Montabaur (epd). Stefanie Krones ist Vorständin im Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn und sitzt im Vorstand des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland. Sie sieht die Generalistik als großen Fortschritt - für die Beschäftigten wie für die Träger. Die Volljuristin sieht aber noch viele „Stellschrauben, an denen wir drehen können, um die Ausbildung noch erfolgreicher und effizienter gestalten zu können“. Das betreffe etwa die Vernetzung zwischen der Pflegeschule, den Trägern der praktischen Ausbildung und den anderen Einrichtungen, in denen externe Praxiseinsätze absolviert werden. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Jüngst fand ein Expertentreffen auf Einladung katholischer Fachverbände zum Thema generalistische Pflegeausbildung in Frankfurt am Main statt. Warum dieses Treffen, was wurde dort diskutiert und wie fällt die Zwischenbilanz der Ausbildungsreform zur Generalistik aus?
Stefanie Krones: Derzeit schließen die ersten Generalistinnen und Generalisten ihre Ausbildung ab. Die verpflichtenden Praxiseinsätze innerhalb der Ausbildung finden sowohl in der Altenpflege als auch in der Krankenpflege statt. Daher war es uns, den katholischen Krankenhäusern und dem Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland, ein Anliegen, gemeinsam zu schauen, wie die Träger für diese Generation attraktive Ausbildungsbetriebe sein können. Die Zwischenbilanz der rund 80 Teilnehmenden zur Generalistik fiel einheitlich erfreulich positiv aus.
epd: Im Januar 2020 startete die Ausbildungsreform. Welche Erfahrungen haben Sie unterdessen gemacht und was ist nun die Aufgabe der Ausbildungsträger, etwa beim Nachjustieren an den bestehenden Ausbildungskonzepten?
Krones: Trotz einer positiven Zwischenbilanz schauen wir, an welchen Stellschrauben wir drehen können, um die Ausbildung noch erfolgreicher und effizienter gestalten zu können. Die Vernetzung zwischen der Pflegeschule, den Trägern der praktischen Ausbildung und den anderen beteiligten Einrichtungen, in denen externe Praxiseinsätze absolviert werden, ist hier der Schlüssel. Beispielhaft nenne ich die Kooperationsverträge zwischen den genannten Akteuren, die Verantwortlichkeiten und Erwartungen aller beteiligten Parteien klar definieren. Ein kontinuierlicher Austausch trägt dazu bei, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen.
epd: Führt die Reform wirklich dazu, dass in allen Pflegesektoren genügend Personal ankommt? Verbände wie der bpa bestreiten das seit Jahren und würden die Generalistik eher heute als morgen wieder abschaffen, weil in der Altenpflege nach seinen Angaben die Auszubildendenzahlen um bis zu zehn Prozent zurückgegangen seien.
Krones: Neue Fachkräfte fehlen, während andere in den Ruhestand gehen. Das zeigt der aktuelle DAK-Pflegereport sehr deutlich. Diese Entwicklung ist jedoch demografischer Art und hat Auswirkungen auf alle Branchen, nicht nur auf die Pflege. Die Generalistik für den Fachkräftemangel verantwortlich zu machen, halte ich für falsch. Um auf allen Seiten für ausreichend Nachwuchs zu sorgen müssen die Ausbildungsanstrengungen und -zahlen erhöht werden. Auch nehmen wir eine andere Sichtweise ein, nämlich die der jungen Generation, die wir für ein zukünftiges langjähriges Berufsleben ausbilden und denen wir die für die künftigen Herausforderungen die erforderlichen Fertigkeiten mit auf den Weg geben möchten. Um auf allen Seiten für ausreichend Nachwuchs zu sorgen, müssen die Ausbildungsanstrengungen und -zahlen erhöht werden.
epd: Sie und Ihr Verband sehen in der Generalistik ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Fachkräftemangel in der Pflege. Um hier zu bestehen, braucht es noch mehr Azubis. Ist dieses Ziel mit der Reform erreicht?
Krones: Der DAK-Bericht zeigt, dass die Ausbildungszahlen insgesamt gestiegen sind. Die generalistische Ausbildung ist aus unserer Sicht ein Modell mit Zukunft, denn sie ist europaweit anerkannt und durchlässig über die gesamte Berufsbiografie hinweg. Für die Generation Z, der die meisten unserer Azubis angehören, ist diese Flexibilität wesentlich wichtiger, als das noch die vorherige Generation eingeschätzt hat. Die Ausbildung allein ist aber noch kein Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel. Es gilt gleichzeitig, sich für moderne Konzepte, Digitalisierung und gut Arbeitsbedingungen einzusetzen.
epd: Immer öfter machten in der Vergangenheit auch Meldungen die Runde, die Abbrecherquote in der Generalistik seien hoch. Stimmt das im Vergleich zu vor 2020 und was sind die Gründe, die abgestellt gehören?
Krones: Wenn Sie die Abbruchquoten aller Ausbildungsberufe vergleichen, ist festzustellen, dass diese branchenübergreifend in etwa gleich sind. Selbstverständlich stellen wir uns der Frage, wie wir Ausbildungsabbrüche vermeiden können. In der Ausbildung geht es für die Verantwortlichen nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern auch um soziale und psychosoziale Unterstützung. Bei internationalen Auszubildenden ist außerdem die Unterstützung bei der Integration und dem Spracherwerb sowie bei bürokratischen Anliegen wichtig. Daher fordern wir, die Schulsozialarbeit zu stärken. Das Personal dafür muss über den Ausbildungsfonds refinanziert werden.
epd: Einer soeben veröffentlichten Umfrage der Pflegekammer Rheinland-Pfalz überlegen 34 Prozent der Fachkräfte häufiger, wegen Stress und hoher Arbeitsbelastung den Job zu wechseln. Kann die Generalistik überhaupt einen Beitrag zum Gegensteuern leisten oder kommt es doch eher auf andere Parameter im Berufsumfeld an?
Krones: Wie gesagt, die Ausbildung ist nicht das alleinige Mittel gegen den Fachkräftemangel. Es braucht Reformen an vielen Stellen. Das Berufsbild hat mehr Anerkennung verdient. Da erwarten wir vom geplanten Pflegekompetenzgesetz wichtige Maßnahmen. Auch muss dringend weiter entbürokratisiert und in Digitalisierung investiert werden. Viele setzen auch auf Springerpools, um personelle Engpässe abfedern zu können, ohne auf extrem teure Leiharbeitsfirmen zurückgreifen zu müssen. Wichtig ist zukünftig insbesondere, dass Träger dabei unterstützt werden, internationale Auszubildende und Fachkräfte gut zu begleiten und zu unterstützen. Unsere Azubis kommen auch aus Marokko, Indien, Kamerun, Syrien und der Ukraine. Das sorgt für neue Herausforderungen.
epd: Die vormals schlechte Bezahlung in der Pflege scheint nach hohen Tarifsteigerungen überwunden zu sein. Am Geld kann es also nicht liegen, dass das Image der Pflege noch immer nicht wirklich gut ist ...
Krones: Die Caritas ist zusammen mit der Diakonie Spitzenreiterin bei den Gehältern in der Pflege, das zeigen aktuelle Zahlen. Am Geld liegt es demnach nicht unbedingt. Die Mitarbeitenden in unseren Einrichtungen und Diensten identifizieren sich sehr mit ihrem Beruf und sind in ihrem Umfeld gute Botschafter:innen für die Pflege. Dieses Bild muss sich gesamtgesellschaftlich etablieren. Wir als Trägerverantwortliche müssen das unsere dafür tun, dass der Beruf attraktiv und ist und eigene Karrierewege ermöglicht. Gerade in der modernen Gesundheitsversorgung muss interdisziplinär und sektorenübergreifend agiert werden. Menschen mit einer generalistischen Pflegeausbildung können eine selbstbewusstere Rolle übernehmen und interdisziplinär und sektorenübergreifend arbeiten.