Berlin (epd). Die gesetzlichen Krankenkassen halten den Ansatz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Verbesserung der Herzgesundheit für ungeeignet. Dessen Entwurf für das sogenannte Gesunde-Herz-Gesetz lege den Schwerpunkt auf medizinische Behandlung, teilten die Krankenkassen gemeinsam am 24. September mit, dem von ihnen ausgerufenen GKV-Tag. Nötig sei aber vor allem mehr Primärprävention.
Bei der Vorbeugung von Krankheiten unterscheiden Fachleute zwischen verschiedenen Arten der Prävention. Primärprävention bezeichnet dabei die Verhinderung von Krankheiten oder Verletzungen, ehe sie eintreten. Hierzu zählen Aufklärungskampagnen, Gesundheitskurse oder Impfungen. Eine möglichst frühe Erkennung von Beeinträchtigungen - etwa durch Vorsorgeuntersuchungen - wird Sekundärprävention genannt, eine Verhinderung des Fortschreitens Tertiärprävention. Einige Fachleute ergänzen noch die Quartärprävention. Mit ihr ist die Verhinderung von Behandlungsfehlern gemeint.
Lauterbachs Gesetzentwurf stärke lediglich die Früherkennung, erklärten die Kassen, und lasse die Primärprävention außer Acht. Gemäß dem Entwurf solle sogar Geld, das die Krankenkassen derzeit für Primärprävention ausgeben, zur Ausweitung medizinischer Maßnahmen umgewidmet werden. Das sei inakzeptabel. Solle dies umgesetzt werden, müssten die Kassen ihre individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention einschränken. „Konkret betroffen wären Maßnahmen wie Bewegungsangebote in Sportvereinen, Angebote zum Stress- und Ressourcenmanagement, zur gesunden Ernährung und Gewichtsreduktion, Kompaktangebote für pflegende Angehörige sowie auch digitale Präventionsangebote“, hieß es.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sagte, damit bewege sich die Gesundheitspolitik in eine völlig falsche Richtung. „Statt die Ursachen für die hohe Krankheitslast anzugehen, ist der Fokus aktuell viel zu sehr auf die Vorbeugemedizin gerichtet“, sagte sie. „Wir brauchen dringend Maßnahmen, um den Konsum von Tabak, Alkohol und ungesunden Lebensmitteln zu reduzieren und Bewegung zu fördern.“
Prävention sei aber nicht nur Aufgabe der Krankenkassen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, sagte Reimann: „Es lohnt sich, Maßnahmen wie Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung endlich anzugehen, für gesundes Essen in Kitas und Schulen zu sorgen und bewegungsfreundliche Kommunen zu schaffen.“ Gesundheitsförderliche Lebensverhältnisse seien der Schlüssel zu einer gesünderen Gesellschaft und einer geringeren Krankheitslast.
Die Kassen kritisierten weiter, der Gesetzentwurf schreibe Inhalt und Ausgestaltung neuer Früherkennungsuntersuchungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis ins Detail vor. Dies konterkariere den gesetzlichen Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen, die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit aller Leistungen der Kassen zu prüfen. Auf alle Früherkennungsmaßnahmen, die anhand dieser Kriterien im Leistungskatalog der Kassen stehen, hätten die Versicherten bereits heute schon Anspruch.