

Wiesbaden (epd). Partnerschaftsgewalt hat nach den Daten des Bundeskriminalamtes (BKA) in den vergangenen Jahren in Deutschland zugenommen. Die Anzahl der erfassten Opfer ist laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in den zurückliegenden fünf Jahren um 17,5 Prozent gestiegen und erreicht im aktuellen Berichtsjahr 2023 mit 167.865 Gewaltopfern einen neuen Höchststand. Im Jahr davor waren es knapp 160.000, im Jahr 2019 noch gut 140.000.
Bei der Partnerschaftsgewalt werden nach der gängigen Definition die Opfer und Tatverdächtigen betrachtet, die in einer partnerschaftlichen Beziehung lebten oder leben. Partnerschaftsgewalt beinhaltet alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt. Partner im Sinne der PKS sind Ehepartner, eingetragene Lebenspartnerschaften, Partner nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften und ehemalige Partner.
Mit 79,2 Prozent waren laut BKA 2023 hauptsächlich Frauen Betroffene von Partnerschaftsgewalt. Die Anzahl weiblicher Opfer (132.966) ist im Vergleich zum Vorjahr mit plus 5,2 Prozent deutlich gestiegen. Die Partnerschaftsgewalt mit Männern als Opfer ist im Jahr 2023 auf 34.899 Betroffene gestiegen - und hat damit im Vergleich zum Vorjahr um 10,9 Prozent zugenommen. Der Anteil männlicher Opfer an allen Opfern von Partnerschaftsgewalt hat sich wie bereits in den Vorjahren erneut erhöht und liegt im Jahr 2023 bei 20,8 Prozent - um 0,9 Prozentpunkte über dem Wert von 2022 (19,9 Prozent).
Die Hälfte der Opfer lebte mit der tatverdächtigen Person zusammen. Die Mehrheit sowohl der Opfer als auch der Tatverdächtigen waren zwischen 30 und 40 Jahre alt. 155 Frauen und 24 Männer sind im Jahr 2023 durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet worden.
Nach Angaben der Gewaltforscherin Monika Schröttle handelt es sich bei den meisten Fällen von Gewalt an Männern nicht um schwere Gewalt, so dass viele keine Zufluchtsstätte benötigten. Die BKA-Statistik sieht die Nürnberger Politologin kritisch: „Von Seiten der Täterarbeit wird berichtet, dass bei polizeilichen Einsätzen männliche Täter behaupten, sie seien die Opfer und die Frau sei initiativ gewalttätig gewesen. Das geht dann auch in die Statistik mit ein.“ Auch wenn die Aussagen der Männer gelogen sein könnten, würden männliche Täter als Opfer miterfasst, sagt Schröttle dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Tatsächlich fand eine Metaanalyse von 17 Studien 2020 heraus, dass Betroffene von Partnerschaftsgewalt häufig angaben, selbst Täter zu sein. Zwischen drei und 20 Prozent der Männer hätten körperliche Gewalt in der Partnerschaft erfahren.
Weitere Erkenntnisse zur Verbreitung von Gewalt in Paarbeziehungen liefern Befragungen der Landeskriminalämter. Das LKA Niedersachsen machte 2012 und 2021 jeweils eine Dunkelfeldumfrage zu verschiedenen Kriminalitätsformen mit dem Schwerpunkt Paarbeziehungen.
2021 gaben 5,7 Prozent der Befragten ab 16 Jahren an, innerhalb der vergangenen zwölf Monate Gewalt in der Partnerschaft erfahren zu haben (Frauen: 6,7 Prozent, Männer: 4,6 Prozent). Körperliche Gewalterfahrungen nannten 1,3 Prozent der Frauen und 1,0 Prozent der Männer. Geringer fiel der Anteil der sexualisierten Gewalt aus, der von Frauen mit 0,9 Prozent und bei Männern mit 0,1 Prozent angegeben wurde. Psychische Gewaltformen, beispielsweise Isolation vom sozialen Umfeld oder konstantes abfälliges Kommentieren, dominierten mit 5,1 Prozent. Insgesamt wandten sich nur 0,5 Prozent der Opfer an die Polizei. Demnach blieben 199 von 200 Fällen im Dunkelfeld.
Die tatsächliche Entwicklung im Bereich partnerschaftlicher Gewalt kann unter ausschließlicher Bezugnahme auf PKS-Daten nur eingeschränkt dargestellt werden, räumt das BKA selbst ein. Viele Taten würden nicht angezeigt.
Die Studie „Lebenssituation Sicherheit und Belastung im Alltag“ verfolgt das Ziel, das Dunkelfeld der Gewaltkriminalität geschlechterdifferenzierend zu untersuchen. Die Datenerhebung des gemeinsamen Projekts von BKA, Bundesinnen- und Bundesfamilienministerium startete Mitte 2023 und dauert bis 2024 an. Ergebnisse werden für 2025 erwartet.
Die Forschungslage zur Gewaltbetroffenheit von Männern in Deutschland gilt als überschaubar. Zwar hat das Bundesfamilienministerium bereits vor 20 Jahren eine Pilotstudie zu Gewalterfahrungen von Männern in Auftrag gegeben, aber die Ergebnisse sind nicht repräsentativ. Von 266 befragten Männern in heterosexuellen Beziehungen gaben dort 27 Prozent an, körperliche Gewalt erlebt zu haben.