sozial-Recht

Bundesgerichtshof

Überzahlte Miete steht fast immer dem Jobcenter zu




Hinweisschild am Bundesgerichtshof in Karlsruhe
epd-bild/Uli Deck
Bürgergeldbezieher profitieren in aller Regel nicht von Streitigkeiten mit dem Vermieter wegen einer rechtswidrig gezahlten überhöhten Miete. Weil das Jobcenter die Unterkunftskosten gezahlt hat, kann auch nur die Behörde Rückerstattungsansprüche geltend machen, urteilte der Bundesgerichtshof.

Karlsruhe (epd). Bürgergeldbezieher können eine rechtswidrig überhöhte Miete regelmäßig nicht von ihrem Vermieter zurückfordern. Wurde die überhöhte Miete vom Jobcenter gezahlt, geht der Anspruch auf Rückerstattungen auf die Behörde über, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) am 5. Juni. Nicht entschieden haben die Karlsruher Richter, ob Bürgergeldbezieher Rückerstattungsansprüche gegen den Vermieter geltend machen können, wenn sie einen Teil der Miete aus eigener Tasche bezahlt haben - etwa weil das Jobcenter wegen einer unangemessenen Wohnung nicht sämtliche Unterkunftskosten übernommen hat.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger vom 1. September 2018 bis Ende Juni 2020 gemeinsam mit einer weiteren Person eine Wohnung in Berlin gemietet. Die Miete für den damals Hartz IV beziehenden Mann hatte das Jobcenter vollständig übernommen.

Verstoß gegen Mietpreisbremse vermutet

Gegenüber dem Vermieter hatten er und sein Mitmieter unter anderem geltend gemacht, die Miete verstoße gegen die in Berlin geltende Mietpreisbremse und sei sittenwidrig überhöht. Zudem sei sie wegen eines Wasserschadens von Mitte September 2019 bis in den März 2020 hinein in vollem Umfang gemindert gewesen. Das Amtsgericht Köpenick gab der Klage in Höhe von rund 11.000 Euro statt. Das Landgericht Berlin wies die Berufung des Mieters jedoch zurück.

Das hat nun auch der BGH bestätigt. Die Ansprüche auf Rückerstattung der überzahlten Miete seien während des Bezugs von Hartz IV, dem heutigen Bürgergeld, entstanden. Hätte der Vermieter dieses Geld noch während des Mietverhältnisses zeitnah zurückgezahlt, hätte sich der Hartz-IV-Empfänger das vom Amt leistungsmindernd anrechnen lassen müssen. Würde ihm die vom Vermieter vorgenommene nachträgliche Zahlung nun überlassen, käme das einer „ungerechtfertigten Bereicherung“ gleich, so die Karlsruher Richter.

Jobcenter wurde nicht gegen Vermieter aktiv

Zwar habe das Jobcenter keine Ansprüche gegen den Vermieter geltend gemacht. Darauf komme es aber nicht an, befand das Gericht. Denn „das betrifft ausschließlich den Verwaltungsvollzug, berührt jedoch nicht die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchsübergangs auf den Leistungsträger“, urteilte der BGH.

Dass das Jobcenter eine zu viel gezahlte Miete vom Vermieter zurückfordern kann, hatten die Karlsruher Richter bereits am 31. Januar 2018 entschieden. Danach kann die Behörde, die die Miete für Hartz-IV-Bezieher direkt an den Vermieter überwiesen hat, eine wegen des Auszugs des Mieters irrtümlich zu viel überwiesene Miete zurückfordern. Der Vermieter dürfe das überzahlte Geld nicht mit bestehenden Forderungen gegen den Mieter verrechnen. Im konkreten Fall wurde damit ein Vermieter dazu verurteilt, 860 Euro an das örtliche Jobcenter zurückzuzahlen.

Der BGH urteilte, dass dem Jobcenter ein Rückforderungsanspruch zusteht. Denn mit der Vorlage des neuen Mietvertrages hätten die Hartz-IV-Empfänger indirekt erklärt, dass sie keine weiteren Zahlungen an den alten Vermieter wünschten. Durch die Mietkündigung habe der Vermieter zudem gewusst, dass ihm das Geld nicht mehr zustehe, so das Gericht.

BSG urteilte über Sofortbonus

Doch nicht nur beim Streit um Rückzahlungsansprüche wegen zu viel gezahlter Miete gehen ehemalige Hartz-IV- und jetzige Bürgergeldbezieher leer aus. Wollen sie von niedrigeren Stromkosten profitieren und erhalten sie für den Wechsel des Stromanbieters von diesem einen „Sofortbonus“ ausgezahlt, wird dieser Betrag als Einkommen mindernd auf die Hilfeleistung angerechnet, urteilte am 14. Oktober 2020 das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.

Zwar mindere etwa eine Stromkostenerstattung nicht das Arbeitslosengeld II. Geld, das die Hartz-IV-Empfänger aus ihrer Regelleistung selbst aufgebracht haben, könne nicht als Einkommen angesehen werden. Das gelte aber nicht für einen ausgezahlten Bonus, so die obersten Sozialrichter. Dabei handele es sich nicht um eine Rückzahlung, sondern um einen vom Stromverbrauch unabhängigen Bonus. Damit liege eine Einnahme vor, befand das Gericht. Kein anzurechnendes Einkommen liegt nach den Urteilsgründen dagegen vor, wenn der Bonus nicht ausgezahlt, sondern in Form künftiger geringerer Stromzahlungen gewährt wird.

Az.: VIII ZR 150/23 (Bundesgerichtshof, Mietrückerstattung)

Az.: VIII ZR 39/17 (Bundesgerichtshof, Vermieter, Aufrechnung)

Az.: B 4 AS 14/20 R (Bundessozialgericht)

Frank Leth