedeute kein aktives Handeln, sondern beschränke sich auf ein passives Zulassen der Maßnahmen und die Gewährung des Zutritts zur Wohnung. Eine Räumung könne der Vermieter nur unter engen Voraussetzungen verlangen, etwa bei Baufälligkeit des Hauses. Dieser Fall liege hier aber nicht vor, so das Gericht.

Die Vermieterin müsse vielmehr Rücksicht auf den hochbetagten Mieter zu nehmen. Im Gegensatz zu jungen und gesunden Mietern seien gesundheitlich eingeschränkte Mieter „besonders schutzbedürftig“. Das Gesetz gehe von einer Pflichtverletzung des Vermieters aus, wenn eine bauliche Veränderung in einer Weise durchgeführt werde, die geeignet sei, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen. Die Rücksichtnahmepflicht bestehe unabhängig davon, ob der Mieter für sich einen Härtefall geltend gemacht habe.

Az.: 65 S 139/24