Düsseldorf (epd). Zum Tag der wohnungslosen Menschen am 11. September hat ein breites Bündnis von Verbänden an die Politik appelliert, Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden. „Es braucht ein zielgerichtetes Handeln - umgehend und nachhaltig, um das Recht auf Wohnen zu verwirklichen“, heißt es in einer Mitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Den Aufruf tragen unter anderem die Diakonie, der Caritasverband, die AWO, der Paritätische Gesamtverband, der Mieterbund und der Eigentümerverband „Haus & Grund“ mit.
Um Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu überwinden, sind nach Darstellung der Verbände „ausreichende finanzielle Ressourcen“ und ressortübergreifende Zusammenarbeit auf allen staatlichen Ebenen - Bund, Länder und Kommunen - nötig. Betroffene benötigten einen geregelten Zugang zum Gesundheitssystem. In Notunterkünften müssten menschenwürdige Bedingungen den Schutz der Privatsphäre sowie einen „wirksamen Gewaltschutz“ gewährleisten.
Wohnungslosigkeit zu vermeiden, sei „die beste Hilfe“, hieß es weiter. Der Verlust der Wohnung bedeute Ausschluss aus allen Lebensbereichen. „Wohnungslose Menschen sind besonders gefährdet, Gewalt und Diskriminierung zu erfahren“, unterstreichen die unterzeichnenden Verbände.
Bundesweit sind laut Hochrechnungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) etwa 600.000 Menschen wohnungslos, jede fünfte Person davon ist minderjährig. Allein in Nordrhein-Westfalen waren laut dem Statistischen Landesamt zu Jahresbeginn 105.120 Menschen wegen Wohnungslosigkeit in einer Einrichtung untergebracht - etwa 24 Prozent mehr als im Vorjahr. In Bayern waren laut Statistischem Bundesamt knapp 40.000 wohnungslose Menschen untergebracht.
Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, nannte Wohnungslosigkeit „die extremste Form von Armut in unserer Gesellschaft“. Die Gesellschaft dürfe nicht zulassen, „dass immer mehr Menschen auf der Straße verelenden und insbesondere Familien mit Kindern mangels eigener Wohnung in Notunterkünften untergebracht werden müssen“. Der im April verabschiedete Nationale Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit der Bundesregierung hat nach Loheides Worten „wichtige Leitlinien zur Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030 festgeschrieben“. Jetzt komme es darauf an, diese Leitlinien schnellstmöglich umzusetzen.
Der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, forderte die Bundesregierung auf, den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit in „konkrete Maßnahmen zu übersetzen und schnellstmöglich umzusetzen“. Zudem drang er auf mehr finanzielle Unterstützung. Wenn das Ziel der Überwindung von Wohnungslosigkeit bis 2030 eingehalten werden solle, seien zusätzliche Gelder nötig und gesetzliche Änderungen im Mietrecht, etwa die Heilung der ordentlichen Kündigung bei der Nachzahlung von Mietschulden, sagte Schuch der „Rheinischen Post“.
Die Geschäftsführerin der BAG W, Sabine Bösing, forderte ebenfalls mehr finanzielle Mittel für Förderprogramme und einen besseren Mieterschutz. Sie schlug in der „RP“ flächendeckende Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit und den Ausbau von sozialem Wohnbau mit langfristiger Sozialbindung vor.
Die Vorständin der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Kirsten Schwenke, forderte: „Der soziale Wohnungsbau muss aufgestockt werden, damit sich die Lage für Menschen in Wohnungsnot verbessert und das Menschenrecht auf Wohnen verwirklicht werden kann.“ Zudem sei eine wirksame Mietpreisbremse nötig. Die Präsidentin der Diakonie Bayern, Sabine Weingärtner, nannte die steigenden Zahlen ein „alarmierendes Signal“. Wenn es nicht gelänge, das Problem der Wohnungslosigkeit zu lösen, schwinde das Vertrauen in die Politik. „Die Wohnungslosigkeit kann damit zu einer Gefährdung der Demokratie werden“, sagte sie.
Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe (CDU), forderte mehr Unterstützung durch Land und Bund, um mehr bezahlbaren Wohnraum und Sozialwohnungen zu schaffen. Das sei „das wichtigste Mittel gegen Wohnungslosigkeit“, sagte er. Für Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt solle zudem die Mietpreisbremse über 2025 hinaus verlängert werden. Die Regelung sieht vor, dass neue Mietverträge nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln erklärte, ein Mietendeckel könne die Probleme am Wohnungsmarkt nicht lösen. So habe der Berliner Mietendeckel zwar für sinkende Mieten gesorgt, gleichzeitig sei aber auch die Zahl der inserierten Wohnungen deutlich gesunken, erklärte das Institut mit Verweis auf eine am 10. September veröffentlichte Analyse im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Denn für Vermieter sei es oft lukrativer gewesen, Wohnungen zu verkaufen oder in Ferienwohnungen umzuwandeln. IW-Ökonom Michael Voigtländer forderte, den Wohnungsbau in den Städten voranzutreiben, das Umland attraktiver zu gestalten und gezielte sozialpolitische Maßnahmen zu ergreifen.