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Interview

Migrationsexperte: Bezahlkarten brauchen vielfältige Funktionen



Nürnberg (epd). Der Migrations- und Arbeitsmarkforscher Herbert Brücker hat die Bundesländer aufgerufen, die künftigen Bezahlkarten für Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge mit großzügigen Nutzungsmöglichkeiten auszustatten. „Wenn die Einkaufs- und Konsummöglichkeiten stark begrenzt werden, hat das negative Auswirkungen auf die Integration der betroffenen Menschen“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Räumlich eingeschränkte Bezahlmöglichkeiten behinderten die Mobilität, schränkten die Kontakte zur einheimischen Bevölkerung ein und behinderten auch die Suche nach Arbeit, sagte der Forscher vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Berliner Instituts für Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt Universität.

Brücker sagte weiter, mit der Nutzung der Bezahlkarte seien viele Probleme verbunden, die man hätte vermeiden können. „Ein Konto ist aus meiner Sicht vorzuziehen. Dann kann man Geld abheben, überall einkaufen, sich frei bewegen und stößt bei der Jobsuche nicht auf unnötige Hürden.“

Kritik an begrenzter Bargeldausgabe

Problematisch ist laut Brücker vor allem das begrenzte Abheben von Bargeld. „Die Geflüchteten sind dadurch stark eingeschränkt, denn es gibt viele Dinge im alltäglichen Leben, die kann man nur mit Bargeld bezahlen.“ Ähnlich kritisch sieht der Fachmann die Ankündigungen, die Karten nur in bestimmten Geschäften oder nur innerhalb eines Landkreises nutzbar zu machen. „All das wäre negativ für die Integration.“ Das gelte etwa, „wenn es Sprach- oder Integrationskurse oder Beratungsangebote nur außerhalb ihres Landkreises gibt, die die Menschen aber nur noch schwer erreichen können, wenn ihnen dort kein Zahlungsmittel zur Verfügung steht.“ Gleiches gelte für Jobsuche.

Die Regelungen der Kartennutzung sei Sache der Bundesländer, so der Experte. Klar sei aber, dass die Vorgaben für die Kommunen sehr unterschiedlich aussehen werden. Brücker: „Weil man ja Überweisungen in die Heimatländer der Geflüchteten erschweren will, wird es hier sicher Restriktionen geben.“ Zu den Geldbeträgen, die Geflüchtete in ihre Heimat schicken und womöglich auch zur Bezahlung von Schleppern dienen könnten, sagte Brücker, diese Summen seien sehr gering. Die meisten Gelder, etwa 800 Millionen Euro, die in die Herkunftsländer flössen, stammten von Personen, die in regulärer Beschäftigung seien.

Ansparen für Schlepper sei völlig unrealistisch

Mit den Sätzen des Asylbeweberleistungsgesetzes, die ohnehin nicht sehr hoch seien, müssten die Menschen hierzulande auskommen. „Wenn davon zehn oder zwanzig Prozent nach Hause überwiesen würden, dann würde es beim Ansparen mindestens fünf Jahre dauern, bis ein Schlepper für die Flucht nach Europa bar bezahlt werden könnte“, so Brücker. Das sei völlig unrealistisch und es gebe keine empirische Evidenz dafür.

Ein Schlepper koste nach vorliegenden Forschungen zwischen fünf- und siebentausend Euro. Quantitative Studien oder andere Belege, die zeigen, dass Schlepper durch Transferleistungen finanziert werden, gebe es jedoch nicht, so der Experte. „Diese Hypothese ist so aus der Welt, dass das bisher niemand systematisch untersucht hat.“

Dirk Baas


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