sozial-Recht

Landessozialgericht

Kindergeld für volljähriges Kind in Wohngruppe gehört Vater




Justitia
epd-bild/Heike Lyding
Sozialhilfeträger dürfen das Kindergeld für ein in einer Wohngruppe lebendes erwachsenes behindertes Kind nicht als Einkommen auf die Sozialleistungen anrechnen. Das Kindergeld ist den Eltern zuzurechnen, urteilte das Landessozialgericht Stuttgart.

Stuttgart, Kassel (epd). Sozialhilfeträger dürfen bei der Anrechnung von Einkommen für ein in einer besonderen Wohnform lebendes erwachsenes behindertes Kind keine zu strengen Maßstäbe anlegen. Wird das Kindergeld an den kindergeldberechtigten Elternteil ausgezahlt, stellt dies noch kein Einkommen des erwachsenen Kindes dar, das mindernd auf die Sozialleistungen angerechnet werden kann, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am 2. Mai veröffentlichten Urteil. Kommen die Eltern dagegen voll für die Bekleidung des Kindes auf, muss dies als Naturalleistung und damit als Einkommen berücksichtigt werden, so dass die Sozialhilfe hierfür keine Leistungen mehr gewähren muss.

Kläger wollte erhöhten Bedarf geltend machen

Der 1990 geborene erwachsene Kläger lebt in einer diakonischen betreuten Wohngruppe im Raum Freiburg. Bei ihm besteht ein frühkindlicher Autismus, eine Epilepsie sowie Kleinwuchs. Ihm wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und der Pflegegrad 5 zuerkannt. Der Sozialhilfeträger zahlte dem Kläger von Juli bis Ende Dezember 2021 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 805,10 Euro monatlich. Darin enthalten waren unter anderem der Regelbedarf, die Unterkunftskosten sowie behinderungsbedingte Mehrbedarfe.

Der Vater des Klägers hielt dies für zu wenig. Sein Sohn habe einen erhöhten Bedarf, der nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. So sei es im Zuge einer Medikamentenumstellung zu häufigem Einnässen und Einkoten und damit zu einem erhöhten Bekleidungsbedarf gekommen. Als Eltern würden sie zu Hause ein Zimmer für Übernachtungen des Sohnes vorhalten. Damit liege eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft vor, so dass die anfallenden anteiligen Unterkunftskosten für die Übernachtungen zu Hause übernommen werden müssten. Weitere erhöhte Bedarfe bestünden in Form von Mobilitätskosten für durchzuführende Besuche sowie für einen Ernährungsmehrbedarf, da der Sohn eine Unverträglichkeit gegen Kuhmilch, Hühnerei und Banane habe. Auch das Kindergeld sei nicht als Einkommen des Kindes zu berücksichtigen. Dieses werde bereits für anfallende Kosten des Kindes verwendet, so der Vater.

Kindergeld ist kein Einkommen des Kinds

Das LSG gab dem behinderten Kläger teilweise recht. Er habe Anspruch auf Sozialhilfeleistungen in Höhe von monatlich 1.021,83 Euro. Allerdings müsse sich der Kläger monatlich 33,27 Euro für die von den Eltern gekaufte Bekleidung als Einkommen mindernd anrechnen lassen. Das an den kindergeldberechtigten Vater ausgezahlte Kindergeld stelle aber kein Einkommen des erwachsenen Kindes dar und sei nicht mindernd zu berücksichtigen, urteilte das LSG. Zwar sei seit einer ab Juli 2021 geltenden Gesetzesänderung das Kindergeld bei Minderjährigen dem Kind zuzurechnen. Hier sei der Kläger aber volljährig. Das Kindergeld habe der Kläger auch nicht von seinem Vater ausgezahlt bekommen.

Allerdings könne der Kläger für seine Aufenthalte bei den Eltern keine höheren Unterkunftskosten beanspruchen. Eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft liege hier nicht vor, urteilte das LSG mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Das BSG hatte bereits am 12. Juni 2013 zu getrenntlebenden Eltern im Hartz-IV-Bezug entschieden, dass bei regelmäßigen Aufenthalten des Kindes beim anderen Elternteil das Jobcenter dort anteilig die Kosten übernehmen muss, die durch den Umgang mit dem Kind entstehen - etwa für Unterkunft oder Verpflegung. Hier sei der Kläger aber nur für wenige Tage im Jahr zu seinen Eltern gefahren, so dass es sich nur um Besuche und nicht um eine temporäre Bedarfsgemeinschaft gehandelt habe, urteilte das LSG. Höhere Sozialhilfeleistungen könnten deshalb nicht verlangt werden.

Da die Eltern für den Kläger im Jahr 2021 rund 2.000 Euro für Bekleidung aufgewendet hätten, sei allein der im Regelbedarf hierfür vorgesehene Anteil für Bekleidung in Höhe von 33,27 Euro als Naturalleistung und damit als Einkommen anzurechnen. Ein Anspruch auf eine zusätzliche Bekleidungspauschale bestehe nicht. Dies sei gesetzlich nur bei einer Unterbringung in einer stationären Einrichtung vorgesehen. Hier lebe der Kläger aber in einer Wohngruppe, einer besonderen Wohnform der Diakonie. Ein behinderungsbedingter regelmäßiger Mehrbedarf für Bekleidung bestehe auch nicht. Die verschmutzte Kleidung könne einfach gewaschen werden

Der Kläger könne auch keinen Mehrbedarf für Fahrtkosten der Eltern geltend machen. Diese seien von den Eltern und nicht vom Kläger zu tragen. Allerdings könnten die Eltern im Rahmen der Eingliederungshilfe Besuchsbeihilfen beantragen. Mehraufwendungen für Verpflegung wegen der Nahrungsmittelunverträglichkeiten lägen nicht vor. Der Kläger könne die entsprechenden Lebensmittel bei seiner Ernährung einfach weglassen.

Az.: L 7 SO 1332/23 (LSG Stuttgart)

Az.: B 14 AS 50/12 R (BSG)