Frankfurt a.M. (epd). Nach der Einrichtung eines Entschädigungsfonds der Stadt München für ehemalige Pflegekinder bleibt dieser Schritt offenbar vorerst ohne Nachahmer. Eine Umfrage des Evangelischen Pressediensts (epd) unter allen deutschen Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern ergab, dass keine der Städte ähnliche Pläne wie München habe. Die Stadt Essen antwortete allerdings nicht auf die epd-Anfrage. Der Sprecher des Deutschen Städtetags, Timm Steinborn, sagte dem epd, sein Verband habe keine Kenntnis von ähnlichen Vorhaben seiner Mitgliedskommunen.
Berlin verwies auf die zurückliegende Aufarbeitung verschiedener Tatkomplexe. So hätten Missbrauchsbetroffene des Kentler-Systems finanzielle Leistungen erhalten, über deren Höhe Stillschweigen vereinbart worden war. Der 2008 verstorbene Sexualwissenschaftler Helmut Kentler war unter anderem von 1967 bis 1976 in leitender Position am Pädagogischen Zentrum Berlin. Im sogenannten Kentler-Experimen vermittelten Jugendämtern Kinder und Jugendliche mit dem Ziel der Resozialisierung bewusst an pädophile Pflegeväter.
Am 21. August hatte der Münchner Stadtrat die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 35 Millionen Euro beschlossen. Aus ihm sollen Menschen Anerkennungsleistungen erhalten, die durch das Stadtjugendamt in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht waren, dort sexualisierte Gewalt oder Misshandlung erlebt haben und noch heute darunter leiden. Welche Gewaltformen davon abgedeckt sind und welche weiteren Kriterien bei der Vergabe des Gelds gelten, werde ein Prüfungsgremium festlegen.
Zusätzlich zuvor hatte die Stadt München 4,3 Millionen Euro an Soforthilfen für Betroffene aus dem kommunalen Haushalt bereitgestellt. Dieses Geld sei nicht Teil des Fonds, so dass ehemalige Pflegekinder insgesamt 39,3 Millionen Euro erhielten, erklärte das Münchner Sozialreferat dem epd. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hatte die Entscheidung Münchens als bundesweit einzigartig bezeichnet.