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Bezahlkarte für Flüchtlinge bleibt in der Kritik




Hannover nutzt bereits die SocialCard für Asylsuchende
epd-bild/Jens Schulze
Der Bundestag hat eine gesetzliche Regelung für die Bezahlkarte für Flüchtlinge beschlossen. Bundesinnenministerin Faeser sieht darin eine Maßnahme im Kampf gegen Schleuser. Sozialverbände erneuerten ihre Kritik und pochten auf eine "diskriminierungsfreie Anwendung".

Berlin (epd). Nach dem Beschluss des Bundestages, eine gesetzliche Grundlage für die Bezahlkarte für Flüchtlinge beschlossen, zu schaffen, reißt die Kritik an dem Vorhaben nicht ab. Die Diakonie appellierte an die Länder und Kommunen, die Bezahlkarten so auszugestalten, dass sie „sinnvoll und diskriminierungsfrei“ genutzt werden können.

Sozialvorständin Maria Loheide sagte: „Die Bezahlkarte sollte nur zum Einsatz kommen, wenn dadurch der Verwaltungsaufwand sinkt oder es der Digitalisierung dient.“ Eine Bezahlkarte ohne Kontofunktionen und mit Auszahlungsbeschränkungen sei entmündigend und wirke der Integration entgegen. „Spätestens nach 36 Monaten, wenn die Menschen keine reduzierten Leistungen mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sollte ohnehin klar sein: Konto vor Bezahlkarte.“

Paritätischer: Auf Bezahlkarte verzichten

Der Paritätische Wohlstandsverband hingegen forderte die Länder und Kommunen auf, ganz auf eine Einführung der Bezahlkarte zu verzichten. Sie sei ein „Instrument zur Gängelung, Kontrolle und Diskriminierung Geflüchteter im Asylbewerberleistungsbezug“, rügte Hauptvorstand Ulrich Schneider.

Zwar enthalte das Gesetz nun einige Verbesserungen gegenüber dem Gesetzesentwurf, die auf Drängen von Bündnis 90/Die Grünen aufgenommen wurden, dennoch bleibe die grundsätzliche Kritik des Verbandes an der Einführung von Bezahlkarten bestehen. Tatsächlich werde die Einführung von Bezahlkarten die Ausgrenzung Geflüchteter vorantreiben und ihre Armut verstärken, warnte Schneider.

Mit den überwiegenden Stimmen der Ampel-Fraktionen sowie der von AfD und der Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stimmte das Parlament am 12. April für eine entsprechende Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Doch die Kritik an dem Vorhaben verstummt nicht. Fachleute und Sozial- und Flüchtlingsverbände halten die Bezahlkarte weiter für überflüssig und diskriminierend.

Forschende gehen auf Distanz

Der Migrations- und Arbeitsmarkforscher Herbert Brücker rief die Bundesländer auf, die Bezahlkarten mit großzügigen Nutzungsmöglichkeiten auszustatten. „Wenn die Einkaufs- und Konsummöglichkeiten stark begrenzt werden, hat das negative Auswirkungen auf die Integration der betroffenen Menschen“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Räumlich eingeschränkte Bezahlmöglichkeiten behinderten die Mobilität, schränkten die Kontakte zur einheimischen Bevölkerung ein und behinderten auch die Suche nach Arbeit, sagte der Forscher vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Berliner Instituts für Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt Universität.

„Für Flucht gibt es keine einfachen Erklärungen“, sagte Friederike Römer vom DeZIM dem epd. „Studien zu langfristigen globalen Trends zeigen, dass Fluchtbewegungen vor allem von den Bedingungen und Konflikten in den Herkunftsländern beeinflusst werden und weniger von der Aufnahmepraxis in den Zielländern.“ Wenn also sogenannte „Pull-Faktoren“ verändert würden, wirke sich das wahrscheinlich auf Teilhabe und Wohlergehen Geflüchteter aus, aber wohl kaum auf ihre Zahl.

Im neuen Gesetz wird die Bezahlkarte künftig ausdrücklich erwähnt und festgelegt, dass Sozialleistungen vorrangig in dieser Form statt bar ausgezahlt werden sollen. Union und Linke sowie die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram stimmten gegen die Regelung.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wies im Bundestag darauf hin, dass mit der Bezahlkarte Überweisungen ins Ausland künftig nicht mehr möglich sind. Es sei dringend erforderlich gewesen, dem menschenverachtenden Modell von Schleppern und Schleusern so zusätzliche Schranken zu setzen.

Geldkarte auf Guthabenbasis

Die Bezahlkarte ist eine Geldkarte ohne Kontobindung, über die Flüchtlinge künftig ihre Sozialleistungen ausbezahlt bekommen sollen. Gleichzeitig funktioniert sie als Zahlmittel. Bund und Länder hatten sich im November darauf verständigt, eine möglichst bundesweit einheitliche Bezahlkarte einzuführen.

Sie sind der Auffassung, dass finanzielle Anreize für die Flucht nach Deutschland reduziert werden, wenn dadurch die Auszahlung von Bargeld begrenzt und Überweisungen in die Heimat unterbunden werden. An der Höhe der Asylbewerberleistungen, die unterhalb des Bürgergelds liegen, ändert sich dadurch aber nichts. Alleinstehende Flüchtlinge erhalten derzeit 460 Euro im Monat, 413 Euro, wenn sie in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind.

Eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte wird es nach aktuellem Stand nicht geben. 14 der 16 Bundesländer wollen ein gemeinsames System, bei dem jedes Land aber Details wie Bargeldbeschränkungen oder eine Beschränkung der Funktion nur auf den Landkreis selbst festlegen kann. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen ein eigenes System.

Corinna Buschow, Lena Köpsell


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