Frankfurt a.M. (epd). Behörden und Gerichte dürfen den von einem neunjährigen Kind geäußerten Wunsch auf Kontaktabbruch zum Vater nicht ignorieren. Nur weil die Mutter das Kind hierzu beeinflusst hat, darf es deshalb nicht in einem Heim untergebracht werden, um dort den Vater-Kind-Kontakt stabilisieren zu können, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am 6. Mai bekanntgegebenen unanfechtbaren Beschluss.
Im konkreten Fall ging es um ein neunjähriges Mädchen, das ausschließlich im Haushalt der Mutter aufgewachsen war. Mit dem getrenntlebenden Vater hatte das Kind über viele Jahre regelmäßige und ausgedehnte Umgangskontakte. Im Alter von sieben Jahren verweigerte die Tochter plötzlich jeglichen Umgang.
Die Mutter vermutete, dass „sexuell getönte Vorfälle“ zwischen ihrem Ex-Partner und dem Kind die Ursache gewesen seien. Sie bestärkte das Kind in seiner Umgangsverweigerung. Ein Sachverständiger konnte den Tatverdacht eines Kindesmissbrauchs nicht bestätigen. Vielmehr spreche einiges dafür, dass die Umgangsverweigerung des Mädchens auf die Beeinflussung durch die Mutter zurückzuführen sei, so der Gutachter. Der Vater beantragte daraufhin die Übertragung der elterlichen Sorge.
Das Amtsgericht ordnete nach Empfehlungen des Sachverständigen, des Jugendamts und des Verfahrensbeistands des Kinds im Eilverfahren an, dass dieses in ein Heim untergebracht werden soll. Durch die Heimunterbringung könne das Vater-Kind-Verhältnis unbeeinflusst durch die Mutter stabilisiert und der Wechsel in den Haushalt des Vaters vorbereitet werden.
Das OLG erklärte dies für rechtswidrig. Die Wünsche und Vorstellungen des Kindes dürften nicht völlig ignoriert werden. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Kind im Haushalt der Mutter nicht ausreichend versorgt sei. Das Mädchen sei eine sehr gute Schülerin, habe altersgerechten Umgang mit Gleichaltrigen und habe den Abbruch des Umgangs mit dem Vater aktiv gewünscht. Ein Kontaktabbruch zur hauptbetreuenden Mutter sei für das Kind unerträglich. Schließlich sei es „äußerst fraglich“, ob mit der Heimunterbringung tatsächlich das Ziel erreicht werden könne, dass das Kind in den Haushalt des Vaters wechseln wolle.
Az.: 7 UF 46/23