sozial-Politik

Migration

Forschungsprojekt zur Einbürgerung von Flüchtlingen




Einbürgerungsantrag
epd-bild/Christiane Stock
2023 wurden in Deutschland mehr Menschen eingebürgert als je zuvor, darunter viele Geflüchtete. Ob die Einbürgerung als "Integrationsbooster" dient und was die jüngste Reform des Staatsangehörigkeitsrechts bewirkt, untersucht der Sachverständigenrat für Integration und Migration in einem neuen Forschungsprojekt.

Berlin (epd). Der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) untersucht derzeit, wie sich die Einbürgerung von Geflüchteten verbessern lässt. In einem „Policy Brief“ haben die Forschenden bislang vorliegende Erkenntnisse über die Einbürgerung Geflüchteter gebündelt und Forschungslücken herausgearbeitet, die sie mit dem Forschungsprojekt „Einbürgerung als 'Integrationsbooster' für Geflüchtete“ schließen möchten.

Die Forschenden legen den Fokus auf Flüchtlinge, da diese den Angaben zufolge einen großen Teil der in Deutschland Eingebürgerten ausmachen. Mit gut 200.000 habe die Zahl der Einbürgerungen 2023 einen neuen Höchststand erreicht. 38 Prozent der im vergangenen Jahr Eingebürgerten seien Syrerinnen und Syrer gewesen, weitere 5 Prozent Menschen aus Afghanistan. Der deutliche Anstieg der Einbürgerungen ab dem Jahr 2021 sei vor allem auf Menschen zurückzuführen, die zwischen 2014 und 2016 nach Deutschland geflüchtet seien und die nötigen Aufenthaltszeiten sowie Deutschkenntnisse mittlerweile erfüllten.

Motive für Einbürgerung

Für Flüchtlinge habe die Einbürgerung eine besondere Bedeutung, erklärte Marie Walter-Franke, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim SVR: „Oft bietet das Herkunftsland auch nach Jahren keine sichere Rückkehrperspektive, sodass Geflüchtete mehr als andere Gruppen auf eine dauerhafte Zukunft im Aufnahmeland angewiesen sind.“ Wirtschaftliche Chancen, die rechtliche Gleichstellung zu deutschen Staatsangehörigen und die Aufenthaltssicherheit seien wichtige Motive für die Einbürgerung.

Der SVR stellt die Frage, ob die Einbürgerung eher „ein Motor oder eine Belohnung für Integration“ sei. Bisherige Studien zeigten, dass Zugewanderte nach ihrer Einbürgerung besser in den Arbeitsmarkt integriert würden. „So können Einbürgerungen beispielsweise zu höherem Einkommen führen“, sagte Hakan Yücetas, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter beim SVR. Wie sich die Einbürgerung auf die soziale und kulturelle Integration insbesondere bei Flüchtlingen auswirke, müsse noch untersucht werden.

Die Forschenden werden außerdem analysieren, wie sich die jüngste Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf die Einbürgerungen Geflüchteter auswirkt, heißt es in der Mitteilung. Nach den neuen Regeln, die seit dem 27. Juni gelten, sind Einbürgerungen bereits nach fünf anstatt wie zuvor nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich, bei „besonderen Integrationsleistungen“ bereits nach drei Jahren. Mehrstaatigkeit wird nun grundsätzlich akzeptiert. Laut SVR folgen beide Erleichterungen dem Trend anderer Einwanderungsstaaten. Sie könnten Einbürgerungsverfahren beschleunigen.

Strengere Anforderungen

An die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts werden hingegen jetzt strengere Anforderungen gestellt: Für eine Einbürgerung müssen die Zugewanderten den Lebensunterhalt für sich und ihre unterhaltspflichtigen Familienangehörigen bestreiten können, ohne Sozialleistungen zu beziehen. Unter Flüchtlingen erfüllten nur 61 Prozent diese neuen Anforderungen. Vor der Reform seien es 75 Prozent gewesen, da viele ihren geringen Verdienst nicht zu vertreten hatten oder Familienmitglieder für den Unterhalt sorgten, erklärte der SVR und berief sich auf Berechnungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Das Forschungsprojekt solle untersuchen, wie sich die Reform auf die Einbürgerungsabsicht und das Einbürgerungsverhalten Geflüchteter auswirke.

Auch die Perspektive der Staatsangehörigkeitsbehörden beziehe das Forschungsprojekt ein. Die derzeitige Einbürgerungspraxis beschreibt der SVR als „Flickenteppich“: Bei der Umsetzung des bundesweiten Staatsangehörigkeitsrechts gebe es Spielräume, die die Behörden in den Kommunen und Ländern unterschiedlich auslegten. Die durchschnittliche Dauer eines Einbürgerungsprozesses liege in den verschiedenen Behörden zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren. Die Forschenden wollen untersuchen, welche Erfahrungen Geflüchtete mit den Behörden machen. Dabei solle die Perspektive der Behördenmitarbeitenden ebenso einbezogen werden wie Erfahrungen aus anderen Ländern.

Übergeordnetes Ziel der Untersuchung sei es, wirksame Maßnahmen zu identifizieren, die Einbürgerungsprozesse optimieren können. Dadurch sollen mehr Geflüchtete, die die Kriterien für die deutsche Staatsbürgerschaft erfüllen, auch tatsächlich eingebürgert werden. Durch die Genfer Flüchtlingskonvention sei Deutschland völkerrechtlich zur schnellen und kostengünstigen Einbürgerung von Flüchtlingen verpflichtet.

Leonie Harth