sozial-Recht

Verwaltungsgericht

Bafög für Studierende darf nicht niedriger sein als Bürgergeld



Berlin (epd). Für Studierende muss das gleiche Existenzminimum gelten wie für Bürgergeldbezieher. Daher dürfe das Bafög nicht geringer sein als das Bürgergeld, stellte das Verwaltungsgericht Berlin in einem am 9. Juli bekanntgegebenen Beschluss fest. Die Verwaltungsrichter hielten damit die Bafög-Regelungen über die Höhe der Ausbildungsförderung für verfassungswidrig und legten den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Dort ist bereits ein weiteres Verfahren der Klägerin für das Jahr 2014 anhängig, dessen Entscheidung noch aussteht.

Die heute 29-jährige Klägerin studierte ab 2016 Medizin an der Berliner Charité und erhielt Bafög. Für das Streitjahr 2021 hielt sie die Förderung für viel zu niedrig, das menschenwürdige Existenzminimum werde damit nicht gedeckt.

Vor Beginn ihres Medizinstudiums hatte sie im Oktober 2014 bereits ein Masterstudium Psychologie aufgenommen und ebenfalls gegen die geringe Bafög-Höhe geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht ließ mit Beschluss vom 20. Mai 2021 zwar offen, ob die Bafög-Höhe verfassungswidrig niedrig sei. Dennoch legten die auch Leipziger Richter das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vor. Sie rügten, dass die Regelungen zur Berechnung der Bafög-Sätze intransparent seien, so dass nicht geprüft werden könne, ob die Bafög-Höhe zu niedrig sei.

Gericht fordert gleiche Bildungschancen ein

Im aktuellen Verfahren ging das Verwaltungsgericht Berlin mit der Einstufung des Bafög-Satzes als verfassungswidrig nun einen Schritt weiter. Das Bafög dürfe nicht niedriger sein als das Bürgergeld. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, „für die Wahrung gleicher Bildungschancen“ - und damit auch für Kinder aus ärmeren Familien - Sorge zu tragen.

Dem sich daraus ergebenden Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung habe der Gesetzgeber mit den Bafög-Regelungen zwar grundsätzlich Rechnung getragen. Die für das Jahr 2021 geltenden Bedarfssätze, bestehend aus Grundbedarf und Unterkunftsbedarf, seien aber viel zu niedrig. So liege der Grundbedarf für Studierende bei 427 Euro monatlich, für alleinstehende Hartz-IV-Bezieher damals bei 446 Euro monatlich. Auch der Unterkunftsbedarf in Höhe von 325 Euro sei „evident zu niedrig“. Denn im Sommersemester 2021 hätten bereits 53 Prozent der Studierenden monatliche Mietausgaben von mehr als 351 Euro. Knapp 20 Prozent zahlten zwischen 400 und 500 Euro und weitere 20 Prozent mehr als 500 Euro.

Zudem könne für die Bestimmung des Unterkunftsbedarfs nicht der Gesamtdurchschnitt der Unterkunftskosten im Bundesgebiet herangezogen werden, sondern nur ein Durchschnittswert der Unterkunftskosten am jeweiligen Studienort. Auch müssten die Bedarfssätze zeitnah an sich ändernde wirtschaftliche Verhältnisse angepasst werden.

Az.: VG 18K 342/22