Berlin (epd). Der Deutsche Caritasverband und der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) lehnen die Kommissionsvorschläge zur Reform des Paragrafen 218 ab. Sie appellieren an die Politik, den Empfehlungen nicht zu folgen, denn ihre ethischen, lebenspraktischen und gesellschaftlichen Implikationen seien außerordentlich weitreichend.
„Wer das Selbstbestimmungsrecht der Mutter und das Lebensrecht des Kindes im Schwangerschaftskonflikt gleichermaßen respektieren und in ihrer spannungsreichen Beziehung überzeugend schützen will, darf nicht die Menschenwürde des ungeborenen Kindes zur Disposition stellen“, betonte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
Die Schlussfolgerungen der Kommission zum Schwangerschaftskonfliktrecht seien polarisierend und lebensfremd. „Sie versuchen, den Schwangerschaftskonflikt einseitig aufzulösen, indem für das ungeborene Kind nur ein eingeschränkter und dazu willkürlich gestufter Schutz seiner Menschenwürde angenommen wird.“
„Die Politik muss übereilte Entschlüsse vermeiden und in der Diskussion, die uns bevorsteht, die Expertise aus der Praxis einbeziehen. Diese gibt es nicht zuletzt in der Begleitung und Beratung von Frauen und jungen Familien in Beratungsstellen und anderen sozialen Diensten“, erläuterte Yvonne Fritz, Vorständin des SkF: „Die Beratung kann Frauen auch schützen, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen, wenn sie von ihrem Umfeld unter Druck gesetzt werden. Die Beratungspflicht muss daher unabdingbar erhalten bleiben.“
Auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sprach sich gegen eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus. Sie sei „irritiert“, so die Präsidentin, „dass ohne Not an den Pfeilern des Paragrafen 218 StGB gesägt wird. Das Konzept der doppelten Anwaltschaft für Frau und Kind, das diesem Paragrafen zugrunde liegt, hat sich bewährt.“ Sie forderte die Beibehaltung des bestehenden Rechts und der damit verbundenen Beratungspflicht. „Die Kommission hat ja erfreulicherweise auch deutlich gemacht, wie wichtig gerade im Schwangerschaftskonflikt Beratung ist und dass ein Abbau des Beratungsangebots ein No-Go wäre“, sagte Stetter-Karp.
Dass die Kommission die Leihmutterschaft skeptisch betrachte, entspreche der Position des ZdK. „Zunächst müssen die Risiken genau in den Blick genommen werden. Die Gefahr der Ausbeutung von Frauen sowie die Frage, welche rechtlichen Konflikte entstehen, bedürfen einer groß angelegten gesellschaftlichen Befassung mit der Frage.“ Der Empfehlung der Kommission, die Eizellenspende vom Prinzip her zu legalisieren, könne das ZdK nicht folgen.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission empfiehlt eine Reform des Abtreibungsrechts in Deutschland. In ihrem am 15. April in Berlin vorgestellten Bericht rät das Gremium, Abtreibungen im frühen Stadium der Schwangerschaft zu erlauben und nicht mehr im Strafrecht zu regulieren. Für späte Schwangerschaftsabbrüche empfiehlt sie, am Verbot festzuhalten.
Bislang gilt, dass Abtreibungen grundsätzlich rechtswidrig, in einer bestimmten Frist und nach Beratung aber erlaubt sind. Die Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen sei nicht haltbar, sagte die Koordinatorin der für das Thema zuständigen Arbeitsgruppe der Kommission, die Rechtsprofessorin Liane Wörner. Die Kommission begründet ihre Empfehlung mit der Abwägung der widerstreitenden Rechte bei Schwangerschaftsabbrüchen: Während sie im frühen Stadium das Recht der Frau auf Selbstbestimmung stärker ausgeprägt sieht, überwiege in der Spätphase einer Schwangerschaft eher das Lebensrecht des Ungeboren. Ob die Bundesregierung oder der Bundestag noch in dieser Wahlperiode eine Reform angehen, blieb zunächst offen.
Die Spätphase beginnt für die Kommission mit dem Zeitpunkt, ab dem der Fötus außerhalb des Mutterleibs lebensfähig ist, also etwa der 22. Schwangerschaftswoche. In der mittleren Phase sieht die Kommission den Gesetzgeber in der Pflicht zu definieren, was unter welchen Voraussetzungen erlaubt ist. In jeder Phase fordert die Kommission ein Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch, wenn die Frau gesundheitlich gefährdet oder Opfer eine Vergewaltigung ist. Eine Beratungspflicht hält die Kommission weiter für denkbar, sieht sie aber nicht als Muss.
Die derzeitige Regelung des Abtreibungsrechts sei Ergebnis einer langen gesellschaftlichen Diskussion, sagte die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Katrin Helling-Plahr, am 16. April dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Den etablierten Kompromiss wieder aufzukündigen, lehnen wir aus diesen Gründen nach wie vor klar ab“, ergänzte sie.
Helling-Plahr sagte, es müsse vielmehr die häufig unzureichende Versorgungslage ungewollt Schwangerer stärker in den Fokus genommen werden. „Die Anzahl der Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, hat sich in den vergangenen 20 Jahren nahezu halbiert“, sagte sie. Benötigt würden hierbei gesundheitspolitische Maßnahmen, „keine rechtspolitischen“.
Widerstand gegen eine Änderung der jetzigen Rechtslage kommt auch aus der Union. Es gebe schon heute die Möglichkeit, straffrei abtreiben zu können, sagte Dorothee Bär (CSU) dem Sender ntv. Es gehe auch darum, das ungeborene Leben zu schützen. Kritik ernten die Empfehlungen auch bei katholischer Kirche und ihr nahestehenden Organisationen.
Die katholischen Bischöfe bezeichneten die Empfehlungen als einseitig. Eine Relativierung, Einschränkung oder Abstufung des Grundrechts auf Leben halte man für falsch, erklärten sie. „Die Ergebnisse zur Neukonzeption des Schwangerschaftsabbruchs betrachten wir als zu einseitig. Die geltende Rechtslage schützt sowohl Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau als auch das ungeborene Kind.“
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte dagegen in einer Stellungnahme für die Kommission im Oktober ebenfalls für eine teilweise Streichung des Abtreibungsverbots aus dem Strafrecht plädiert, was in der evangelischen Kirche für eine kontroverse Debatte sorgte. Eine Sprecherin der EKD verwies am 15. April auf eine interne Arbeitsgruppe, die die ethischen Aspekte einer möglichen Änderung der Rechtslage nun nochmals berät.
Zustimmung für den Vorschlag, frühe Abtreibungen außerhalb des Strafrechts zu regeln, kam von den Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD). Der Abtreibungsparagraf im Strafrecht sei keine „angemessene Lösung für die Verhinderung von Abtreibungen“, sagte die EFiD-Vorsitzende Angelika Weigt-Blätgen.
Für eine mögliche Reform des Abtreibungsrechts hält der Sozialethiker Peter Dabrock Gesprächsangebote der Ampel-Koalition an die Opposition für unabdingbar. „Eine Reform kann nur dann gelingen und gesellschaftlich befriedend wirken, wenn man in der noch anstehenden politischen Debatte mehr Positionen einbezieht als die des progressiven Klientels der Gesellschaft, ideologische Gräben auf allen Seiten verlässt und sich aufeinander zubewegt“, sagte der evangelische Theologe und frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei keine Frage der Zeit, „sondern der Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten, ob man eine Gesetzesregelung zügig angeht“.