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Fragen und Antworten zu möglichen Schnellverfahren an der Grenze



Brüssel, Berlin (epd). Zur Begrenzung der Fluchtmigration nach Deutschland will die Bundesregierung Asylsuchende, für die nach der Dublin-Regelung ein anderer EU-Staat zuständig wäre, in einer Art Grenzverfahren festhalten und möglichst schnell dorthin zurückschicken. Viele Details müssen noch geklärt werden. Was bisher bekannt ist:

Wie sieht der Vorschlag aus?

Die Bundesregierung lehnt pauschale Zurückweisungen Asylsuchender an der Grenze wegen europarechtlicher Regelungen ab. Danach muss zumindest geprüft werden, welcher Staat zuständig ist und eine Zurückweisung dorthin erfolgen. In der Regel sind dies Länder wie Italien oder Griechenland, während eine pauschale Zurückweisung Deutschlands Nachbarstaaten wie Polen oder Österreich treffen würde. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) plant deswegen in grenznahen Einrichtungen beschleunigte Dublin-Verfahren, um die rechtlich gebotene Prüfung vorzunehmen und dennoch möglichst schnell Asylsuchende in den zuständigen Staat zurückzuschicken. Nach Aussagen ihres Sprechers geht es dabei um ein Verfahren, das vor allem dafür sorgen soll, die sogenannte Dublin-Regelung besser umzusetzen. Gesetzesänderungen seien wahrscheinlich nicht notwendig.

Wie haben Europas Regierungen auf den Vorschlag reagiert?

Die Regierungen Österreichs, der Niederlande und Polens sind entsetzt. Polens Ministerpräsident Donald Tusk etwa nannte das Vorhaben „inakzeptabel“. Tusk fügte hinzu, dass Polen „andere Länder, die von Berlins Entscheidung betroffen sind, um dringende Konsultationen darüber bitten wird, wie man sich im EU-Forum zu diesem Thema verhalten soll“. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am 11. September in Berlin, dass mit europäischen Ländern, die von der Regelung betroffen wären, bilateral gesprochen werden soll. Auch bei einem beschleunigten Dublin-Verfahren müsste der zuständige EU-Staat seine Zustimmung zur Rücküberstellung geben.

Wie genau könnte das Modell für Schnellverfahren an der Grenze aussehen?

Nach den Plänen von Faeser soll künftig die Bundespolizei bei jedem Asylgesuch durch Datenabfrage und Befragungen prüfen, ob ein anderer EU-Staat für das Verfahren zuständig ist. Da Deutschland keine EU-Außengrenze hat, liegt das bei einer Einreise über den Landweg in jedem Fall nahe. Deswegen sollen alle Asylsuchenden in grenznahen Einrichtungen untergebracht werden, wo das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das auch jetzt schon die sogenannte Dublin-Prüfung macht, das beschleunigte Verfahren vornimmt. Gibt es konkrete Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Landes wie etwa einen Treffer in der EU-Datenbank „Eurodac“ soll auch eine Inhaftierung möglich sein. Dies setzt Fluchtgefahr voraus. Faeser zufolge könnte das Verfahren innerhalb von fünf Wochen abgeschlossen sein. Die Zurückweisungen soll dann die Bundespolizei direkt aus den Einrichtungen vornehmen.

Müssen dafür neue Einrichtungen gebaut werden und wer kommt dafür auf?

Die Bundesregierung lässt bislang offen, ob dafür neue Einrichtungen benötigt werden. Klar ist, dass der gesamte Plan auch die Unterstützung der Länder braucht. Für das Betreiben dieser Einrichtungen wären sie zuständig, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums.

Gibt es rechtliche Schwierigkeiten?

Grundsätzlich ist es im Rahmen des Schengener Abkommens verboten, dauerhafte Grenzkontrollen an den europäischen Binnengrenzen durchzuführen. Das Schengener Abkommen erlaubt vorübergehende Grenzkontrollen nur dann, wenn ein Staat seine öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit bedroht sieht.

Marlene Brey, Corinna Buschow


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