sozial-Recht

Kirchengerichtshof

Verzicht auf gesetzliche Mitbestimmungsrechte nicht möglich




Der Kirchengerichtshof hat die Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten geklärt.
epd-bild/Werner Krüper
Auf gesetzlich verbriefte Mitbestimmungsrechte kann in einer diakonischen Einrichtung nicht verzichtet werden. Das gilt auch dann, wenn die Mitarbeitervertretung mitbestimmungspflichtige Arbeitszeitänderungen ohne ihre Zustimmung zeitweise duldet, entschied der Kirchengerichtshof in Hannover.

Hannover (epd). Bei einseitigen Arbeitszeitanordnungen der Leitung einer diakonischen Einrichtung hat die Mitarbeitervertretung (MAV) einen Unterlassungsanspruch. Nur weil die einseitige Anordnung der Dienststellenführung vorübergehend geduldet wurde, geht damit nicht ein Verzicht der MAV auf ihre Mitbestimmungsrechte einher, entschied der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland (KGH) in einem am 25. Oktober veröffentlichten Beschluss. In weiteren Entscheidungen klärten die Hannoveraner Richter zudem die Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten und bei der außerordentlichen Kündigung eines MAV-Mitgliedes.

Im ersten Verfahren ging es um eine diakonische Einrichtung der stationären Altenhilfe im Bereich des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe. Die Dienststellenleitung konnte sich mit der MAV nicht über die monatlichen Dienstpläne, insbesondere die Vertretungsregeln, verständigen. Ein Einigungsstellenverfahren zu den Dienstplänen wurde nicht zu Ende geführt. Als Verhandlungen über ein Ausfallmanagement begonnen wurden, duldete die MAV zunächst kurzfristige Änderungen der Dienstpläne ohne ihre ausdrückliche Zustimmung.

MAV erklärte das Scheitern der Einigung

Danach wurde die MAV nicht mehr über Dienstplanänderungen informiert. Erst vor dem Kirchengericht konnte in einem Gütetermin noch einmal ein Stillhalteabkommen zur Entwicklung eines Ausfallmanagements bis zum 30. November 2022 geschlossen werden. Nach Ablauf der Frist zog die MAV wieder vor das Kirchengericht wegen der Verletzung ihrer Mitbestimmungsrechte und erklärte das Scheitern der Einigung.

Das Kirchengericht entschied, dass das Mitbestimmungsverfahren bei kurzfristigen Ausfällen von Beschäftigten nicht eingehalten werden könne. Die Dienststellenleitung wandte zudem ein, dass sich die MAV zu dem Entwurf eines Ausfallmanagements nicht geäußert habe.

Der KGH betonte, dass die MAV aus ihrem „unstreitigen Mitbestimmungsrecht“ einen Unterlassungsanspruch geltend machen könne. Auch wenn sich die MAV noch in Verhandlungen über ein Ausfallmanagement befinde, bedeute das nicht, dass damit die Geltung gesetzlicher Mitbestimmungsregeln ausgesetzt seien. „Eine solche Duldung ist außerdem unbeachtlich“, so das oberste Kirchengericht. Denn auf Mitbestimmungsrechte könne nicht verzichtet werden.

„Kein alleiniges Gestaltungsrecht“ der Dienststellenleitung

„Der Dienstellenleitung kann damit auch nicht nur vorübergehend das alleinige Gestaltungsrecht in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit überlassen werden“, heißt es in dem Beschluss. Sie habe sich auch nicht um eine Entscheidung der Einigungsstelle oder um eine Duldungsverfügung bemüht, so das Gericht.

In einem weiteren Beschluss stärkte der KGH die Rechte von Teilzeitbeschäftigten. Sieht eine Dienstvereinbarung vor, dass die Arbeitszeit generell in Dienstplänen festgelegt wird, über die die MAV mitbestimmt, gelte das auch für die Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten.

Im konkreten Fall ging es um eine Physiotherapeutin einer diakonischen Einrichtung in Mitteldeutschland. Die Frau hatte die unbefristete Fortsetzung ihrer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 92,5 Prozent einer Vollzeitstelle beantragt. Die tägliche Arbeitszeit sollte von 7.21 Uhr bis 15.30 Uhr gehen. Die Dienststelle stimmte zwar der Stundenzahl zu, nicht aber der Lage der Arbeitszeit. Denn das Organisationskonzept sehe dienstags immer einen Termin um 17.15 Uhr vor, der besetzt werden müsse. Außerdem könne sie die Arbeitszeit von Teilzeitmitarbeitern ohne Zustimmung der MAV festlegen.

Verweis auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz

Die MAV verweigerte ihre Zustimmung zu der beabsichtigten Ablehnung des Teilzeitwunschs. Zu Recht, befand nun der KGH. Die Dienstvereinbarung sehe ein Mitbestimmungsrecht der MAV vor, ohne zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften zu unterscheiden. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz hätten Arbeitnehmer einen Teilzeitanspruch, es sei denn, betriebliche Gründe stünden dem entgegen. Das sei hier aber nicht der Fall. Denn in der Dienststelle gebe es 18 Physiotherapeutinnen und -therapeuten, sodass nicht ersichtlich sei, warum nicht einer von ihnen die Dienstagstermine besetzen könne, so das Gericht

Will eine Dienststelle einem MAV-Mitglied fristlos kündigen, muss die MAV dem zustimmen. Eine Verweigerung der Zustimmung muss die MAV zwar begründen. Auf den Umfang der Begründung komme es aber nicht an, so das Kirchengericht. Vielmehr müsse die Dienststellenleitung vor Gericht die Tatsachen vorbringen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen, so der KGH zum Streit um die Kündigung eines stellvertretenden MAV-Vorsitzenden in einer diakonischen Einrichtung der Jugendhilfe der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Az.: I-0124/7-2023 (Arbeitszeitanordnung)

Az.: I-0124/1-2022 (Teilzeit)

Az.: II-0124/31-2023 (MAV-Mitglied)

Frank Leth