Nürnberg (epd). Einem behinderten Flüchtlingskind darf der erforderliche Besuch einer heilpädagogischen Tagesstätte wegen dessen Herkunft aus der Ukraine nicht verweigert werden. Denn es ist davon auszugehen, dass sich ukrainische Flüchtlinge voraussichtlich dauerhaft in Deutschland aufhalten und sie damit Anspruch auf heilpädagogische Maßnahmen im Rahmen der Eingliederungshilfe haben, entschied das Sozialgericht Nürnberg in einem am 2. April veröffentlichten Beschluss.
Im konkreten Fall ging es um eine ukrainische Mutter mit ihren beiden Töchter, die wegen des russischen Angriffskriegs im März 2022 nach Deutschland geflohen waren. Bei der Antragstellerin, der jüngeren Tochter, besteht eine Trisomie 21. Das Kind besucht vormittags eine Förderschule. Wegen eines „erhöhten sonderpädagogischen Förderbedarfs“ empfahl eine Gutachterin auch den nachmittäglichen Besuch der an der Schule angeschlossenen heilpädagogischen Tagesstätte.
Der zuständige Eingliederungshilfeträger lehnte ab. Denn bei der Mutter und ihren Töchtern sei nur von einem vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland auszugehen. Ausländer könnten dann aber nur im Einzelfall Eingliederungshilfe erhalten. Hier sei der Förderbedarf des Kindes durch den Schulbesuch gedeckt.
Die Mutter, die in Deutschland als Dolmetscherin arbeitete, führte ohne Erfolg an, dass ohne Besuch der Tagesstätte die vollständige soziale Integration ihrer Tochter gefährdet sei.
Das Sozialgericht gab ihnen recht und verpflichtete den Eingliederungshilfeträger bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die erforderlichen Hilfen zur Teilhabe an Bildung und damit auch die heilpädagogischen Maßnahmen, zu gewähren. Nach dem Gesetz könnten Ausländer in Deutschland Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt sei. Keine Einschränkung bestehe aber für Ausländer mit einer Niederlassungserlaubnis oder einem befristeten Aufenthaltstitel, sofern sie sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten.
Dies sei hier der Fall. Angesichts des ungewissen Endes des Russland-Ukrainekrieges sei mit einem dauerhaften Aufenthalt der Familie in Deutschland zu rechnen. Dieser Prognose stehe auch nicht entgegen, dass Mutter und Töchter nur über einen befristeten Aufenthaltstitel verfügen. Hinzu komme, dass die Mutter angesichts ihrer sehr guten Deutschkenntnisse und ihrer beruflichen Qualifizierung einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit anstrebe.
Az.: S 13 SO 166/23 ER