sozial-Branche

Behinderung

Lebenshilfe-Vorstand: Gesellschaft muss noch inklusiver werden



Hannover, Osterode (epd). Die Lebenshilfe mahnt mehr Anstrengungen für die Inklusion an. Menschen mit Behinderungen seien trotz guter Initiativen in vielen Lebensbereichen noch immer benachteiligt, sagte der Vorstandsvorsitzende der Lebenshilfe in Niedersachsen, Erwin Drefs, dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf einen Aktionstag am 24. August in Osterode am Harz.

Für die Betroffenen leisteten viele Fachkräfte enorme Unterstützungsarbeit über sogenannte Eingliederungshilfe - etwa als Assistenzen in Wohngruppen oder Schulbegleiter, so der Experte. „Allerdings sehen wir auch, dass das Bundesteilhabegesetz, das diese Hilfen regelt, den Bedarf der Menschen nicht praktikabel genug abfragt.“

Länder müssten „Bürokratiemonster“ umsetzen

Drefs sprach in diesem Zusammenhang von einem „Bürokratiemonster“, das von den Ländern umgesetzt werden müsse. „Die Verfahren sind enorm verschachtelt“, betonte der Vorstand. So können Betroffene Wünsche äußern, welche Leistungen sie beanspruchen wollten, und zudem wählen, wenn mehrere geeignete Alternativen denkbar sind. Die Menschen hätten aber teils erhebliche Probleme, die in den Verfahren an sie gestellten Fragen überhaupt zu verstehen. „Da muss nachgeschärft werden“, betonte Drefs.

Der Vorstandschef warb auch dafür, Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt deutlich mehr Chancen zu geben. „Da steckt unheimlich viel Potenzial.“ Zwar müssten jeweils individuelle Lösungen erarbeitet oder spezielle Arbeitsbedingungen vereinbart werden: „Aber viele Betriebe wissen gar nicht, wie viele Vorteile für sie daraus entstehen können.“

Mehr Selbstbestimmung ist ein „großer Gewinn“

Mit dem Land und mit Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) seien die Wohlfahrtsverbände im guten Austausch, sagte Drefs. Deswegen sei es ihm auch ein Anliegen, positive Entwicklungen aufzuzeigen. Es sei ein großer Gewinn, „dass Menschen mit Beeinträchtigungen heute viel selbstbestimmter und selbstbewusster sind und zum Glück auch viel sichtbarer in unserer diversen Gesellschaft.“

Um dazu einen weiteren Beitrag zu leisten, feiere die niedersächsische Lebenshilfe alle zwei Jahre einen landesweiten Aktionstag - ein inklusives Stadtfest mit Musik und Aktionen. In diesem Jahr seien am 24. August in Osterode auf drei Bühnen und an Aktionsständen mehr als 200 Künstlerinnen und Künstler sowie Akteure aus den Lebenshilfen in Niedersachsen aktiv.

Dem Verband gehören 116 Mitgliedsorganisationen an. Über drei Viertel aller im Bundesland tätigen teilstationären Eingliederungseinrichtungen für geistig und mehrfach behinderte Menschen haben sich in der Lebenshilfe als ihrem Dachverband zusammengeschlossen.

Björn Schlüter