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Armut

Verbände fordern konkrete Schritte gegen Wohnungslosigkeit




Schlafbereich einer Einrichtung für Wohnungslose
epd-bild/Christian Ditsch
Die Verbände der Freien Wohlfahrt begrüßen den Plan der Bundesregierung, gemeinsam mit Ländern und Kommunen bis 2030 die Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland zu überwinden. Sie dringen aber auf konkrete Schritte.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat erstmals ein Gesamtkonzept gegen Wohnungslosigkeit beschlossen. Das Kabinett billigte am 24. April in Berlin einen Nationalen Aktionsplan. Ziel ist es, die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 zu überwinden. Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, nannte den Aktionsplan „ein starkes Signal, dass die Bundespolitik die örtlichen Akteure bei der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit nicht länger allein lässt“.

Große Zahl von Räumungsklagen

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sprach von einer „Mammutaufgabe“. Kernpunkt für die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit seien mehr bezahlbare Wohnungen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), der Deutsche Städtetag und die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) begrüßten, dass mit dem Aktionsplan erstmals ein Leitbild vorliege, um die Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, wie es auch die EU anstrebt. Die Verbände forderten in einer gemeinsamen Erklärung schnell konkrete Maßnahmen.

Die Vorsitzende der BAG W, Susanne Hahmann, nannte als Hauptgründe für die hohe Zahl von Wohnungslosen: steigende Mieten, fehlende Sozialwohnungen und die große Zahl von Räumungsklagen. Die BAG W bemängelt, dass die von der Ampel-Koalition angekündigten Gesetzesänderungen zum Schutz vor Wohnungsverlust im Aktionsplan nicht vorgesehen sind. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisierte, die Schonfristregelung - also die Möglichkeit, dass eine Kündigung unwirksam ist, wenn die Mietschulden nachgezahlt werden - müsse dringend auf die ordentliche Kündigung ausgeweitet werden. Bisher gilt sie nur für die außerordentliche Kündigung.

Der Geschäftsführer des Hamburger Straßenmagazins Hinz&Kunzt, Jörn Sturm, bemängelte, der Aktionsplan enthalte keine konkreten Hilfen. „Für die Menschen auf der Straße bringt der Plan gar nichts“, kritisierte er scharf. Es würden lediglich bekannte Probleme aufgelistet, aber keine messbaren Ziele festgelegt.

„Housing First“ soll Schwerpunkt werden

Geywitz zufolge ist der Handlungsleitfaden für Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit Verbänden und den Praktikerinnen und Praktikern erarbeitet worden, die sich um wohnungslose Menschen kümmern. Ein Schwerpunkt soll auf „Housing First“-Programmen liegen. Es sollen Standards für die Hilfsangebote an wohnungslose Menschen entwickelt werden. So soll beispielsweise die getrennte Unterbringung von Frauen und Männern in Notunterkünften ermöglicht und der Zugang zu einer Krankenversicherung erleichtert werden.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), machte auf den hohen Anteil ausländischer Wohnungsloser von 80 Prozent aufmerksam. Es dürfe nicht sein, dass anerkannte Flüchtlinge oder Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine manchmal erst nach Jahren die Erstaufnahmeeinrichtungen oder Notunterkünfte verlassen könnten. Wohnungslosigkeit sei ein massives Integrationshindernis, sagte Alabali-Radovan.

447.000 Menschen ohne eigene Wohnung

Nach Angaben der Bundesregierung waren Anfang 2022 rund 178.000 Menschen in Unterkünften untergebracht, darunter rund 47.000 Kinder. Auf der Straße lebten zum selben Zeitpunkt Schätzungen zufolge knapp 87.000 Menschen. Neue Zahlen werden Ende dieses Jahres veröffentlicht.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe geht nach ihren Hochrechnungen davon aus, dass Mitte 2022 rund 447.000 Menschen ohne eigene Wohnung waren und von diesen 50.000 auf der Straße lebten. In die Hochrechnungen der Wohnungslosenhilfe werden Geflüchtete ohne eigene Wohnung einbezogen sowie Menschen, die vorübergehend bei Bekannten oder Freunden unterkommen.

Bettina Markmeyer, Markus Jantzer