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Ursachen für den Verlust von stationären Pflegeplätzen




Plakat am Bad Homburger Bahnhof wirbt um Pflegekräfte
epd-bild/Heike Lyding
In Deutschland gibt es nicht genug stationäre Pflegeplätze. Seniorenheimen fehlt Geld, durch Insolvenzen gehen Plätze verloren. Die eigentlichen Ursachen für den Mangel liegen aber woanders - nämlich an fehlendem Pflegepersonal.

Frankfurt a.M. (epd). Ende Februar kam das Aus für das Johannisheim in Stade nahe Hamburg. Die rund 60 Bewohnerinnen und Bewohner mussten ausziehen, nachdem die Rettung des insolventen Pflegeheims gescheitert war.

Nachrichten über insolvente Heime häufen sich derzeit. 2023 mussten laut Daten der Krankenkassen 66 Heime schließen, gut 3.300 stationäre Pflegeplätze gingen so verloren, das entspricht 0,36 Prozent der knapp 920.000 Plätze in Heimen zu Beginn des vergangenen Jahres. Dieser Verlust mag gering erscheinen, doch das ist nicht so. Denn die Zahl der Pflegeplätze muss zunehmen, weil die Bevölkerung altert und so mehr Personen pflegebedürftig werden. Einer Untersuchung des Essener RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge braucht Deutschland bis zum Jahr 2040 mehr als 320.000 stationäre Pflegeplätze zusätzlich.

Verband: In der Pflege fehlt überall Geld

Es mangele Heimbetreibern an Geld, sagt der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege, Thomas Greiner. „Grund für die Krise ist die organisierte Verantwortungslosigkeit von Kassen und Sozialhilfeträgern, Bund und Ländern“, schimpft er. Lohnsteigerungen für Personal würden nicht refinanziert, die Bundesländer investierten kaum oder gar nicht in die Infrastruktur.

Ein weiteres Problem vieler stationärer Einrichtungen ist nach Greiners Angaben die langsame Bürokratie. Wer auf Sozialhilfe angewiesen sei und im Heim lebe, sei darauf angewiesen, dass die Sozialämter die Kosten dafür übernehmen. Aber die Bearbeitung von Anträgen dauere in den Ämtern oft ein halbes Jahr lang oder noch länger, kritisiert Greiner. „Die Pflegeheime unterstützen Betroffene bei der Antragsstellung und sichern selbstverständlich die pflegerische Versorgung ab, auch wenn Rechnungen über Monate unbezahlt bleiben“, sagt er.

Nicht Zahl der Heime, sondern Zahl der Pflegeplätze entscheidend

Sascha Köpke vom Kölner Institut für Pflegewissenschaft bestätigt: „Für viele Einrichtungen ist es ein Problem, mit Kostenträgern umzugehen, und das ist natürlich ein Skandal.“ Aber für den Verlust von Pflegeplätzen in Heimen sei das keine relevante Ursache. „Die Zahl der Heime ist nicht das entscheidende“, sagt der Pflegewissenschaftler, „sondern die Zahl der Pflegeplätze.“ Und die Zahl der Pflegeplätze hängt vor allem an der Zahl der Pflegekräfte.

Eine Umfrage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft Ende 2023 beispielsweise ergab, dass 6,8 Prozent aller Pflegebetten wegen Personalmangels gesperrt sind. Bei der Caritas in Bayern waren es im September 2023 rund zehn Prozent der Betten. Das zeigt: Das Problem der mangelnden Fachkräfte ist vielfach größer als das der Insolvenzen. Und das eine ist oft Ursache für das andere. Müssen Heimbetreiber mitunter ganze Stationen sperren, fehlen ihnen in der Folge die Einnahmen. „Modelle, mit denen man bisher auf den Mangel reagiert hat, zum Beispiel Zeitarbeit, greifen nicht mehr“, erläutert Köpke.

„Fehlplanungen im Gesundheitssystem“

Zudem gebe es Fehlplanungen im Gesundheitssystem insgesamt, sagt Köpke. Der deutsche Krankenhaussektor sei im internationalen Vergleich überdimensioniert. Weil hierzulande viel mehr Eingriffe in Kliniken anstatt ambulant gemacht werden, binde das Fachkräfte-Ressourcen. Köpke vermisst außerdem neue Ansätze in der Altenpflege. Außer personalintensiven Heimen gebe es kaum Alternativen für pflegebedürftige Senioren. Auch da seien andere Länder schon weiter als Deutschland.

In der Kritik der Heimbetreiber steht auch die generalistische Pflegeausbildung, also die Zusammenlegung der früher getrennten Ausbildungen für Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege. Pflegekräfte entschieden sich seither eher gegen die Altenpflege. AGVP-Präsident Greiner verweist auf sinkende Ausbildungszahlen.

Stefan Werner, Vizepräsident des Deutschen Pflegeverbands für Pflegeberufe, widerspricht hier. „Wenn eine Einrichtung Personal nicht halten kann, ist dafür die Einrichtung verantwortlich und nicht die Ausbildung“, sagt er. Es sei sicher nicht der richtige Weg, einen „Zaun um die beruflichen Möglichkeiten“ zu ziehen.

Köpke: Pflegejobs müssen attraktiver werden

Auch Pflegeforscher Köpke stimmt zu, dass bei der attraktiveren Gestaltung der Pflegearbeit die Betreiber von Heimen durchaus gewissen Spielraum hätten. Bei Urlaubs- und Dienstplangestaltung flexibel auf Wünsche ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen, ist zwar aufwendig, aber niemand würde sie daran hindern. Und hier gebe es auf Arbeitgeberseite durchaus positive Beispiele, sagt Köpke: „Einrichtungen, die gut klarkommen und ihr Personal halten können, gibt es durchaus.“

Langfristig helfe gegen den Fachkräftemangel die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Aufwertung des Pflegeberufs, erklärt Köpke. Dazu müssten Pflegekräfte mehr Kompetenzen erhalten. Wenn sie ihr Können auch ohne Anleitung der Ärzte einsetzen dürften, seien sie zufriedener im Beruf. Langfristig sei hier auch die generalisierte Ausbildung der richtige Weg.

Stefan Werner vom Berufsverband Pflege verweist auf die Bedeutung besserer Personalschlüssel. Es klinge zwar absurd, in Zeiten absoluten Personalmangels mehr Personal zu fordern, erklärt er, aber das sei ein Henne-Ei-Problem: „Wir wissen, dass ganz viele Pflegekräfte wegen der Arbeitsbelastung aus dem Beruf ausgestiegen sind.“ Die arbeiteten heute in Tankstellen oder in Sanitätshäusern, wo sie oft einen viel geringeren Verdienst als in ihrem erlernten Beruf in Kauf nähmen. Aber wenn man die Belastung senke, würden viele zurückkehren oder Teilzeitkräfte ihre Arbeitszeit aufstocken. Dazu brauche es die Personalschlüssel, erklärt er: „Wir müssen erst einmal die Stellen schaffen, um sie besetzen zu können.“

Keine kleine Aufgabe. Die mehr als 320.000 zusätzlichen Pflegeplätze, die Deutschland bis 2040 braucht, bedeuten: 163.000 bis 380.000 Vollzeitkräfte zusätzlich.

Nils Sandrisser


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