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Nürnberg (epd). In Deutschland gibt es nur 15 Einrichtungen, in denen männliche Opfer familiärer Gewalt Schutz finden können. Das müsse sich ändern, betont David Schäfer - und lobt das angekündigte Gewalthilfegesetz des Bundes. Die Fragen stellte Stefanie Unbehauen.
epd sozial: Herr Schäfer, seit wann gibt es die Männerschutzeinrichtung Riposo und wie wird das Angebot angenommen?
David Schäfer: Die ersten Männer zogen im März 2020 ein. Seit Beginn des Projekts können wir 196 Anfragen von gewaltbetroffenen Männern verzeichnen - 55 davon wurden in der Schutzwohnung aufgenommen. Eine Einschätzung, wie gut das Angebot angenommen wird, lässt sich nur schwer vornehmen. Schließlich gibt es in Deutschland nur wenige Schutzeinrichtungen für Männer als Vergleichsmöglichkeit und diese sind hinsichtlich ihres Standorts und Einbettung ins Hilfesystem teils sehr unterschiedlich. Sie müssen sehen: Unsere Schutzeinrichtung existiert erst seit gut vier Jahren. Zuvor gab es keine Hilfsangebote für von häuslicher Gewalt betroffene Männer hier in Nürnberg. Wenn ich unsere derzeitige Auslastung betrachte, würde ich behaupten, das Angebot wird sehr gut angenommen.
epd: Wie viele Wohneinheiten stehen zur Verfügung und wie sieht die durchschnittliche Auslastung aus?
Schäfer: Es stehen fünf Appartements zur Verfügung. Zusätzlich sind Küche und Wohnzimmer zur gemeinsamen Nutzung vorhanden. Die Männer kommen meist allein. Es kommt derzeit etwa einmal im Jahr vor, dass ein Mann zusammen mit seinem Kind einzieht. Die Auslastung hat über die Jahre auf hohem Niveau kontinuierlich zugenommen. Derzeit liegt zumeist eine Vollbelegung vor. Es müssen immer wieder Männer abgewiesen, an andere Schutzeinrichtungen weitervermittelt oder auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden.
epd: Woran können sich Männer wenden, für die kein Platz im Riposo ist?
Schäfer: Auch wenn wir gerade keinen Platz für einen von häuslicher Gewalt betroffenen Mann haben, ist es uns wichtig, ihn in seiner Situation zu unterstützen. Wenn es für den Mann infrage kommt, klären wir freie Plätze in den 15 anderen Schutzwohnungen in Deutschland ab oder geben die Kontaktdaten der Einrichtungen an den Mann weiter. Darüber hinaus empfehlen wir den Männern, den Kontakt zur Beratungsstelle für von häuslicher Gewalt betroffene Männer herzustellen, um sich auf diesem Weg Unterstützung zu suchen. In ungünstigen Fällen bleibt nur, den Kontakt zur Wohnungslosenhilfe herzustellen.
epd: Für einen von Gewalt betroffenen Mann, der in der näheren Umgebung von Nürnberg wohnt, ist das Riposo eine Möglichkeit, um auch weiterhin zur Arbeit gehen zu können. Was tun Männer, die weiter weg wohnen und diese Möglichkeit nicht haben?
Schäfer: Das ist leider eine sehr berechtigte Frage. Es wenden sich sehr selten berufstätige Männer an uns, deren Wohnsitz außerhalb der Region Nürnberg-Fürth-Erlangen liegt. Weiter entfernt lebende Männer müssten sich für eine lange Pendelstrecke für den Weg zur Arbeit entscheiden. Sollte dies nicht machbar sein, bliebe die Alternative, sich in Nürnberg eine neue Arbeit zu suchen. Ich glaube, dass dieser Schritt, sich in die Männerschutzeinrichtung mit einer Höchstaufenthaltsdauer von sechs Monaten zu begeben und währenddessen nach einer neuen Beschäftigung zu suchen, vielen Männern zu unsicher erscheint. Ich gehe davon aus, dass diese Männer in der gewaltbelasteten Situation verbleiben, wenn sie keine Zuflucht bei Familie oder im Bekanntenkreis finden. Ein schneller Ausweg durch den Aufenthalt in einer Schutzwohnung wie Riposo wird für diese Zielgruppe nicht möglich sein.
epd: Was sind die häufigsten Gründe, wieso Männer die Einrichtung aufsuchen?
Schäfer: In etwa 60 Prozent der Fälle geht die Gewalt von aktuellen oder ehemaligen (Ehe)-Partnerinnen oder (Ehe-)Partnern aus. Die erlebte Gewalt äußert sich dabei meist in einer Mischung verschiedener Gewaltformen, überwiegend psychische und physische Gewalt. In den übrigen Fällen handelt es sich vor allem um innerfamiliäre Gewalt. Erwachsene Söhne erleiden Gewalt durch die Eltern oder ältere Brüder, aber auch Väter werden Opfer von Übergriffen ihrer Kinder. Außerdem stellte eine drohende Zwangsverheiratung bereits mehrmals ein Grund für die Inanspruchnahme unseres Angebots dar.
epd: Wie sieht es außerhalb Bayerns aus? Wie viele Schutzeinrichtungen speziell für Männer gibt es bundesweit?
Schäfer: Es gibt aktuell in Deutschland zwölf Männerschutzwohnungen mit insgesamt 43 Plätzen. Darüber hinaus gibt es drei geschlechtsunabhängige Schutzwohnungen mit fünf Plätzen. Hier können Menschen jeden Geschlechts Zuflucht finden, also auch Männer. Insgesamt sprechen wir demnach von bundesweit 15 Schutzwohnungen für Männer mit 48 Plätzen.
epd: Gewalt gegen Männer ist nach wie vor ein Tabu. Wünschen Sie sich hier mehr Aufklärung und mehr Engagement seitens der Politik?
Schäfer: Zum einen denke ich, dass es nicht nur Aufgabe der Politik ist, dieses Tabu zu brechen. Es geht um die Sichtbarkeit des Themas in der Gesellschaft, in den Medien und in der Politik. Wenn es um das Bewusstsein von männlichen Opfern häuslicher Gewalt geht, geht es auch immer um die Akzeptanz und die Verbreitung eines Männerbilds, das nicht dem traditionellen Bild des starken Mannes entspricht, der imstande ist, seine Probleme allein zu lösen. Der sich nicht unterkriegen lässt. Es geht darum anzuerkennen, dass auch Männer Opfer sein können, die sich nicht wehren können, die Hilfe brauchen. Dies muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden und kann nicht nur Aufgabe von Politikerinnen und Politikern sein. Dabei gibt es durchaus Bestrebungen in der Politik, dieses Verständnis und die Bereitstellung von Hilfsangeboten zu fördern.
epd: Wie zeigen sich diese Bestrebungen?
Schäfer: Zum einen zeigt sich das durch die beständige Förderung unserer Einrichtung durch das bayerische Sozialministerium. Zum anderen wird auf Bundesebene an einem Gewalthilfegesetz gearbeitet, in dem auch Männer als Opfer häuslicher Gewalt mitbedacht werden. Um in diesem Rahmen den Bedarfen von Gewaltbetroffenen gerecht zu werden, wird vor allem finanzielles Engagement erforderlich sein.